Lebensmitte Neuanfang mit über 40

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Korsett

So wird aus der Arbeitslosigkeit ein Neubeginn
Erstmal zur ArbeitsagenturDen Job zu verlieren, ist zunächst ein Schock. Trotzdem nützt Selbstmitleid in dieser Situation nichts. Deshalb müssen Betroffene so schnell wie möglich aktiv werden. Das beginnt mit dem Gang zur Arbeitsagentur, sobald klar ist, dass die Kündigung ins Haus steht. Dort melden sich Betroffene arbeitssuchend und klären die nötigen Formalitäten. Quelle: dpa
Ziele und Fähigkeiten einschätzenBevor Sie sich auf zu neuen Ufern machen, fragen Sie sich selbst, was Sie können - und was Sie erreichen wollen. Bei der Bestandsaufnahme der eigenen Fähigkeiten kann die Einschätzung von Freunden und Ex-Kollegen helfen. Ziele definieren müssen Sie dagegen selbst. Quelle: Fotolia
Bewerbungsunterlagen aktualisierenGerade wer länger keine Bewerbungen mehr geschrieben hat, sollte sich ein wenig Zeit für seine Unterlagen nehmen. Das heißt, den Lebenslauf zu aktualisieren, Kopien der entsprechenden Arbeitszeugnisse beilegen und ein aktuelles Bewerbungsfoto machen lassen. Quelle: Fotolia
Bewerben übenWenn Sie sich unsicher sind, wie ein Bewerbungsgespräch ablaufen soll: üben Sie die Situation. Informieren Sie sich über ein Unternehmen, das Sie interessiert und üben Sie, sich zu verkaufen. Was bieten Sie, was wollen Sie, was können Sie? Viele Jobcenter bieten außerdem Bewerbungstrainings an. Quelle: Fotolia
Bewerbungen schreibenWenn die Unterlagen auf dem neuesten Stand sind, gilt es, sich für den Job zu bewerben, der zu den eigenen Fähigkeiten und Zielen passt. Vor der schriftlichen Bewerbung braucht niemand Angst zu haben. Wichtig ist, zu erklären, warum man der oder die Richtige für den Job ist und sich interessant zu machen. Wie die perfekte Bewerbung aussehen sollte, erfahren Sie hier. Quelle: Fotolia
Engagieren Sie sichWarten Sie nicht darauf, dass Ihnen der neue Job in den Schoß fällt - werden Sie aktiv. Gehen Sie zu Fachmessen, sprechen Sie Personaler und Headhunter an und schreiben Sie Initiativbewerbungen. Quelle: Fotolia
Nehmen Sie direkten Kontakt aufSie wollten schon immer zu Siemens oder zur Deutschen Bank? Dann schreiben Sie doch die Firmen, die sie interessieren, direkt an. Schicken Sie ein kurzes, persönliches Anschreiben nebst einem Profil von Ihren Fähigkeiten und beruflichen Stationen. Oft ergibt sich etwas, auch wenn keine Stelle ausgeschrieben war. Quelle: Fotolia

Menschen wie Bredack wollen raus aus dem Korsett aus fremdbestimmten Überstunden, Dienstreisen über drei Zeitzonen, dem täglichen Konferenzmarathon, wollen ein selbstbestimmteres Leben führen. Trotz erwiesener Erfolge empfinden viele, die sich in der Lebensmitte am Scheideweg wähnen, ihr bisheriges Berufsleben als Sackgasse, die sie aber nicht als Endstation beruflicher Sehnsucht akzeptieren. Etwas Neues muss her – weil sie im alten Umfeld keine Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Weil sie einen vom Arbeitgeber erzwungenen Abgang zu einer befristeten Auszeit und bewussten Neuorientierung nutzen. Weil sie sich klar darüber sind, dass es anders als vor 10, 20 Jahren nicht mehr darum geht, die letzten Berufsjahre bis zum möglichen Vorruhestand mit Mitte 50 irgendwie mit Anstand über die Bühne zu kriegen, um sich dann ins Pensionärsdasein zu verabschieden. Sondern dass auch zwischen 40 und 50 noch Jahrzehnte vor einem liegen, die sinnvoll verbracht werden wollen. Sei es aus schierer ökonomischer Notwendigkeit. Oder einfach, weil einen der Kampf ums Golfhandicap allenfalls ein paar Wochen ausfüllt und die Aussicht auf wochenlange Seniorenkreuzfahrten abschreckt. Und sie sich fragen: Was kann ich mir noch zutrauen?

