Da wären etwa die Aussagen des Volkswagen-CIO Martin Hofmann, der viele Teile der Arbeiten, die einst vor allem von Betriebswirten gemacht wurden, zum Beispiel Controlling oder Pricing, in den digitalen Synapsen von künstlicher Intelligenz besser aufgehoben sieht. Oder John Cryan, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, der kürzlich auf einer Tagung viele seiner Angestellten mit Robotern verglich und damit deren Ersetzbarkeit implizierte.
Und nun auch die Steuerberatung? Hier sind die Einstiegshürden für angehende Berater vergleichsweise hoch, das nötige Wissen komplex. Doch den WTS-Vorstand Fritz Esterer hat es nicht wirklich überrascht, als er erfuhr, dass künstliche Intelligenz auch in seinem Geschäft eine wichtige Rolle spielen kann.
So könnten Computer bald Steuerunterlagen vom Deutschen ins Englische übersetzen oder einschlägige Gerichtsurteile und Kommentare zusammenfassen, um Prognosen über zukünftige juristische Entscheidungen zu treffen. Auch als Frage-und-Antwort-Automat für weniger komplexe Fragen aus den Steuerabteilungen von Unternehmen sei KI geeignet oder dafür, darauf zu achten, dass Unternehmen beim Außenhandel die Einsparmöglichkeiten nutzen, die ihnen durch Freihandelsabkommen zur Verfügung stehen, die sie aber selten im Detail kennen.
Unternehmen schaffen es damit ein altes Dilemma aufzulösen: Versuchten sie, Geschwindigkeit, Kosten und Qualität zu optimieren, mussten sie sich bislang für zwei von drei dieser Größen entscheiden. Schnellere Lösungen drückten entweder die Qualität oder ließen die Kosten steigen; billigere Ideen waren entweder langsam oder “quick and dirty”; höhere Qualität ging nur durch mehr Investition oder mehr Zeitaufwand. Mithilfe der KI-Unterstützung könne man dagegen schneller, günstiger und besser sein, findet Fritz Esterer.
Für die menschlichen Arbeitskräfte, so der WTS-Vorstand, sei deshalb eine unsichere Zukunft denkbar: Einfache Tätigkeiten, die heute oft in so genannten “shared service centern”, etwa in Rumänien oder Ungarn, ausgelagert seien, könnten bald von Computern erledigt werden. “Man muss davon ausgehen, dass man insgesamt weniger Leute für solche Aufgaben brauchen wird”, sagt Esterer.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Diejenigen, die den Wandel überstehen wollten, bräuchten vor allem Fähigkeiten in der Beratung und in der Bewertung der Lösungen, die die KI vorschlägt.
Um große Mandate weiter zu betreuen, brauche man diese Technologie, so Esterer. Man müsse auch über die ethischen Grenzen der Digitalisierung sprechen und aufpassen, dass der Bogen nicht überspannt werde. “Persönlich bin ich da auch zwiegespalten”, so der Vorstand. Für sein Unternehmen sieht er aber keine Alternative.