Langweilige Jobs "Die Kassiererin hat Pech gehabt"

In vielen Jobs langweilen sich Mitarbeiter regelrecht zu Tode. Da hilft nur, sich spannendere Projekte zu suchen oder den Ausgleich im Privaten zu schaffen, sagt die Arbeitspsychologin Renate Rau.

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Haben sie einen monotonen Job und fühlen sich unterfordert? Die Gefahren beim Bore-Out. Quelle: Fotolia

WirtschaftsWoche: Was ist eigentlich schlimmer: Burn-out oder Bore-out?

Renate Rau: Das Phänomen Bore-out ist extrem selten. Wo das auftritt, muss genug Geld vorhanden sein, um Leute zu beschäftigen, aber keine Aufträge. In einer wirtschaftlich arbeitenden Organisation passiert so etwas nicht. Was es gibt, ist Fehlplanung: In einem Büro weiß der Mitarbeiter nicht, was er machen soll, in der anderen Abteilung arbeiten sich die Leute tot und würden gerne Arbeit abgeben.

Okay, in der Regel haben alle genug zu tun. Aber es gibt doch trotzdem Jobs, in denen die Mitarbeiter eher unter- als überfordert sind...

Es gibt viele Arbeiten, die in der Praxis so schlecht gestaltet sind, dass sie qualitativ unterfordern. Und dann gibt es Arbeiten, die unterschiedliche Anforderungen stellen und Handlungsspielraum bieten. Trotzdem haben Menschen das Gefühl, langsam voran zu kommen, weil sie vielleicht viele Ideen haben, die sie nicht umsetzen können. Kurz gesagt, weil sie ihre Qualifikation nicht ausnutzen können.

Zur Person

Zum Beispiel?

Ich arbeite beispielsweise in einer öffentlichen Verwaltung, weil mir die Sicherheit des Jobs wichtig ist, aber ich störe mich an den für mich geringen Handlungsspielräumen, die mir die Bürokratie vorgibt. Dann kann man natürlich überlegen, ob es einem das Risiko wert ist, den sicheren Job für einen spannenden aufzugeben. Vermutlich wäre man anschließend sogar zufriedener. Wer den Job nicht aufgeben kann, muss versuchen, den langweiligen Job mit seiner Freizeit zu kompensieren.

Wenn ich mir aber vorstelle, dass jemand irgendwelche Technik überwacht, und weil selten etwas passiert, dies als sehr langweilig empfindet, kann man sich natürlich sagen: Das ist nur ein Job und ich schaffe mir einen Ausgleich in der Freizeit, in der ich viele andere Dinge zu tun habe und in der ich mich gut erholen kann.

Was unterscheidet einen langweiligen Job von einem, der die Angestellten unterfordert?

Diese nicht anregenden Jobs haben bestimmte Merkmale: Sie haben in der Regel weder zeitliche Handlungsspielräume noch Spielraum bezüglich ihrer Arbeitsweise. Man kann also nichts verändern und die Anforderungen sind nicht vielfältig, Mitarbeiter können also weder unterschiedliche Fähigkeiten noch Fertigkeiten einsetzen oder sie weiterentwickeln. Bei solchen langweiligen Jobs müsste man arbeitsgestalterisch seitens der Firma etwas machen, was den Mitarbeitern Handlungsspielräume gibt. So kann man verschiedene, auf mehrere Mitarbeiter verteilte Aufträge in eine Aufgabe zusammenfassen.

So stellen Sie fest, ob die Arbeitsqualität stimmt

Inwiefern lassen sich denn Arbeiten zusammenlegen?
Beispiel Kassiererin: Früher war man Verkäuferin, hat kassiert, Regale eingeräumt und unter anderem auch noch Kunden beraten. Da hat niemand geschimpft, dass es ihm langweilig ist. Durch die extreme Arbeitsteilung hat man Arbeitsbedingungen geschaffen, die für alle drei Beteiligten – den Berater, den es oft so gar nicht mehr gibt, den extrem körperlich arbeitenden Einpacker und die Kassiererin – relativ schlecht sind.

Immer genau zu wissen, was zu tun ist, kann doch auch mal ganz angenehm sein...

Wer einen Handlungsspielraum hat, probiert auch mal andere Arbeitsweisen aus, testet was geht und was nicht und lernt quasi aus Versehen. Wer das nicht hat und immer das gleiche auf die gleiche Art tun muss, der erlebt oder erleidet Monotonie.

Heißt: Wenn die Kassiererin sich unterfordert fühlt, soll sie einfach mal ein paar Regale einräumen, um Abwechslung zu haben?

Bei einer Unterforderung würde ich zuerst mit dem Vorgesetzten sprechen. Wenn dieser nicht reagiert, kann eventuell der Betriebsrat helfen. Eine Unterforderung im Sinn sehr einseitiger Anforderungen bei hoher Arbeitsintensität könnte eine Gefährdung darstellen, welches in einer Gefährdungsbeurteilung geprüft werden kann. Macht weder der Vorgesetzte etwas noch gibt es einen Betriebsrat, könnte man zwar versuchen sich juristisch helfen zu lassen, dies wird aber kaum ein Arbeitnehmer tun.

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