Kündigen oder bleiben? So holen Sie mehr aus dem Frust-Job heraus

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Die Strategie für das Gehaltsgespräch

Eines betonen die Expertinnen immer wieder: Gerade wenn man innerlich schon fast gekündigt hat, ist Fingerspitzengefühl bei der Verhandlung besonders wichtig. Der Frust der vergangenen Monate oder Jahre sollte außen vor bleiben. „Versuchen Sie nicht, mit Ihren Forderungen die Enttäuschungen der Vergangenheit auszugleichen. Das wäre dann ein Null-Summen-Spiel“, warnt Nebel. „Gespräche sollten nach vorne gerichtet sein: Was soll sich ändern, damit ich in Zukunft zufriedener bin und das Unternehmen auch einen Vorteil hat? Wenn nur eine Seite als der Gewinner hervorgeht, ist Unzufriedenheit vorprogrammiert.“

Deshalb sei es entscheidend, bei den eigenen Wünschen die Vorteile für den Arbeitgeber zu unterstreichen, ähnlich wie in einem Verkaufsgespräch. Nebel nennt ein Beispiel: „Sie möchten von einer Fünf- auf eine Viertagewoche reduzieren, weil sie einen Tag für die Kinderbetreuung brauchen. Dann sollten Sie einen Plan entwickeln, wie Ihre Arbeit umverteilt werden kann, sodass dem Unternehmen kein Nachteil entsteht.“

Großes Dossier: Ihr Weg zu mehr Gehalt

Zur klugen Strategie gehört es auch, seine Wünsche vorab zu priorisieren. „Wer am Anfang zig Forderungen stellt, drängt das Gegenüber in die Enge und wird nicht unbedingt mehr erreichen“, warnt Nebel. Anschließend könne man noch auf ein paar weniger wichtige Wünsche verweisen, auf die später eingegangen werden solle: „Damit bleiben Sie flexibel und wollen vielleicht gar nicht mehr nachlegen, wenn die drei Hauptforderungen erfüllt sind.“ Bei der erfolgreichen Gehaltsverhandlung kommt es laut Nebel auch auf die letzten Minuten an. „Am Ende Gesprächs können Sie anbieten, dass Sie im Nachgang die wesentlichen Punkte per Mail zuschicken. Ganz wichtig: Vereinbaren Sie, wie es weitergehen wird. Wann bekommen Sie spätestens eine Rückmeldung zu den angesprochenen Wünschen und Forderungen?“

Chef mit Kündigung drohen?

Einen expliziten Hinweis auf eine anstehende Kündigung sollten sich Beschäftigte nach Ansicht der Expertinnen lieber verkneifen. Das würde vom Gegenüber vermutlich als Drohung wahrgenommen, sagt Nebel. „Im Gespräch wird sich zeigen, wie kooperativ die Gegenseite ist. Wenn bei fast jedem vorgetragenen Wunsch ein 'Das geht nicht' oder 'Wie stellen Sie sich das denn vor' kommt, liegt die Option Kündigung wohl automatisch in der Luft.“ Sie rät aber selbst bei einem solchen Gesprächsverlauf dazu, den Vorgesetzten zu bitten, über alles noch einmal in Ruhe nachzudenken und in ein paar Tagen eine endgültige Rückmeldung zu geben.

„Sollte diese dann weiterhin negativ sein, wäre wohl die passende Antwort: Dann muss ich mir jetzt Gedanken machen, wie es für mich weitergeht“ empfiehlt Nebel. „Was jedoch mit dem Risiko verbunden ist, dass das Unternehmen zur Kündigung greift, wobei es wohl eh nicht gewillt war, den Mitarbeitenden zu halten.“



Manchmal erwächst aus der letzten Chance sogar eine neue Wertschätzung für den Job. „Eine Kundin von mir arbeitete in einer hohen Position in einem Pharmaunternehmen und war kurz vor der Kündigung“, erzählt Weinand. „Sie war frustriert, hatte das Gefühl sich im Kreis zu drehen und eine sinnlose Arbeit zu machen. Ihr Traum war es immer, ein französisches Café zu eröffnen.“ Wunschvorstellungen hätten aber nicht immer etwas mit der Wirklichkeit zu tun. Weinand empfahl der Klientin, diese Wunschvorstellung mit der Wirklichkeit abzugleichen und sich mal konkret mit den Arbeitsbedingungen in der Gastronomie auseinanderzusetzen.

Der Realitäts-Check zeigte Wirkung. „Für meine Kundin stellte sich heraus, dass sie in ihrem Job doch glücklicher war als gedacht und dass sie Veränderungen angehen kann, damit es besser wird“, berichtet die Beraterin.

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