Offenbar immer mehr: Laut Deutscher Rentenversicherung stieg das durchschnittliche Renteneintrittsalter zwischen 1995 und 2012 von 62 auf 64 Jahre. Die Zahl der Arbeitnehmer, die zwischen 60 und 64 Jahre alt sind, verdoppelte sich laut Bundesagentur für Arbeit in den zurückliegenden Jahren auf 1,5 Millionen. Und laut Demografie-Forscher Axel Börsch-Supan will jeder dritte Rentner gerne wieder arbeiten. Andere hoffen durch einen Wechsel wieder auf mehr Spaß im Job: Laut einer Umfrage des Forschungsunternehmens Gallup sind in Deutschland nur 15 Prozent der Beschäftigten emotional stark an ihren Arbeitgeber gebunden. 61 Prozent dagegen machen Dienst nach Vorschrift, jeder vierte Mitarbeiter hat die innere Kündigung bereits vollzogen – Tendenz steigend.

„Wunsch nach inhaltlicher Erfüllung“

„All diese Menschen suchen nach einem Neuanfang – nicht, weil sie nicht mehr arbeiten wollen, sondern, um ihre Energie in ein Projekt zu stecken, bei dem nicht zwingend das Geldverdienen im Vordergrund steht, sondern der Wunsch nach inhaltlicher Erfüllung“, sagt Sophia von Rundstedt, Chefin des gleichnamigen Personaldienstleisters. „Ihnen geht es ums gezielte Umschalten – um die Lust, dem Leben einen neuen Sinn zu geben.“

Für Renate Krümmer besteht dieser Sinn derzeit auch in dem „geistvoll sinnlichen Farbzusammenklang von leuchtendem Kobaltblau und frischem Limonengelb“: So umschreibt die 57-Jährige die Kolorierung des Kleidungsstücks, das der Expressionist Max Pechstein wählte, als er 1918 seine Frau porträtierte. Die Beschreibung des Ölgemäldes „Die chinesische Jacke“ stammt aus Krümmers aktuellem Katalog, den die Kunsthändlerin für ihren Auftritt auf der Messe Cologne Fine Art Ende November in Köln produzieren ließ. Für 480.000 Euro wird Krümmer das Pechstein-Gemälde auf ihrem in Grün- und Fliedertönen gehaltenen Stand anbieten, neben gut zwei Dutzend weiteren Ölgemälden, Zeichnungen und Skulpturen von durchlauchten Künstlern wie Emil Nolde, Ernst Barlach oder Ernst-Ludwig Kirchner.

Die besten Jobs in Deutschland
10. Zahnarzt Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
9. Buchhalter Quelle: Fotolia
8. Architekt Quelle: Fotolia
7. Physiotherapeut Quelle: Fotolia
6. Versicherungsmathematiker Quelle: Fotolia
5. Tierarzt Quelle: dpa
4. Anwalt Quelle: Fotolia

Hobby zum Beruf gemacht

„Frauen der Moderne“ – der Titel ihres Katalogs ist Krümmer Programm, nicht nur für die Messe in Köln: Sie hat sich fokussiert auf die Darstellung der Frau in der Periode zwischen 1870 und 1950. Als „kleine, aber ergiebige Nische“ bezeichnet Krümmer ihr Spezialgebiet, das sie vor gut drei Jahren vom leidenschaftlichen Hobby zu ihrem Beruf gemacht hat – mit 53 Jahren, nach einer Vorzeigekarriere als Finanzmanagerin, zuletzt als Deutschland-Chefin des US-Finanzinvestors J.C. Flowers. „Ich habe mich ohne Verbitterung aus der Finanzbranche verabschiedet“, sagt Krümmer, die auch heute noch über diverse Aufsichtsratsmandate bewusst Kontakt zu ihrer alten Welt hält. „Ich wollte mich dem Ruf der Kunst nicht verschließen – etwas Genialeres konnte mir nicht passieren.“ Längst zählt sie auch Ex-Kollegen zu ihren Kunden, „die vertrauen mir, weil sie wissen, ich spreche ihre Sprache. Da kann ich beide Welten miteinander verbinden.“

Jahrelang gab es für Renate Krümmer vor allem eine Welt: die der Zahlen. Aufgewachsen in Köln – „eine Kindheit mit Kohleöfen, aber ohne eigenes Zimmer“ –, tun die Eltern alles dafür, ihren Kindern eine gute Ausbildung zu finanzieren. Krümmer nimmt einen einstündigen Schulweg auf sich, um ein renommiertes Mädchengymnasium am anderen Ende der Stadt zu besuchen. Der Lebensstandard ihrer Freundinnen ist wesentlich höher – und weckt in Krümmer den „innigsten Wunsch, später auch in einer so schönen Umgebung zu wohnen“.

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