Manager reden Klartext „Was sollte das? Das war doch Scheiße!"

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Jochen Schweizer: Scheitern gehört zum Leben

Jochen Schweizer beim Indoor-Skydiving. Für ihn gilt ein Bungee-Sprung als Mittel zur Bewusstseinserweiterung. Schweizer lebt Klartext, jeden Tag. Quelle: picture-alliance / Sven Simon

Der Heidelberger Jochen Schweizer machte Ende der 80er-Jahre Bungee-Sprünge auf deutschem Boden populär und baute in den 90er-Jahren die Unternehmensgruppe, der es um ganzheitliche Eventkonzepte und individuelle Shows ging, weiter aus. Bis heute hat er weltweit über 6000 Event-Inszenierungen entwickelt und umgesetzt. 2003 startete der Unternehmer mit einem Erlebnisportal und deutschlandweiten Adrenalin-Shops durch. Aus seinem ehemaligen Bungee-Unternehmen ist heute Deutschlands Marktführer im Segment der Erlebnisanbieter und eine Unternehmensgruppe mit einem Jahresumsatz von mehr als 60 Millionen Euro geworden.

„Wer Mut hat, der nennt Dinge beim Namen und spricht Standpunkte offen aus. Ein Erlebnis, wie ein Bungee-Sprung, trägt zur Entwicklung der Persönlichkeit bei. Wer 50 oder noch mehr Meter in die Tiefe gesprungen ist, traut sich, seinen Standpunkt klar und offen zu vertreten. Er hat erfahren, wie die innere Angst überwunden wurde. Zur Überwindung der Angst gehört Mut! Diese tiefe Erfahrung kann man in jedes Meeting mitnehmen.

Manager verraten ihr Erfolgsgeheimnis
James Dyson, Designer, Erfinder und Gründer des Unternehmens Dyson"Ich liebe Fehlschläge. Aufgegeben habe ich nie. In den 1980er Jahren habe ich in meiner Werkstatt an 5126 Staubsauger-Prototypen getüftelt, die alle nicht funktionierten. Aber Nummer 5127 tat, was er sollte. Der Erfolg von Dyson geht zurück auf den einzigartigen Pioniergeist und außergewöhnlichen Einsatz aller meiner Ingenieure."
Simone Frömming, Deutschland-Chefin von VMware, einem der Top-Ten-Softwareproduzenten"Über Nacht zur Führungskraft? Bei mir war das genau der Fall! Bei einem Vortrag zum Thema "Go-To-Market im Softwarevertrieb" konnte ich meinen damaligen Geschäftsführer derart überzeugen, dass er mich von heute auf morgen befördert hat. Alle meine Ideen waren recht unpolitisch und leidenschaftlich - aber dafür stets zielorientiert. Als Account Managerin hätte ich damals nie gedacht, dass ein einzelner Vortrag der Wendepunkt meiner ganzen Karriere sein kann. Nach einem ersten sprachlosen Moment hat mich dieses Angebot aber darin bestätigt, Dinge auch entgegen der gängigen Meinung anzusprechen und verändern zu wollen. Eine wichtige Eigenschaft in der IT-Branche, in der jeden Tag aufs Neue ein Wettrennen um aufregende Ideen ausgetragen wird. Und letztlich auch eine Eigenschaft, die mich dahin gebracht hat, wo ich heute stehe."
Eckart von Hirschhausen, Moderator und Kabarettist, gelernter Mediziner"1997 wurde ich von einem Radiosender engagiert für eine Tour durch Kinderkrankenhäuser. In der Kinderpsychiatrie in München machte ich eine Zaubershow. Alle Kinder wurden involviert, mussten laut zählen, pusten und mitmachen. Nach der Show kam ein Arzt auf mich zu und erzählte von einem kleinen „Wunder“. Ein Junge war seit Wochen schon in Behandlung wegen „Mutismus“, einer seelischen Störung bei der Kinder aufhören zu sprechen. Der Junge „vergaß“ während der Show seine Störung und machte munter mit. Seitdem nehme ich die Rolle von positiven Gemeinschaftserlebnissen, von Humor, Musik, Kunst und anderen Wegen uns zu „verzaubern“ viel ernster, seit 2006 auch mit meiner Stiftung Humor hilft heilen."
Richard Quest, Chef der Wirtschaftsredaktion und Anchorman bei CNN Gibt es einen Moment, an den ich zurückdenke und sagen kann „Heureka!“, das war der Moment, an dem ich es geschafft hatte? Nein. Es gab viele Momente, an denen eine Geschichte Aufmerksamkeit für mein Schaffen erzeugt hat. Jeden dieser Momente habe ich dann genutzt, um mich auf meiner rutschigen Karriereleiter eine Sprosse weiter nach oben zu hangeln. Dazu gehören mein erster Hurricane-Bericht über Hurricane Gilbert im Jahr 1988, meine erste Berichterstattung zu einer US-Präsidentschaftswahl, mein Bericht von Queen Mums Beerdigung, die Berichterstattung zu Queen Elizabeths Kronjubiläum und meine Arbeit zur Einführung des Euro. Wenn ich wählen müsste, was DIE Story gewesen ist, dann wäre das der Schwarze Montag, der 19. Oktober 1987. Ich war ganz neu als Finanzreporter in London. Der Abwärtstrend an der New Yorker Börse hatte begonnen. Und bevor der Tag vorbei war, hatte der Dow Jones mehr als 500 Punkte (= 25 Prozent) verloren. Dies gilt nach wie vor als der anteilsmäßig stärkste Tagesverlust in der Geschichte des Dow Jones. Ich war im Dienst. Ich habe dabei zugesehen, wie der Markt sich in den Sekunden nach Börsenschluss um 100 Punkte verschlechtert hat und berichtete während der nächsten paar Tage morgens, mittags und abends – auf allen Programmen. Ich wurde dann eilig weggeschickt, um die Berichterstattung in New York aufzunehmen. Die Arbeit, der ich damals nachging, brachte mir die Aufmerksamkeit des Chefredakteurs ein, ich hatte mich als Finanzreporter etabliert. Ich werde den Schwarzen Montag nie vergessen. Als der Vorsitzende der New Yorker Börse sagte, dieser Tag sei am nächsten an einen Zusammenbruch der Finanzmärkte herangekommen, als alles, was wir uns hätten vorstellen können. Dies galt natürlich nur bis zum nächsten Finanzcrash. Zum letzteren Zeitpunkt war ich älter und weiser – aber interessanterweise war ich genauso erschrocken.
Karsten Eichmann, CEO des Gothaer-Konzerns"Aha- da gibt es ja noch so viel Spannendes" – für die entscheidenden Karriereschritte war meine Neugierde ein wesentliches Momentum. So auch als ich mit 43 Jahren meine berufliche Komfortzone aus Erfolg und Sicherheit verlassen und von München nach Hamburg gegangen bin, um als Vorstandschef der Advocard eine neue, spannende Herausforderung anzupacken. Nur durch das "Loslassen" von Gewohntem war der Weg bis zum CEO des Gothaer-Konzerns möglich - und diese Neugierde auf die Zukunft werde ich mir bewahren."
Uwe Schuricht, Geschäftsführer der Personalberatung Change Group"Mein Lebensweg hat entscheidende Weichenstellungen auf dem Tennisplatz bekommen: Mit Tennisunterricht habe ich mein Jura-Studium finanziert und schon damals davon geträumt, Headhunter zu werden. Dank Tennis habe ich einen Förderer gefunden, der mich bei der Promotion unterstützt hat. Die Promotion hat mich zu einer amerikanischen Kanzlei nach Paris geführt. Dort wurde ich als Manager entdeckt und danach war es nur noch ein kleiner Schritt zu meinem Traumberuf."
Sven Eggert, Eggert Group Werbeagentur"Nach einem Studium im Ausland (Oxford und Paris) nahm ich eine Stellung als Vorstandsassistent an. Mein Chef öffnete mir schnell die Augen, dass ich mit dem Europa-Hintergrund nicht so international aufgestellt war, wie uns im Studium suggeriert wurde. Die Entscheidung, daraufhin noch für vier Jahre in den USA zu arbeiten, war goldrichtig."

