




Selektion des Stärkeren, Klügeren, Fleißigeren. Arbeitnehmerwahl nach dem darwinistischen Prinzip. Es könnte so einfach sein, oder etwa nicht? Der Bessere bleibt, der Schlechtere muss gehen. In der Praxis sieht das alles andere als so einfach und logisch aus. Oft ist es nicht eindeutig, warum einem Arbeitnehmer gekündigt wurde und warum nicht einem anderen.
Ein Fall vor den Kölner Arbeitsgericht zeigt die Brisanz dieser Problematik.
Martin M., 42, Sales Manager einer Software Vertriebs Firma im Rheinland war vor Gericht gezogen, nachdem ihm das Unternehmen Arbeitsstunden gekürzt hatte. Zehn Stunden pro Woche und 850 Euro im Monat – das wäre sein neuer Arbeitsalltag gewesen. Für einen Familienernährer mit zwei kleinen Kindern eindeutig zu wenig. Daher lehnte er die Änderungskündigung ab – das Arbeitsverhältnis halt daraufhin als beendet.
Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen
97 Prozent der 2014 von forsa befragten 2.001 Bundesbürger sagten, dass sie bei einem neuen Job sehr viel Wert auf angenehme Kollegen legen.
Nur knapp dahinter folgt der sichere Arbeitsplatz, den 96 Prozent als sehr wichtig erachten.
95 Prozent wünschen sich Respekt und Anerkennung durch die Vorgesetzten.
Ein gutes Gehalt ist 93 Prozent wichtig beziehungsweise sehr wichtig.
90 Prozent wünschen sich von der neuen Stelle, dass sie abwechslungsreiche Tätigkeiten mit sich bringt.
Für 89 Prozent ist es wichtig bis sehr wichtig, dass der neue Job unbefristet ist.
88 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen die Moralvorstellungen und das Leitbild des Unternehmens wichtig sind. Ebenfalls 88 Prozent legen sehr großen Wert darauf, dass sie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im neuen Unternehmen haben.
Flexible Arbeitszeiten wünschen sich 70 Prozent im neuen Job.
Wichtig beziehungsweise sehr wichtig finden 65 Prozent Mehrwertleistungen des Unternehmens wie beispielsweise eine Betriebsrente, Mitarbeiterrabatte oder einen Dienstwagen.
64 Prozent wünschen sich, im neuen Unternehmen für besonders gute Leistungen auch Bonuszahlungen zu bekommen.
59 Prozent wünschen sich im neuen Job Führungsverantwortung zu übernehmen, zumindest aber, Projektleiter zu werden.
Martin M. klagte die US-Firma an, mit der Begründung, dass eine Kollegin an seiner Stelle hätte entlassen werden müssen. Sie sei schon länger im Betrieb gewesen, habe aber keine Kinder oder Partner zu versorgen. Dieses Prinzip nennt sich Sozialauswahl.
Unter einer Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung wird verstanden, dass der Arbeitgeber den zu kündigenden Arbeitnehmer nicht nach Belieben, sondern nur nach gesetzlichen Kriterien auswählen darf.
Was bei der Arbeit stresst
Was sorgt im Büro für Stress? Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen.
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent.
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Managementfähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent.
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an.
Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist.
Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung.
"Ganz wichtig ist, dass der Arbeitgeber vergleichbare Arbeitnehmer in eine Rangfolge bringt, die also vergleichbare Tätigkeiten im Unternehmen übernehmen", erklärt die Fachanwältin für Arbeitsrecht, Manuela Beck. Danach kämen dann vier Faktoren zum Tragen: Die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, eventuelle Unterhaltspflichten für Kinder oder eine mögliche Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. "Das sind gesetzliche Kriterien, mithilfe derer dann entschieden wird, welcher Arbeitnehmer gehen muss und welcher bleibt", sagt Beck. In Frage kommen also alle Angestellten, die untereinander austauschbar sind, weil sie nach ihrer Qualifikation und Hierarchieebene und nach ihrem Profil auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt werden könnten.
Der Arbeitgeber muss dann immer den sozial stärksten Arbeitnehmer entlassen. "Ein Beispiel: Ein Angestellter mit 50 Jahren hat nach einer Kündigung möglicherweise größere Schwierigkeiten, wieder einen Job zu bekommen, als ein 28-Jähriger, der leichter wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt fassen kann", erzählt Manuela Beck. Auch ein mehrfacher Familienvater gelte als sozial schwächer als ein Einzelverdiener ohne Kinder.
Doch wie immer, gibt es auch hier Ausnahmen, etwa wenn ein Arbeitnehmer unverzichtbar für das Unternehmen ist oder besonders gute Leistungen erbringt. Er kann dann von der Sozialauswahl ausgeschlossen werden und läuft damit nicht Gefahr, gekündigt zu werden. "Vor Gericht muss eine Arbeitgeber das jedoch ganz direkt anhand von Zahlen oder nachweisbaren Leistungen belegen", betont die Fachanwältin.





Schwierig wird es auch bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien. Ist ein 54-jähriger Arbeitnehmer ohne Kinder nun sozial schwächer als ein 29-jähriger zweifacher Familienvater? Hier kommen sich die Auswahlkriterien in die Quere: Prinzipiell hat ein 54-Jähriger schlechtere Chancen einen neuen Job zu finden. Gleichzeitig hat der 29-Jährige zwei kleine Kinder und ist dementsprechend weniger mobil auf dem Arbeitsmarkt.
"Abhilfe kann da ein Punktesystem schaffen, das der Arbeitgeber festlegt. Dabei greifen dann sogenannten Auswahlrichtlinien, die die vier großen Kriterien ein wenig gewichten", erklärt Manuela Beck. Diese Richtlinien sind dann in der Regel bindend - es sei denn das Arbeitsgericht stellt eine grobe Fehlerhaftigkeit fest. Zum Beispiel dürfte man nicht ein Kind mit 20 Punkten bewerten, ein Lebensjahr aber nur mit einem Punkt.
Wirksam wird die Sozialauswahl jedoch nur dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz greift. Dieses gilt in der Regel für alle Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern und schützt alle, die bei der Kündigung bereits länger als sechs Monate im Unternehmen tätig waren. Bei einer betriebsbedingten Kündigung greift dann die Sozialauswahl – also immer dann, wenn nicht der Arbeitgeber den Anlass für die Entlassung gegeben hat, sondern wenn ein Unternehmen zum Beispiel Absatzschwierigkeiten hat oder eine Abteilung schließt.
Wie die vier genannten Kriterien bei der Sozialauswahl gewichtet werden, darüber schweigt sich das Gesetz aus. "Das sind Einzelfallentscheidungen, auch wenn das Gesetz allgemein gilt", meint Manuela Beck. Klar ist aber: Wird jemand entlassen, obwohl ein vergleichbarer Kollege deutlich weniger schutzbedürftig ist, ist die Kündigung unwirksam.