Manager reden Klartext „Was sollte das? Das war doch Scheiße!"

Überall wird Klartext gefordert, ob in der Politik, den Medien oder in Unternehmen. Nur: Klartext geredet wird nicht. Warum das so ist und was deutsche Top-Manager wie Hartmut Mehdorn und Jochen Schweizer dazu sagen.

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Dominic Multerer berät und begleitet mehrere mittelständische Unternehmen bei Markenprozessen, u.a. Dürkop, eine der größten Automobilhandelsgruppen Deutschlands und mps public solutions, einen führenden Anbieter im Markt für kommunale Software, der zum Marktführer werden soll.

Heute ist ein Tag der Wahrheit. Ein Klartext-Tag, zu dem der rebellische Autor Dominic Multerer in seinem neuen Buch „Klartext – Sagen, was Sache ist. Machen, was weiterbringt“ aufruft. Der Marketing-Experte ist jung, ist frech, trägt sein Herz auf der Zunge und versteht es gut, sich und seine Dienstleistungen zu verkaufen.

Aber wie reagiert der Jungspund eigentlich selber, wenn man ihm ganz unverblümt die Wahrheit zu seinem zweiten Buch sagt? Zugegeben: Ja, es war gemein, ihn dafür in die Falle zu locken. Aber der Chefredakteur hat sich nun mal eine „etwas andere“ Art der Rezension gewünscht. Da kommt so ein Tag der Wahrheit doch wie gerufen, für den Multerer selber empfiehlt: „An diesem Tag sollte jeder ungefiltert sagen, was er denkt. (...) An diesem einen Tag soll alles raus.“

Warum Narzissten schneller Karriere machen
Narzissten sind selbstbewusstSelbstbewusstsein und die dazugehörige Portion Rücksichtslosigkeit macht Narzissten so erfolgreich - und Unternehmen häufig erst innovativ. Eine Studie deutsch-amerikanischer Forscher um Wolf Christian Gerstner und Andreas König von der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt: Unternehmen investieren umso häufiger in neue Technologien, je narzisstischer der jeweilige CEO ist. Dennoch ist Vorsicht angebracht: Zu viel Risikobereitschaft kann dem Unternehmen auch schaden. Quelle: AP
Narzissten sind ideale ChefsNarzissmus ja, aber bitte nicht zu viel. So lautet die Beschreibung für den idealen Chef. Wissenschaftler um Emily Grijalva von der Universität von Illinois fanden heraus, dass der Zusammenhang zwischen Narzissmus und dem Erfolg als Führungskraft die Form eines umgekehrten U annimmt. Soll heißen: Extremer Narzissmus hilft ebenso wenig weiter wie überhaupt kein Narzissmus. „Der ideale Chef ist in Maßen narzisstisch“, sagt Grijalva. Quelle: Fotolia
Narzissten sind ehrgeizigVor allem in Chefetagen sind Narzissten keine Seltenheit. Kein Zufall: Zum einen sind Narzissten ehrgeizig, motiviert und machtgierig. Zum anderen verfügen sie über die nötige soziale Intelligenz, um ihre Untergebenen und Kollegen zu umschmeicheln. Das beweist auch eine Studie von der Ohio State Universität aus dem Jahr 2008. Die ergab: Narzisstische Studenten sind nicht nur besonders dominant bei Diskussionen, sondern wurden auch häufig in den Vorsitz von Studentenvereinigungen gewählt. Quelle: dpa
Narzissten machen steiler KarriereEgo hin oder her: Dass Narzissten schneller die Karriereleiter erklimmen, ist bekannt. Rücksichtslos und konsequent egoistisch lassen sie alle Hindernisse links liegen und ziehen durch, bis sie in der Chefetage angekommen sind. Dieses Charisma kann manchmal sogar ansteckend wirken - und Mitarbeiter dazu verleiten, selbst ein bisschen mehr Ehrgeiz an den Tag zu legen. Quelle: dpa
Quelle: Fotolia
Narzissten sind sympathischZumindest auf den ersten Blick. Das zeigt eine Studie der Universität Münster. Befragte Kommilitonen gaben bei Narzissten oft an: „Finde ich sympathisch, würde ich gern besser kennenlernen.“ Langfristig machen sich Narzissten dagegen keine Freunde – wer länger mit ihnen zu tun hat, dem werden Narzissten auf Dauer unsympathischer.   Quelle: Fotolia
Narzissten sind extrovertiertVor allem mit ihrer Extrovertiertheit können Narzissten oft punkten. Die kann schon beim Bewerbungsgespräch zum entscheidenden Vorteil werden - wenn der Narzisst es schafft, bereits bei diesem ersten Treffen zu glänzen. Quelle: Fotolia

So schreibe ich also dem 23 Jährigen per Facebook-Chat, dass mich auf den ersten Blick einiges auf seinen gut 200 Seiten an sein erstes Buch („Marken müssen bewusst Regeln brechen, um anders zu sein“), das vor zwei Jahren erschienen ist, erinnert. Sie wissen schon, gleicher Inhalt, neue Verpackung. Alter Wein. Schläuche. Auch, dass mir einige der Statements von Unternehmern, die er zu Wort kommen lässt, teilweise zu glattgebügelt erscheinen und dass der Gedanke, es könnte gerade für Chefs und Manager sinnvoll und sein, Klartext zu reden, mir nun wirklich nicht neu erscheint. „Ich bin ehrlich. Noch hat’s mich nicht überzeugt“, tippe ich in das kleine Chatfenster und warte gespannt auf Reaktion. Doch Multerer bleibt gelassen und ebenso bei seinem Standpunkt. „Es ist das erste Buch zu Klartext. Es macht das Thema bewusst und sagt, was dazu gehört.“ Dann ergänzt er mit einem zwinkernden Smiley: „Es gibt keine andere Literatur dazu und so selbstverständlich wie für Sie und mich ist das Thema nicht.“

Er hat angebissen. Ich antworte: „Klartext ist doch auch nur ein anderes Wort für Ehrlichkeit, Wahrheit und Authentizität - in jedem Managementratgeber wird das seit Jahren schon gepredigt.“ Multerer: „Trotzdem der erste Titel, der das Thema Klartext bedient und beschreibt. (...) Und ich versuche eine Philosophie zu beschreiben.“ Punkt.

Einen Augenblick später ploppt mein Chatfenster wieder auf. „Hey, wann bringt ihr den Text?“, fragt Multerer, der außer unterhaltsam schreiben offenbar auch noch ganz gut die Redaktionsklinken putzen kann. „Wir fahren das eher klein. Aber fein“, schreibe ich, nur um ihn ein bisschen zu ärgern. Reaktion: „Klein ist doch blöd.“ „Nun“, antworte ich, „wir sind hier ja nicht bei Wünsch dir was.“ Multerer: „Gut, hoffentlich sind Sie da nicht so böse wie hier im Chat.“ Ich entgegne: „Ich bin doch nur ehrlich und rede Klartext!“ Am späten Abend und nach einem halben Tag Funkstille macht es dann wieder „plopp“. Multerer: „Ist trotzdem das erste Buch zum Thema.“

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