




Es riecht nach nassem Hund an diesem kalten und fiesen Maimorgen in Dortmund. Das Gedränge auf der Hundemesse ist groß. Skurrile Bilder zeigen sich, die im Kopf bleiben. Zum Beispiel der kleine Mops, der im umgebauten Kinderwagen durch die Halle geschoben wird. Die adrett gekleidete Mitfünfzigerin beobachtet die Szene und schüttelt mit dem Kopf: „Die Tiere werden immer mehr zum Ersatz für Kinder“, schimpft sie.
Haustiere sind in Mode, Kinder zu kriegen nicht. Die Stiftung für Zukunftsfragen befragte 2000 Bürger in einer repräsentativen Umfrage, die Handelsblatt Online exklusiv vorliegt. Die gute Nachricht: Der Stellenwert der Familie bleibt ungebrochen hoch – für 88 Prozent der Deutschen ist die Familie das Wichtigste im Leben. Die schlechte lautet: Das ist eine ziemlich theoretische Aussage, denn immerhin sagen auch beinahe zwei von drei Deutschen, dass ihnen die Karriere wichtiger ist als Kinderkriegen.
Da wundert es nicht, dass die Geburtenrate in Deutschland mit 1,36 Kindern pro Frau weiterhin sehr niedrig ist. 2,1 wären nötig, damit die Bevölkerung stabil bleibt – der EU-Durschnitt liegt bei 1,57. Es gibt nur wenige Länder, in denen die Fertilität noch niedriger ist. Dabei versuchen Politiker und Unternehmer seit Jahren, das zu ändern – zumindest mit markanten Aussagen. Unterm Strich ist der Effekt gleich null, wie die Umfrage mit ihrem Vergleich zu Werten aus 2011 zeigt: Die Lust auf Kinder bleibt konstant niedrig. Berufliche Gründe werden auffällig häufiger angeführt als früher.
Dass die Karriere schlecht mit einer Familie zu vereinbaren ist, geben 54 Prozent der Paare ohne Kinder an. Und für 59 Prozent ist die Karriere im Zweifel wichtiger als der Kinderwunsch. Fachleute verweisen bei der Beurteilung solcher Zahlen auf die Ängste der Deutschen beim Thema Familiengründung: Sie haben Angst ihre Freiheit aufgeben zu müssen, Angst die Karriere zu vernachlässigen, Angst den eigenen Lebensstandard einschränken zu müssen, Angst um die Zukunft der Kinder, Angst vor einer Scheidung, Angst den falschen Partner oder den falschen Zeitpunkt zu wählen.
„Um diese Sorgen und Befürchtungen abzubauen, sind sowohl Politik und Wirtschaft als auch die Bürger selbst gefordert“, sagt Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Die Politik müsse konsequent die Rahmenbedingungen für Familiengründungen und das Leben mit Kindern verbessern. „Unternehmen sind gefordert, endlich die Möglichkeit einer Karriere mit Kind zu bieten.“ Letztendlich müsse aber auch jeder Bürger einsehen, dass es keine absolute Sicherheit im Job oder bei der Partnerwahl gibt.
Geredet haben Politik und Unternehmen in den vergangenen Jahren viel, doch nicht zuletzt diese aktuelle Umfrage belegt: Getan hat sich nicht viel, was auch daran liegen könnte, dass einige Klischees und Mythen den Blick auf die Realität vernebeln. So verweisen konservative Familienpolitiker gern auf die These, dass die Frauen die Nachwuchsplanung vernachlässigen, weil sie immer häufiger arbeiten gehen und auf ihre Karriere achten.