Obwohl all das bekannt ist, passiert außer Flickschusterei eigentlich nichts. Nach Dienstschluss sollen Angestellte keine beruflichen Mails mehr lesen. Und länger als acht Stunden pro Tag soll auch niemand arbeiten, rät die Politik. Mehr Kitaplätze und Elternzeit sollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Nur: offenbar hilft das alles wenig. Weder erhöht es die Belastbarkeit, noch schont es die Beschäftigten, noch bekommen mehr Menschen Kinder oder machen wenigstens Karriere.
Die Mehrheit arbeitet weiter so vor sich hin, bespaßt nach 17 Uhr die Familie, bekommt den einen oder anderen Burnout, geht vorzeitig wegen Rückenleiden oder psychischer Probleme in den Ruhestand und hat dann zu wenig Geld, um die Miete zu bezahlen. Zumindest hat davor die Mehrheit Angst. Eine Studie der Gothaer Versicherung unter mehr als 1000 Berufstätigen im Alter zwischen 16 und 60 Jahren zeigt, dass 61 Prozent davon ausgehen, dass die gesetzliche Rentenversicherung und ihre private Altersvorsorge nicht ausreichen werden, um im Alter einen zufriedenstellenden Lebensstandard genießen zu können. Bei den unter-30-Jährigen glaubt außerdem fast die Hälfte, auch mit über 70 noch zu arbeiten zu müssen. Und diese Vorstellung begeistert weder Büroangestellte noch Handwerker.
Damit alle alles unter einen Hut bekommen, was sie darunter packen wollen, und so lange arbeiten gehen, wie sie können und wollen, braucht es also mehr als das Grünbuch, die x-te Podiumsdiskussion über dauerhafte Erreichbarkeit oder die tausendste Talkrunde über Work-Life-Balance und die (Un-) Vereinbarkeit von ertragsreichem Berufs- und erfüllendem Familienleben. Es braucht tatsächlich die von Riesen geforderte Work-Life-Integration. Das eine darf nicht mehr das Gegenteil des anderen sein. Das Lebensarbeitszeitkonto wäre eine denkbare Option, um Leben und Arbeiten besser zusammenzubringen, als es bisher der Fall ist. Zur Not auch als Interimslösung, bis irgendwem etwas Neues, noch nie Dagewesenes einfällt, das auf einen Schlag alle Probleme löst.
Einen Gang zurückschalten, ist kaum möglich
„Es gibt Phasen, wo einem die 60-Stunden-Woche nichts ausmacht und man für die Karriere alles gibt. Und dann gibt es Phasen, wo vielleicht Familie, Kinder und Hausbau im Vordergrund stehen und der Berufstätige nur noch 35 Stunden pro Woche arbeiten will“, sagt Sascha Grosskopf, Demand Generation Manager bei Cornerstone OnDemand, einem amerikanischen Anbieter von Talent Management Software.
Auf welche Bereiche wirkt sich die Digitalisierung im Arbeitsalltag aus?
47 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sich die Digitalisierung positiv auf das eigenständige Arbeiten auswirkt. 37 Prozent spüren keine Auswirkung, zehn Prozent beklagen negative Einflüsse.
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
45 Prozent sagen, dass die Digitalisierung die Zusammenarbeit verbessert, 13 Prozent sehen eine Verschlechterung.
43 Prozent spüren einen positiven Einfluss der Digitalisierung auf ihre Lebensqualität im Job, 36 Prozent merken gar keine Veränderung und 15 Prozent spüren negative Einflüsse auf die Teamarbeit.
Die Zusammenarbeit mit Kunden verbessert sich laut 42 Prozent der Befragten. Neun Prozent sehen hier eine Verschlechterung.
Eine Verbesserung durch die Digitalisierung erleben 41 Prozent, elf Prozent beklagen negative Einflüsse.
43 Prozent sagen, dass die Digitalisierung an den Kompetenzen nichts verändert hat. 40 Prozent sehen einen positiven Einfluss und acht Prozent einen negativen.
40 Prozent fühlen sich durch die Digitalisierung bei der Arbeit motivierter, bei elf Prozent sehe es durch die Digitalisierung schlechter aus mit ihrer Motivation. Für 43 Prozent hat sich durch die Digitalisierung nichts an ihrer Motivation verändert.
Dank der Digitalisierung können 34 Prozent der Befragten berufliches und privates leichter vereinen. Bei 16 Prozent ist es dagegen schwieriger geworden, beides unter einen Hut zu bekommen. 42 Prozent spüren keine Veränderung.
Bessere Chefs dank Digitalisierung? Keine Veränderung bemerkten 42 Prozent. Einen positiven Einfluss glauben 28 Prozent bei ihren Vorgesetzten bemerkt zu haben, eine Verschlechterung beklagten 28 Prozent.
Bei vielen US-Unternehmen ist es keine große Sache, wenn Mitarbeiter die verschiedenen Arbeitsphasen wechseln. „Die Flexibilität muss möglich sein, dass man im Unternehmen bleiben, aber die Positionen und Aufgaben wechseln kann, ohne dass es einer Degradierung gleich kommt, wenn man einen Gang zurück schaltet“, sagt Grosskopf. Ein entsprechendes Zeitkonto könnte das in Deutschland möglich machen – ohne Jobwechsel.
Das Zeitkonto hat den Vorteil, dass sowohl Betriebe, Mitarbeiter als auch Politik schon Erfahrungen damit gemacht haben. Die Angst vor dem Neuen entfällt hier also. Unternehmen müssten dieses Instrument allerdings ein bisschen anders einsetzen, als es bislang der Fall ist.
Das Arbeitszeitkonto taucht gerne in der Debatte um den vorzeitigen Ruhestand auf und auch in einigen Tarifverträgen gibt es Zeitkonten. Die Studie der Gothaer zu Zeitwertkonten hat ermittelt, dass fünf Prozent der Unternehmen Arbeitszeitkonten anbieten. Dagegen stehen allerdings 41 Prozent der Mitarbeiter, die sofort auf ein solches Konto Zeit einzahlen würden und 35,3 Prozent, die an dem Modell zumindest interessiert sind. Klingt ja auch gut: Angestellte arbeiten quasi im Voraus und wer in jungen Jahren viel arbeitet, kann früher in Rente gehen.