Lehrer warnen vor Einfluss des Tippens „Von Hand schreiben macht schlauer“

Handschrift liegt wieder im Trend. Quelle: Illustration

Schüler haben zunehmend Probleme beim Handschreiben. Experten warnen: Gerade die Digitalisierung erfordere die Fähigkeit, mit der Hand zu denken. Auch älteren Berufstätigen nützt die Rückkehr zur Zettelnotiz.

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Schüler haben immer größere Schwierigkeiten, flüssig und leserlich mit der Hand zu schreiben. Eine neue Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und des Schreibmotorik Instituts zeigt dies in deutlichen Zahlen. Sie lag der WirtschaftsWoche vorab vor. Befragt wurden rund 2000 Lehrer in Grundschulen und weiterführenden Schulen.

Laut der Untersuchung sehen viele Lehrer beim Thema Handschrift schwarz für die Zukunft ihrer Schützlinge. Bereits vor vier Jahren hatten Lehrer Alarm geschlagen. 89 Prozent der Lehrkräfte sehen jetzt allerdings abermals eine Verschlechterung bei der Handschrift von Grundschülern, 86 Prozent bei den älteren Schülern. Im Sekundarbereich gab fast jeder dritte Lehrer (31 Prozent) an, die Handschrift habe sich sehr verschlechtert. Zufrieden mit der Handschrift ihrer Schüler waren im Sekundarbereich nur 4 Prozent der Lehrer, in der Grundschule immerhin noch 16 Prozent.

Mit dem Verlust der Handschrift als selbstverständliche Fähigkeit haben Schüler – und künftige Arbeitnehmer – immer stärkere Defizite beim Lernen, Verstehen, in der Rechtschreibung und der Konzentration, so die Sorge der Pädagogen. Nach Ansicht vieler Lehrer besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Handschreiben und dem Lernerfolg sowie der späteren Karriere: Handschreiben wirke sich positiv auf die Rechtschreibung aus (84 Prozent Zustimmung oder volle Zustimmung), auf das Verfassen von Texten (77 Prozent), auf das Lesen (65 Prozent) und auf das Textverständnis (62 Prozent). Drei von vier Lehrern stimmen der Aussage teilweise oder voll zu, dass sich Handschreiben positiv auf die schulischen Leistungen auswirkt.

„Von Hand schreiben macht schlauer. Neurowissenschaftliche Studien aus Hochschulen zeigen, dass das Handschreiben die Merkfähigkeit, das inhaltliche Verständnis und die Kreativität fördert. Diese Eigenschaften sind auch im Zeitalter der Digitalisierung gefragt“, sagt Marianela Diaz Meyer, die Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts.

Die Lobby für die Handschrift ist in Deutschland relativ stark. Vereine wie das Schreibmotorik Institut, das auch die vorliegende Studie mit durchgeführt hat, halten das Schreiben mit Stift und Papier als Kulturtechnik und Bildungsvoraussetzung hoch – und werben für stärkere Förderung im Unterricht und mehr Handeln der Politik.

Verfechter der Handschrift heben stets den Zusammenhang zwischen dem Schreiben mit der Hand und dem Lernen, Lesen sowie der Rechtschreibung hervor. Das Handschreiben verkoppelt die kognitive Fähigkeit des Lesens mit einer feinmotorischen Tätigkeit. Die Hand „malt“ dabei jeden Buchstaben einzeln. Für das Gehirn ist das ein komplexer Vorgang. Wer einmal gesehen hat, wie lange es dauert, bis Kleinkinder Kreise malen können, kann es sich vorstellen.

Diaz Meyer empfiehlt auch Berufstätigen, das Schreiben mit der Hand nicht zu verachten. „Wir denken mit der Hand. Wenn wir ein innovatives Produkt, einen innovativen Prozess kreieren möchten, dann sollten wir das mit der Hand tun. Agile Prozesse in Unternehmen sind nur möglich, wenn im Denkprozess auch Handschrift zum Einsatz kommt“, sagt sie. Dabei ist es gar nicht einmal wichtig, dass nur mit Stift auf Papier geschrieben wird. Zunehmend finden digitale Schreibunterlagen Verwendung, vor allem in kreativen Berufen.

Wer sich als Erwachsener kritisch prüft, wird feststellen, dass auch die eigene, früher einmal makellose Handschrift durch ständiges Tippen an PC und Smartphone, wackeliger geworden ist. Und trotzdem kommt man noch durchs Leben – zweifellos richtig. Marianela Diaz Meyer warnt aber, dass mit der Handschrift noch ganz andere Kompetenzen nachlassen, die auch im heutigen Berufsleben wichtig sind. „Unsere Merkfähigkeit basiert auf unseren Grundfertigkeiten Handschreiben und Lesen.“

Die gute Nachricht dabei: Wer einmal Schreiben gelernt hat, verlernt es nicht mehr. Allerdings kann man aus der Übung kommen und eine Weile brauchen, bis Handgelenk und Finger wieder so geschmeidig sind, dass Notizen mühelos und gleichmäßig gelingen. „Denkprozesse sollten grundsätzlich mit der Hand festgehalten werden“, empfiehlt Diaz Meyer.

In der Förderung der Handschrift sieht die Expertin gar eine Grundlage für Fortschritte bei der Digitalisierung und Etablierung von Künstlicher Intelligenz. Für die Programmierung von KI-Tools wünschen sich Unternehmen Fachkräfte mit Kenntnissen in Programmiersprache: „Da haben wir es auch schon wieder. Sprachen – auch Programmieren – lernt nur der richtig, der gut lesen, schreiben und verstehen kann“, sagt Diaz Meyer.

13 Gründe für das Handschreiben

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