Kündigungsschutz Auf diese Tücken müssen Expats im Homeoffice achten

Wer aus dem Homeoffice für einen ausländischen Arbeitgeber arbeiten möchte, muss auf Einiges achten. Quelle: Getty Images

Wer ohnehin im Homeoffice arbeitet, kann auch gleich für ein ausländisches Unternehmen tätig werden. Die locken mit mehr Gehalt oder Vier-Tage-Woche. Trotzdem kann die Sache heikel werden.

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Lange Zeit war ein Job in der Ferne ein Versprechen. Er stand für Abenteuer. Doch angesichts von Reisebeschränkungen und immer neuen Covid-19-Wellen ist der Glanz verblasst. Die Digitalisierung bringt dafür einen neuen Typ von Expat hervor: Menschen, die vom deutschen Homeoffice aus für eine Firma in London, Singapur oder Kapstadt arbeiten. Angebot und Nachfrage ergänzen sich hier in Pandemiezeiten. Unternehmen schauen auf der Suche nach Fachkräften zunehmend auch auf den internationalen Jobmarkt. Und Talente aus Deutschland haben verstärkt Lust, den Komfort des heimischen Arbeitens mit neuen Herausforderungen zu verbinden.

Laut Einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstitut Trendence Institut kann sich rund die Hälfte der Befragten vorstellen, aus dem Homeoffice für ein Unternehmen im Ausland zu arbeiten. Unter Berufsanfängern mit weniger als fünf Jahren Joberfahrung lag der Anteil sogar bei 61 Prozent, und selbst bei erfahrenen Beschäftigten, die auf eine über 15-jährige Karriere zurückblicken, noch bei 42 Prozent.

Homeoffice für ausländische Firma beliebt

„Das haben wir so nicht unbedingt erwartet“, sagt Robindro Ullah, Geschäftsführer des Trendence Instituts in Berlin. Sprachbarrieren sind offenbar kaum noch ein Hindernis. Zwei Drittel der Akademiker sahen darin kein Problem. Dasselbe galt für immerhin noch 38 Prozent der übrigen Beschäftigten.

Das Homeoffice macht den virtuellen Sprung ins Ausland nun besonders einfach. Wer vorher wegen des logistischen Aufwands und auch aufgrund von Familienbanden davor zurückschreckte, dem bietet sich gerade ein vergleichsweise simpler Mittelweg, den Lebenslauf durch internationale Erfahrungen aufzuwerten. Das Gehalt kann dabei ein überzeugendes Argument sein. So sind ausländische Firmen zum Teil deutlich höhere Löhne gewohnt und zahlen diese auch an Arbeiter im fernen Homeoffice. Hinzu kommen mitunter häufig attraktive Arbeitszeiten. Insbesondere das sogenannte isländische Modell mit einer Vier-Tage-Woche stößt in Deutschland auf Interesse. „Jeder vierte Teilnehmende möchte sich zukünftig nur noch bei Arbeitgebern bewerben, die auch diese Arbeitszeitlösung anbieten“, stellten die Umfragemacher fest.

Vorsicht beim Arbeitsvertrag

Wer sich überlegt, im deutschen Homeoffice für eine ausländische Firma zu arbeiten, steht allerdings vor einigen Fragen: Wann gilt zum Beispiel die Rechtsgrundlage in Deutschland, wann womöglich die am Hauptsitz des künftigen Arbeitgebers? Bei der Sozialversicherung ist die Lage klar. Wer in Deutschland arbeite, der entrichte die hier üblichen Abgaben und Beiträge, sagt Pascal Verma, Partner der Hamburger Kanzlei NBS Partners. Anders könne es beim Arbeitsrecht aussehen. Die ROM-I-Verordnung des Europäischen Parlaments erlaubt nämlich eine sogenannte Rechtswahl. „Es kann also im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass auf den Arbeitsvertrag ein ausländisches Recht angewendet werden soll“, erläutert der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer den Anspruch auf zentrale Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts verliert. Schwangere müssten beispielsweise in jedem Fall Anspruch auf Mutterschutz haben. Soweit jedenfalls die Theorie.

Praktisch kann es bei einem Arbeitgeber im Ausland durchaus Nachteile geben, warnt Verma. Das beginnt bereits beim allgemeinen Kündigungsschutz. Arbeitgeber dürfen Beschäftigte nicht willkürlich entlassen, sondern müssen dies zum Beispiel mit mangelnder Qualifizierung, persönlichem Fehlverhalten oder betriebsbedingten Umständen begründen. In letzterem Fall sind die Betroffenen unter sozialen Gesichtspunkten auszuwählen. Der allgemeine Kündigungsschutz gilt allerdings erst für Betriebe mit mindestens zehn Arbeitnehmern. Und bei diesem Schwellenwert werden laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Beschäftigten außerhalb Deutschlands nicht berücksichtigt, wie Verma mahnt: „Also ist auch bei größeren ausländischen Arbeitgebern vorstellbar, dass kein allgemeiner Kündigungsschutz für den in Deutschland im Homeoffice tätigen Arbeitnehmer besteht.“

Aufgrund der ROM-I-Verordnung ist es laut dem Juristen aus rechtlicher Sicht zunächst unerheblich, ob der Arbeitgeber seinen Hauptsitz in der Europäischen Union, im Rest Europas oder auf einem anderen Kontinent hat. „Unterschiede kann es jedoch geben, wenn es Probleme im Arbeitsverhältnis gibt und zum Beispiel Lohnforderungen im Wege der Zwangsvollstreckung eingetrieben werden müssen“, sagt der Anwalt. „Das kann deutlich komplizierter sein, wenn der Arbeitgeber außerhalb Europas ist.“

Er empfiehlt, den Arbeitsvertrag vor der Unterzeichnung besonders sorgfältig auch mit Blick auf deutsche Arbeitsschutzbestimmungen hin zu studieren. Basiert der Vertrag auf der Rechtsgrundlage des Heimatlandes des Arbeitgebers und sieht er zum Beispiel weniger Urlaubstage vor, als nach dem Bundesurlaubsgesetz vorgeschrieben sind, kann das laut Verma ein Warnzeichen sein. Womöglich nimmt es der künftige Arbeitgeber mit seinen grenzüberschreitenden Verpflichtungen nicht so ernst. Der Experte rät außerdem, die Situation bei der Einkommensteuer zu prüfen, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Damit ein Beschäftigter nicht in zwei Ländern dieselben Steuern zahlen muss, hat Deutschland mit vielen Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen.

Nachtschicht für Expats

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Die Arbeitszeiten können im Homeoffice für einen ausländischen Arbeitgeber ebenfalls zu einem Problem werden. Wer beispielsweise für ein Unternehmen in Asien oder Nordamerika tätig ist und während der lokalen Kernzeiten erreichbar sein soll, findet sich womöglich in permanenten Rand- oder Nachtschichten wieder. Arbeitsrechtlich ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden, erläutert Verma. Ausgenommen seien lediglich Minderjährige und Schwangere. Ansonsten müssten die Vorgaben aus dem Arbeitszeitgesetz eingehalten werden, insbesondere Ruhezeiten, Ruhepausen und die besonderen Regelungen aus § 6 ArbZG für Nachtarbeiter. Der Paragraf schreibt beispielsweise eine werktägliche Arbeitszeit von maximal acht Stunden vor.

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