Kontrolle oder echte Hilfe? Das sollten Chefs bei der Rückkehr nach langer Krankheit beachten

Unternehmen wollen in Krankenrückkehrgesprächen prüfen, ob Beschäftigte künftig erneut aus gesundheitlichen Gründen fehlen könnten Quelle: Getty Images

Krankenrückkehrgespräche sind oft unbeliebt. Bei Mitarbeitern wie bei Führungskräften. Dabei kann es nach einer Erkrankung allen helfen – vor allem im richtigen Rahmen.

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Wer nach einer Krankheit an den Arbeitsplatz zurückkehrt, hat oft bereits eine Unterhaltung mit dem Vorgesetzten im Kalender stehen. Eigentlich steckt hinter dem sogenannten Krankenrückkehrgespräch eine gute Überlegung: Es soll Betroffenen nach längerer Abwesenheit helfen, im Job wieder Fuß zu fassen. Die Realität sieht aber oft anders aus. Viele Mitarbeiter kehren „schon mit Bauchschmerzen zurück an den Arbeitsplatz, wenn man weiß, dass ein solches Gespräch droht“, beobachtet Arbeitspsychologin Thordis Bethlehem. „Auch viele Führungskräfte führen die Gespräche nur ungern.“

Ein Grund: Für Arbeitgeber stehen dabei nicht immer die Interessen des Beschäftigten im Vordergrund. Unternehmen wollen in den Gesprächen prüfen, ob Beschäftigte künftig erneut aus gesundheitlichen Gründen fehlen könnten – oder ob sie den Anforderungen ihres aktuellen Arbeitsplatzes noch gerecht werden, wie Markus Hofmann, der die Abteilung Sozialpolitik beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) leitet. Und so sieht er in dem Gespräch ein Risiko: dass Beschäftigte später krankheitsbedingt die Kündigung erhalten.

Fehler beim Rückkehrgespräch

Auch Bethlehem, die als Präsidentin dem Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) vorsteht, musste feststellen: Mitunter werden Mitarbeiter durch das Krankenrückkehrgespräch kontrolliert oder gar eingeschüchtert. Auch reine Pflichterfüllung – ohne aufrichtiges Interesse an der Situation des Kollegen – ist für die Organisationspsychologin einer der Gründe, warum diese Gespräche für Chefs allzu oft ihren Zweck verfehlen. In der Folge würden die unbeliebten Termine gern an die Personalabteilung weitergereicht – und damit noch unpersönlicher.

Acht Tipps zum Stressabbau

„Solche Gespräche sind Führungsaufgabe“, mahnt Bethlehem. „Es ist der Vorgesetzte, der sich für das Befinden des Mitarbeiters interessieren sollte. Das kann nicht delegiert werden.“ Doch selbst bei wohlmeinenden Chefs kann das Rückkehrgespräch schnell aus dem Ruder oder zumindest ins Leere laufen. „Führungskräfte sind häufig nicht geschult im Führen dieser Gespräche und werden mit dieser Aufgabe allein gelassen“, kritisiert Bethlehem. Mangelnde Vorbereitung führe dann oft zu unangenehmen Unterhaltungen – schließlich geht es um heikle Themen.

„Dieses Gespräch ist anspruchsvoll, eine echte Gratwanderung“, warnt die Psychologin. Einerseits solle der Vorgesetzte erkennen, wie dem Mitarbeiter geholfen werden kann. „Andererseits darf auch nicht gebohrt werden, wenn das Gespräch als konstruktive, Vertrauen bildende Aktion wirken soll.“ Sie rät, nicht den Blick zurück auf die Ursachen der Fehlzeiten zu werfen, im Sinne von „Warum wurden Sie krank?“. Vorgesetzte sollten stattdessen diese Fragen stellen:

  • Was hilft Ihnen jetzt?
  • Was brauchen Sie für den Wiedereinstieg in die Arbeit?
  • Welche Hinweise haben Sie für mich und die Kollegen?

Dieser Ansatz hilft Betroffenen laut der Psychologin dabei, ihre Privatsphäre zu schützen, wenn sie dies wünschen. Denn grundsätzlich gilt: „In einem Krankheitsrückkehrgespräch müssen Beschäftigte hinsichtlich ihrer Gesundheit gar nichts offenlegen“, unterstreicht Gewerkschafter Hofmann. Informationen über Krankheiten seien von Rechts wegen besonders geschützt. Auch der Betriebsarzt dürfe Details zu einem Beschäftigten nur mit dessen Zustimmung weiterreichen.

Da es sich bei dem Krankenrückkehrgespräch um ein Personalgespräch handelt, kann der Arbeitgeber laut Hofmann zwar Absagen zulassen, allerdings auch auf den Termin bestehen. Der DGB-Experte empfiehlt Beschäftigten, sich von einem Mitglied des Betriebsrats oder der Schwerbehindertenvertretung zu dem Treffen begleiten zu lassen, um Benachteiligungen wegen einer Erkrankung von vornherein auszuschließen „Außerdem das Gespräch gut vorbereiten, vielleicht sogar durchspielen und Antworten zurechtlegen“, rät Psychologin Bethlehem.

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