Warum kündigen Unternehmen ihren Angestellten? Und wann tun sie es? Werden Gekündigte vom Betriebsrat unterstützt? Und wie entscheiden Arbeitsgerichte im Konfliktfall?
Mit solchen Fragen befassten sich die Arbeitsrechtler der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds bei der Auswertung von 512 Kündigungsverfahren, für die sie selbst von 380 Unternehmen beauftragt worden waren.
Fast 70 Prozent aller Kündigungen geschahen aus "betriebsbedingten" Gründen, knapp 20 Prozent aus verhaltensbedingten Gründen, nur zehn Prozent aus personenbedingten und nicht-offen-gelegten Gründen.
Wahre Motive
Tatsächlich dürften allerdings auch bei betriebsbedingten Kündigungen oft andere Gründe eine Rolle spielen. Denn diese sind einfacher für Arbeitgeber. Die wahren Motive liegen, so die Autoren der Studie, auch bei betriebsbedingten Kündigungen häufig im Verhalten oder in der Person. Personenbedingte Kündigungen sind jedoch bis auf wenige Ausnahmen beinahe unmöglich.
Bei verhaltensbedingten Kündigungen erfolgte die Kündigung fast immer außerordentlich und fristlos. Auch, weil das für den Arbeitgeber taktische Vorteile im nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren hat. Verhaltensbedingte Kündigungen sind aber oft langwierig und Rechtsstreitigkeiten hierüber sind seit der Emmely-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kaum vorhersehbar.
Einer Kassiererin, die in der Öffentlichkeit Emmely genannt wurde, war fristlos gekündigt worden, weil sie ihr nicht gehörende Flaschenpfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst haben soll. Das BAG in Erfurt erklärte die Kündigung am 10. Juni 2010 für unverhältnismäßig und damit für unwirksam
Betriebsräte stehen selten den Gekündigte bei
Der Betriebsrat widersprach der Kündigung des Arbeitgebers nicht mal in jedem zehnten der untersuchten Fälle. "Das überrascht doch ein wenig, immerhin sind die betriebsbedingten Gründe häufig nur vorgeschoben. Dann liegt der Verdacht nahe, dass sich Betriebsräte ihre Zustimmung zu Kündigungen durch anderweitiges Nachgeben des Arbeitgebers erkaufen," sagt Stefan Kursawe, Arbeitsrechtler bei Heisse Kursawe Eversheds. "Deutlich wird aber auch, dass die Rolle des Betriebsrats bei Kündigungen allgemein überschätzt wird. Tatsächliche Möglichkeiten, die Kündigung zu verhindern, hat der Betriebsrat nämlich nur, wenn Betriebsratsmitglieder gekündigt werden," so Kursawe weiter.
So lange dauern Kündigungsschutzprozesse
12 Prozent der Verfahren dauern weniger als zwei Monate
25 Prozent dauern zwei bis drei Monate
20 Prozent dauern drei bis vier Monate,
15 Prozent dauern vier bis fünf Monate
Zehn Prozent dauern fünf bis sechs Monate
Länger als sechs Monate dauern weitere zehn Prozent
Wie lange dauern Kündigungsschutzprozesse?
"Interessant ist, dass Verfahren nach verhaltensbedingten Kündigungen entweder sehr schnell über die Bühne gehen – nämlich weniger als zwei Monate dauern – oder aber sehr lange – mehr als sechs Monate," so Kursawe. Der Grund: Entweder ließen sich die Arbeitnehmer wirklich etwas zu schulde kommen - wie Betrug, Unterschlagung oder Diebstahl. Und dann wird das Verfahren meist schnell und außergerichtlich beigelegt – ohne eine Abfindung, aber auch ohne Erstattung einer Strafanzeige.
Oder eine Klage dauert sehr lange, da bei verhaltensbedingten Kündigungsschutzverfahren lange Beweisaufnahmen notwendig werden.
Die lange Verfahrensdauer können Arbeitnehmer dann sogar für sich nutzen, wie Kursawe erklärt, denn der Arbeitgeber muss währenddessen mit dem Risiko leben, dass er für viele Monate das Gehalt nachzahlen muss.
Der Gang vors Arbeitsgericht lohnt sich
Knapp 70 Prozent der Verfahren zwischen Unternehmen und gekündigtem Arbeitnehmer enden durch einen Vergleich vor Gericht. Während insgesamt nur 46 Prozent der Gekündigten eine Abfindung erhalten, sind es bei denen, die vor Gericht gehen, rund 60 Prozent.
Knapp 30 Prozent der Verfahren enden durch einen außergerichtlichen Vergleich: Davon erhalten zwei Drittel der Gekündigten keine Abfindung (also 20 Prozent) und 80 Prozent bekommen eine (das sind 24 Prozent aller Gekündigten).
Der verschwindende Rest – weniger als fünf Prozent – endet durch ein gerichtliches Urteil oder weil eine Partei einseitig nachgibt und die Klage zurücknimmt. Das Fazit von Arbeitsrechtler Kursawe: "Der Gang vor Gericht lohnt sich für gekündigte Arbeitnehmer auf jeden Fall."
Interessant sind vor allem die außergerichtlichen Vergleiche: Hier fallen die Abfindungszahlungen entweder sehr hoch aus - über ein Jahresgehalt, manchmal sogar weit darüber – oder aber sehr gering (ein Monatsgehalt oder sogar 0 Euro Abfindung).
Montag ist der typische Kündigungstag
Über 30 Prozent aller Kündigungen von Arbeitgebern werden an Montagen ausgesprochen, gefolgt von Mittwoch mit knapp 30 Prozent, Donnerstag mit 15 Prozent, Freitag mit über 10 Prozent sowie Dienstag und Samstag mit knapp über fünf Prozent.
Hinter der Montagskündigung mag einerseits der Wunsch stehen, dem Betroffenen das Wochenende nicht kaputt zu machen. Dazu kommt aber, so Kursawe, auch ein taktischer Hintergrund. Die vor Kündigungen notwendigen Betriebsratsanhörungen können nämlich auch übers Wochenende erfolgen.
Das hat den Effekt, dass sich der Betriebsrat nicht während der Arbeitszeit damit beschäftigen kann, sondern noch schnell eine Freitagabend-Sitzung oder gar eine Wochenend-Sitzung einberufen muss – und sich so in der Regel weniger intensiv mit der Kündigung auseinandersetzt.