Körperlich anwesend und doch kaum arbeitsfähig: Schlafmangel ist in Firmen ein unsichtbarer Produktivitätskiller. Allein in Deutschland gehen Schätzungen zufolge jährlich zweistellige Milliardensummen durch übermüdete Angestellte verloren.
Die ehrlichste Strategie wäre oft wohl die Krankmeldung. Gerade damit aber handelt sich der Betroffene den Ruch der Unaufrichtigkeit ein. „In Deutschland gelten Schlafstörungen noch immer als Bagatellerkrankungen“, kritisiert der Schlafexperte Hans-Günter Weeß.
Was aber tun, wenn nach einer viel zu kurzen Nacht ein wichtiger Termin ansteht oder Durchhängen im Job grundsätzlich keine Option darstellt? Glücklicherweise gibt es eine Reihe simpler, aber effektiver Methoden, um die bleierne Müdigkeit zu bekämpfen.
5 Tipps für mehr Leistungsfähigkeit bei Müdigkeit
Wenn die Augen ständig zufallen, ist die Lösung naheliegend: Ganz viel Kaffee oder wahlweise Matcha und Energy Drinks. Doch Koffein sorgt zwar schnell für einen Energieschub. Umso brutaler kann dafür der Absturz ausfallen. Wer den mit noch mehr Muntermachern bekämpft, ist schnell eher zittrig als wirklich wach.
Wird die anschließende Nachtruhe durch das Übermaß an Koffein gestört, schließt sich der Teufelskreis. Untersuchungen legen außerdem den Schluss nahe, dass der vermeintliche „Boost“ ein subjektiver Trugschluss ist und regelmäßige Kaffeetrinker lediglich Entzugserscheinungen bekämpfen. Die wahren Wachmacher-Qualitäten genießen demnach nur sporadische Kaffeetrinker.
Setzen Sie nach einer zu kurzen Nacht lieber auf körpereigene Muntermacher. Alles, was das Herzkreislauf-System aktiviert und zur Ausschüttung von Adrenalin führt, macht wach – zumindest vorübergehend. Joggen, Walking oder Gymnastik helfen, um munter zu werden.
Sie haben dazu vor Arbeitsbeginn keine Zeit? Dann machen sie es zwischendurch. Bereits kurze Arbeitspausen mit Bewegung können die Produktivität steigern. Wer beispielsweise einmal stramm um den Block geht, hat seine Konzentrationsfähigkeit schon spürbar verbessert.
Bei schönem Wetter hilft Bewegung an der frischen Luft auch auf eine weitere Art beim Wachwerden: Sonnenlicht ist geeignet, das müde machende Hormon Melatonin zu unterdrücken. Diese wohltuende Wirkung zeigt sich auch im Büro. Wer die Wahl hat, sollte bei der Arbeit helle Räume, möglichst mit Tageslicht, bevorzugen.
Häufige kleine Mahlzeiten sind ein weiterer Tipp, um der Müdigkeit Einhalt zu gebieten. Zwar sorgt Schlafmangel gern für Heißhungerattacken. Schnitzelbrötchen zum Frühstück und eine doppelte Portion Pommes frites zum Mittagessen aber verschlimmern den Durchhänger nur. Der ohnehin erschöpfte Körper ist dann derart mit der Verdauung beschäftigt, dass für Konzentration erst recht keine Energie übrigbleibt. Leichte, kleine, über den Tag verteilte Mahlzeiten hingegen entlasten den Organismus.
Ein kurzes Nickerchen nach dem Mittagessen kann wahre Wunder bewirken. Die Produktivität und die Kreativität steigen und die Fehlerrate sinkt. Ein guter Tipp für das Homeoffice. Allerdings ist Power Napping in deutschen Firmen immer noch weitgehend verpönt.
Grundsätzlich gilt im Kampf gegen die Müdigkeit: Wer sich seine Aufgaben flexibel aussuchen kann, sollte nach Möglichkeit monotone Tätigkeiten vermeiden. „Bildschirmarbeit, Lesen, langweilige Vorträge und uninteressante Besprechungen können wie Schlafmittel wirken“, warnt Buchautor Weeß („Die schlaflose Gesellschaft“). „Am besten bei Müdigkeit sind abwechslungsreiche Tätigkeiten und Unternehmungen, die Sie körperlich aktiv halten.“ Auch Meissner, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, rät von Arbeiten im Sitzen ab. Ein müder Tag wäre also eine gute Gelegenheit, endlich mal den rückenschonenden Stehtisch auszuprobieren.
Mangelnde Produktivität ist bei Weitem nicht die schlimmste Folge einer zu kurzen Nacht. Pendler oder Außendienstarbeiter sollten erwägen, an einem solchen Tag das Auto stehen zu lassen: „Insbesondere Autobahnfahrten können zum Schläfrigkeits-Stimulus werden“, sagt Weeß. Die Zeit in Bus und Bahn kann dann für ein Nickerchen genutzt werden. Oder Sie arbeiten auf dem Weg ins Büro schon etwas vor und gleichen so präventiv einen späteren Durchhänger aus.
Ob früher Arbeitsbeginn oder Geburtstagsparty unter der Woche – manchmal ist eine zu kurze Nacht absehbar. Meissner rät in solchen Fällen dazu, am Abend zuvor keinen Alkohol zu trinken und wenig fernzusehen. Mit dieser Prävention kann der negative Effekt von Übermüdung etwas abgemildert werden. Dasselbe gilt, wenn Sie sich in den Tagen zuvor besonders ausgiebige Nachtruhe gönnen.
Gute Planung und Selbsteinschätzung helfen generell dabei, die Produktivität trotz Schlafmangels zu steigern. Gesunde und jüngere Menschen können laut Meissner grundsätzlich eine kurze Nacht besser wegstecken. Experten unterscheiden zudem zwischen nachtaktiven Eulen und den frühmorgens munteren Lerchen. „Grundsätzlich kommen Eulen mit Nachtarbeit besser zurecht und tun sich besonders schwer mit dem frühen Aufstehen am Morgen bei Frühschichten“, erklärt Weeß. „Lerchen verkraften hingegen schwer Nachtarbeit, können aber ausgeschlafen auf der Frühschicht erscheinen.“
In Firmen mit unterschiedlichen Arbeitszeiten kann die richtige Schichtwahl also der Schlüssel sein, um Schlafmangel zu vermeiden oder ihn besser zu verkraften. Menschen, die dauerhaft gegen ihre innere Uhr arbeiten (vor allem nachts), entwickeln hingegen laut Meissner häufiger Schlafprobleme oder auch Depressionen.
Fazit: Bekommen Sie hier und da mal zu wenig Schlaf, lässt sich der Arbeitstag vermutlich noch retten. Setzen Sie auf Bewegung, Tageslicht, anregende Aufgaben und kleine Mahlzeiten. Im Gegenzug verzichten Sie besser auf zu viel künstliche Muntermacher und monotone Tätigkeiten. Die beste Strategie ist aber womöglich ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzten. Lässt der Sie zwischendurch nur einige Minuten im leeren Konferenzraum dösen, wird er mit einem plötzlich wachen und produktiven Mitarbeiter belohnt.