(...) Bedauerlicherweise ziehen es viele Menschen vor, in einer Komfortzone zu leben. Sie verfahren nach dem Motto: "Wer nichts riskiert, kann nichts verlieren." Es gibt aber keine Sicherheit im Leben. Das Einzige, was sicher eintritt, ist der Tod. Dieser Umstand wird durch die Tatsache gemildert, dass wir nicht wissen, wann er eintritt. Das Leben ist ein offenes, unbestimmtes Feld. Man kann daher nur gefährlich leben, um voranzukommen. Deshalb muss es eigentlich heißen: Wer riskiert, kann verlieren, aber wer nichts riskiert, hat schon verloren. Ohne Einsatz gibt es keinen Gewinn.

(...) In Meetings ist es oft die Angst vor einer Blamage, die einen zurückhält. Aus dem Sicherheitsaspekt heraus ist eine Wortmeldung aber irrelevant. Vielleicht wird man wie beim Bungee-Sprung etwas herumgewirbelt oder erlebt eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Na und? Am Ende steht das schon erwähnte Grinsen. Es ist der Ausdruck des Gewinns, der Sieg über die Angst und die Stärkung des Muts. Das Wissen, dass man sich treu geblieben ist. Vielleicht sind die "Alphatiere" dankbar für eine gute Anregung und dass endlich jemand den Mut hatte, zu sprechen. Natürlich kann es sein, dass jemand durch seinen Standpunkt Missstände anspricht oder aufbegehrt. Das muss jedoch die Gegenseite akzeptieren und damit umgehen. Dazu gehört ebenfalls Mut. Es ist bei allen Überlegungen und Äußerungen entscheidend, dass man sich aufrecht im Spiegel anschauen kann mit dem ruhigen Gewissen, richtig gehandelt zu haben. Wird der Standpunkt nicht akzeptiert oder andere Punkte über- wiegen die eigene Argumentation, dann muss man das auch akzeptieren. Scheitern gehört zum Leben.

(...) Ich spreche immer das, was ich denke, ich schreibe das, was ich meine, und ich vertrete offen meine Standpunkte. Ich lebe Klartext jeden Tag. Über dieses Thema denke ich gar nicht nach. Durch Klartext werde ich einschätzbar. Ich möchte, dass meine Mitarbeiter mich einschätzen können und wissen, woran sie sind. Darum geht es. Klartext ist elementar für die Wirtschaft. Zusammengefasst heißt das: Klartext ergibt sich für mich aus Transparenz, die durch das Zusammenwirken von Offenheit in der Kommunikation, Mut bei Entscheidungen und Fokussierung im Unternehmen entsteht.“

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