Ländervergleich zum Gender Pay Gap Deshalb klappt Fair Pay in anderen Ländern besser als in Deutschland

Noch nie war der Unterschied zwischen der Bezahlung von Frauen und Männern in Deutschland so gering. Quelle: IMAGO

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn: In Deutschland funktioniert die faire Entlohnung von Frauen und Männern immer noch nicht. Ein Blick nach Skandinavien und Neuseeland zeigt, wie es besser geht.

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Vor 33 Jahren gingen die Amerikanerinnen zum ersten Mal mit signalroten Taschen auf die Straße. So wollten sie auf die roten Zahlen in ihren Geldbörsen der Frauen aufmerksam machen – und darauf, dass die Männer deutlich besser verdienen. Die Aktion wurde ein Exporterfolg. Von Brasilien bis Japan sorgt der Equal Pay Day, der aus dem Aufmarsch mit den roten Taschen entstand, für Aufmerksamkeit. Der Equal Pay Day – also der Tag, bis zu dem Frauen im Vergleich zu Männern umsonst arbeiten – ist in diesem Jahr bereits am 10. März.

Noch nie war der Unterschied zwischen der Bezahlung von Frauen und Männern in Deutschland so gering. Aktuell liegt er nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bei 19 Prozent. Innerhalb von Europa stehen nur Estland (22 Prozent) und Lettland (21 Prozent) noch schlechter dar. Vergleicht man den Lohn, den Männer und Frauen bei gleicher Qualifikation erhalten, beträgt der Unterschied immer noch sechs Prozent.

„Noch hat kein Land der Welt Entgeltgleichheit erreicht“, sagt Henrike von Platen, CEO und Gründerin des gemeinnützigen Fair Pay Innovation Labs (FPI). Aber viele sind auf dem Weg dorthin. Seit 2012 lässt sich in der Europäischen Union beobachten, dass der Gender Pay Gap sinkt, wie aus zuletzt veröffentlichten Daten von Eurostat hervorgeht. Am besten steht Luxemburg mit einem Unterschied von einem Prozent dar. Dicht gefolgt von Rumänien, wo der Lohn von Männern und Frauen um drei Prozent voneinander abweicht.

Das liegt an einer Reihe gesetzlicher Initiativen: In Island oder der Schweiz sind Unternehmen beispielsweise verpflichtet, ihre Gehaltsstrukturen zu untersuchen und mögliche Ungleichbehandlungen sichtbar zu machen. In der Schweiz müssen Unternehmen ab 100 Beschäftigten seit vergangenem Jahr ihre Gehaltsstrukturen analysieren und in Island sind Unternehmen bereits ab 25 Beschäftigten verpflichtet, ihre Gehaltsstrukturen zertifizieren zu lassen. Tun sie dies nicht, drohen Strafen.

Auch in Großbritannien müssen die Firmen die Unterschiede offenlegen. Und in Deutschland haben Beschäftigte seit Juli 2017 die Möglichkeit, Auskünfte über Gehaltsunterschiede einzuholen. Das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen verpflichtet Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten, Mitarbeitenden auf Nachfrage zu erklären, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden. Private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert, die Entgeltstrukturen zu prüfen und über den Stand der Gleichstellung zu berichten. Jedoch würden laut von Platen bisher nur wenige Beschäftigte ihr Auskunftsrecht nutzen.

In Deutschland ist es – beispielsweise im Vergleich zu den USA – immer noch ein Tabu über Geld und Gehälter zu sprechen. Es bröckelt stetig, aber bisher zu langsam. Dass der Auskunftsanspruch bisher so wenig genutzt wurde, hat aber noch weitere Ursachen. So enthält er kein Recht auf eine Angleichung der Gehälter, wenn Unterschiede sichtbar werden. Beschäftigte können die Informationen lediglich nutzen, um faire Bezahlung einzufordern und sogar vor Gericht zu gehen. Hinzukommt, dass der Nachweis von Diskriminierung nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz aufwändig ist. Und so wird in Deutschland nur selten geklagt. Anders als in den USA, wo das Rechtssystem völlig anders aufgebaut ist und Sammelklagen möglich sind, von denen einige in den vergangenen Jahren im Bereich Fair Pay Erfolg gezeigt haben.

Für die EU wollte Ursula von der Leyen ursprünglich innerhalb von 100 Tagen eine gesetzliche Regelung für Lohntransparenz vorlegen. Mit einem Jahr Verspätung hat die Kommission am vergangenen Mittwoch nun den Vorschlag für mehr Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen vorgelegt. Sehr weitreichend: An vielen Stellen geht das Papier, das der WirtschaftsWoche vorliegt, deutlich über die deutsche Regelung zur Lohntransparenz hinaus.

Besonders die skandinavischen Länder kämpfen stark gegen eine Lohnlücke an. So schreiben Entgelttransparenzgesetze unter anderem vor, dass Unternehmen eine faire Bezahlung nachweisen müssen. Ansonsten drohen Sanktionen. In Island kostet jeder Tag, den ein Unternehmen keine Zertifizierung der Vergütungsstrukturen vorweisen kann, rund 400 Euro.

Und weiter: Die Elternzeit muss unter Paaren aufgeteilt werden und auch das Ehegattensplitting ist zum Beispiel in Schweden bereits vor fast 30 Jahren abgeschafft worden, während es in Deutschland weiterhin besteht. Durch die Kombination der Steuerklassen 3 und 5 ist die Person mit dem höherem Einkommen – meist der Mann – im Vorteil, wohingegen die Person mit dem geringerem Einkommen im Verhältnis eine höhere Steuerlast trägt. Hinzu kommt: Je größer der Lohnunterschied, desto größer die Ausbeute. Durch das Ehegattensplitting steigt der Anreiz für Frauen in Teilzeit zu gehen, sobald sie Kinder haben. Fast die Hälfte der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten in Deutschland in Teilzeit. „Die größte Wahrscheinlichkeit, sich in Deutschland die Karriere zu ruinieren, ist Mutter zu werden“, sagt Henrike von Platen, die Vorstandsvorsitzende von FPI. Im Durschnitt beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Deutschland nach Angaben des EIGE für Männer 40 Stunden und für Frauen 34 Stunden.

Island ist Weltmeister in Sachen fairer Bezahlung

Lehrreich ist auch ein Blick auf den kleinen Inselstaat Neuseeland: Das seit vergangenem August geltende Equal Pay Amendment Bill soll die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung in Branchen, die Frauen dominieren, bremsen. Mit dem neuen Gesetz wird die Bewertung von Arbeit – gerade in frauendominierten Tätigkeitsbereichen – neu aufgestellt, um die Unterbewertung dieser Tätigkeiten aufzuheben. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen hat das Land seit 1998 halbiert: 2018 lag sie bei 9,3 Prozent. Im weltweiten Vergleich liegt Neuseeland damit auf dem 6. Platz. Doch in dem Inselsaat zeigt sich auch, dass es selbst innerhalb der weiblichen Belegschaften Gerechtigkeitslücken gibt: Frauen europäischer Herkunft verdienen – so das FPI– mehr als Frauen asiatischer Herkunft oder Maorifrauen, also die die Angehörigen der einheimischen Bevölkerung Neuseelands. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den USA: Während Frauen asiatischer Herkunft dort zehn Prozent weniger als Männer verdienen, sind es bei Frauen hispanischer Herkunft im Durchschnitt knapp die Hälfte.

Weltmeister in Sachen fairer Bezahlung ist Island, verkündete das Weltwirtschaftsforum 2018. In keinem anderen Land schrumpft die Lohnlücke derart schnell, wie das FPI bestätigt. Im Gegensatz zum benachbarten Norwegen, wo Entgelttransparenz gewährleistet wird, indem die Einkommenshöhe der Beschäftigten für andere einsehbar ist, liegt es in Island bei den Unternehmen, für faire Bezahlung zu sorgen. Dies erhöhe laut dem FPI den Druck auf die Unternehmensführung – und sorge dafür, dass die Lohnlücke geschlossen wird.

Auch in der Frage, wie leicht es ist, einen Job zu finden, haben die Geschlechter fast gleiche Chancen: 79 Prozent der Frauen und 86 Prozent der Männer sind berufstätig. Frauen arbeiten vor allem im öffentlichen Dienst und im Dienstleistungssektor, Männer eher in der Technologie- und Agrarindustrie. Nach einer Anpassung der gesetzlichen Elternzeitregelung im Jahr 2000 gehen inzwischen neun von zehn Vätern in Elternzeit. Mit der Reform wurde zum einen der Anreiz für Frauen geschaffen, Elternzeiten zu verkürzen. Zum anderen ermunterte die Einführung der Partnermonate vor allem Männer, in Elternzeit zu gehen. Jährlich steigt die Anzahl der Väter in Elternzeit. Die Aufteilung von Elternzeit und Elterngeld ist möglich, dennoch nehmen Frauen im Durchschnitt wesentlich längere Auszeiten als Männer.

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Die Frage, wie schwer es für Frauen ist, Karriere zu machen, entscheidet am Ende darüber, wie viel weniger sie verdienen. „In Ländern wie Italien oder Malta ist der Gender Pay nur so gering, weil Frauen gar nicht mehr am Arbeitsmarkt teilnehmen, sobald Kinder auf der Welt sind“, sagt von Platen. Deshalb würden diese gar nicht erst in den Statistiken auftauchen. So bedeutet eine geringe Lohnlücke nicht unbedingt mehr Gleichstellung der Geschlechter. Vielmehr kann eine kleine Kluft die Folge einer geringeren Erwerbsbeteiligung von Frauen sein. Zwei von drei Frauen sind laut dem Statistischen Bundesamt in der EU erwerbstätig. Die Lohnunterschiede scheinen jedoch einen Zusammenhang mit der Beteiligung auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Frauen in Ländern mit geringen Lohnunterschieden haben eine niedrigere Beschäftigungsquote als Männer, wie aus den aktuellsten Daten des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) hervorgeht. So beträgt in Italien zum Beispiel der Unterschied fünf Prozent, während die Beschäftigungsquote für Frauen bei etwa 53 Prozent gegenüber 73 Prozent für Männer liegt. Und auch in Rumänien liegt der Abstand bei 3,5 Prozent, obwohl gerade Mal 61 Prozent der Frauen arbeiten, verglichen mit 79 Prozent der Männer. In Deutschland und Estland hingegen ist die Beschäftigungsquote von Frauen höher und dafür die Lücke größer: In beiden Ländern beträgt die Beschäftigungsquote der Frauen etwa 76 Prozent, während 84 Prozent der Männer arbeiten.

In einigen Ländern lassen sich aber auch die Unterschiede im Gehalt durch das Bildungsniveau erklären. Eine höhere Bildung ist mit höheren Löhnen verbunden. So wie in Rumänien: Dort beträgt der Anteil hochqualifizierter beschäftigter Frauen 86,4 Prozent. Deshalb steigt das Durchschnittsgehalt und liegt dadurch tatsächlich nah am Lohn der Männer.

Mehr zum Thema: Die Corona-Krise trifft Frauen, die sich vor wenigen Jahren selbstständig gemacht haben, besonders hart.

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