Doch wie sollte sich eine Frau verhalten? Julia Hamann nahm ihren Stellvertreter nach dem Meeting zur Seite. "Doch er konnte es gar nicht nachvollziehen, dass ich sein Verhalten mir gegenüber als diskreditierend empfand. Stattdessen hat er mir vorgeworfen, überempfindlich zu sein und ein Kommunikationsproblem zu haben", erzählt sie. Hinzu kam außerdem: Der Mann war gekränkt, dass sie ihm Macho-Verhalten unterstellt hatte.
Oft passiert Mansplaining tatsächlich eher unbewusst und meist steckt hinter dem Verhalten ein traditionelles Rollenbild und eine entsprechende Sozialisierung. Häufig wurden Männer, die dazu neigen, Frauen die Welt zu erklären, nach einer klassischen Männerrolle erzogen. Sie sind es gewohnt, dass sie die Kommunikations- und Deutungshoheit innehaben. Kommt dann noch ein Altersunterschied zu einer Frau dazu, steht sie in seinen Augen automatisch auf einer rangniedrigeren Position. Mehr noch: Männer und Frauen unterscheiden sich tendenziell in ihrer Rhetorik, die ebenfalls wiederum mit einer geschlechtsspezifischen Sozialisation zu tun hat.
So unterschiedlich nehmen Männer und Frauen ihre Arbeitswelt wahr
Die Bertelsmann Stiftung hat in einer Studie untersucht, was sich Männer und Frauen von ihrer Arbeit wünschen. Die Ergebnisse unterscheiden sich mitunter sehr stark.
Einer der Hauptpunkte, den Frauen nannten, war beispielsweise "Emotionale Unterstützung", Männer nannten diesen Punkt dagegen kaum.
Zum Thema "Helfen in beruflichen Situationen" zeigen sich zunächst keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine genauere, qualitative Analyse ergab jedoch: Männer beschrieben oft Situationen, in denen sie praktische und direkte Karrierehilfe bekamen. Frauen dagegen beschrieben Beispiele, in denen sie (unerwartet) freundliche Aufmerksamkeit in einer unsicheren Umwelt erhielten.
55 Prozent Frauen erzählten zumindest eine Schadensgeschichte. Es waren immer Situationen, in denen sie ausgegrenzt oder zurückgewiesen wurden. Vielfach wurden ihnen Ressourcen verweigert, die anderen zugestanden wurden. Im Vergleich: nur elf Prozent der Männer erzählten eine Schadensgeschichte.
Die Businesstrainerin Marion Knaths, die sich auf die Beratung von Frauen in Führungspositionen spezialisiert hat, sagt: "Männergruppen kommunizieren hierarchisch, statusorientiert, ausgerichtet jeweils an der ranghöchsten Person." Frauen würden hingegen stärker nonhierarchisch kommunizieren. Das sei besonders in Frauengruppen zu beobachten. Hier diene die Kommunikation dazu, Verbindungen herzustellen. Aber genau dieser Stil habe in Männerrunden und vor allem im Businesskontext Nachteile, wo es um Status, Hierarchie und letztlich auch um Macht geht.
Auch Hamann wusste, dass es letztlich um eine Machtfrage ging. Dass ihr Stellvertreter gerne ihren Job gehabt hätte, aber der Verband lieber eine junge Frau für die Stelle haben wollte. Und sie sah sich in einem Dilemma: über die Kommunikation zu schweigen und sich damit gefallen zu lassen, dass sie nicht als Partnerin auf Augenhöhe akzeptiert wurde, oder in die Offensive zu gehen und damit einen weitaus größeren Konflikt zu riskieren?
So unterschiedlich reagieren wir auf Stress
Stressforscher schätzen, dass Stressanfälligkeit zu 30 Prozent genetisch bedingt ist.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Frauen, die während der Schwangerschaft hohe Cortisolwerte aufweisen, bekommen stressanfälligere Babys.
Traumatische Erlebnisse in den ersten sieben Lebensjahren, der Zeit der Entwicklung der Identität, können lebenslänglich stressanfälliger machen.
Erfolgsorientierte, ehrgeizige, sehr engagierte, ungeduldige und unruhige Menschen sind besonders stressanfällig.
Feindseligkeit, Zynismus, Wut, Reizbarkeit und Misstrauen erhöhen das Infarktrisiko um 250 Prozent. Humor hingegen zieht dem Stress den Stachel. Eine Studie an 300 Harvard-Absolventen zeigte: Menschen mit ausgeprägtem Sinn für Humor bewältigen Stress besser.
Der wichtigste Faktor, der über Stressanfälligkeit bestimmt, ist die Kontrolle über das eigene Tun. Je mehr man den Entscheidungen anderer ausgeliefert ist, desto höher das Infarktrisiko.
Wer für seine Arbeit Anerkennung in Form von Lob oder einem angemessenen Gehalt bekommt, verfügt über eine bessere Stressresistenz.
Wer eine gute Stellung in der Gesellschaft hat, verfügt auch über einen Panzer gegen Stress. Das ist auch bei Pavianen zu beobachten: Gerät das Leittier durch einen Konkurrenten in eine Stresssituation, schnellt der Cortisolspiegel hoch, normalisiert sich aber rasch wieder. Bei den Rangniedrigeren ist der Cortisolspiegel ständig erhöht.
Einer der stärksten Stresskiller ist das Gebet. Studien belegen: Der Glaube an eine höhere Macht, die das Schicksal zum Guten wenden wird, beugt vielen Krankheiten vor.
Die meisten Frauen entscheiden sich eher dazu, zu schweigen. Gerade im beruflichen Umfeld bedeutet ein offensiver Umgang weitere Angriffe. Denn Frauen wird nach wie vor offensives Verhalten negativ ausgelegt. "Bei Männern ist es akzeptiert, wenn auch nicht wertgeschätzt, wenn einer sein Ego so richtig raushängt", sagt Marion Knaths. Wenn dagegen eine Frau sich so verhält, muss sie Sanktionen befürchten. Zu solchen Sanktionen etwa gehört es, den Konflikt auf die persönliche Ebene zu verlagern. Denn schließlich ist es ja die Frau, die ein Problem hat, und nicht die Männer. Gibt es keine Verbündeten, steht man schnell alleine da. Viele Frauen halten es daher für besser, diplomatisch zu schweigen. Denn als gleichberechtigter Gesprächspartner wahrgenommen zu werden – das lässt sich leider kaum erzwingen.
Julia Hamann sprach über ihre Erfahrung mit anderen Führungsfrauen aus ihrem Netzwerk. Auch hier rieten die meisten, das Verhalten der Männer zu ignorieren und auf der Sachebene weiterzumachen. Hamann befolgte den Rat, auch wenn ihr die Kommunikation unter den Führungskräften oft immer noch missfällt. Vor einigen Monaten hat ihr Arbeitgeber noch zwei weitere Abteilungsleiterinnen eingestellt. Das ändert etwas, sagt Hamann: "Mit dem steigenden Frauenanteil in den Leitungsrunden verändert sich auch der Kommunikationsstil. Und wenn einer der Herren uns wieder einmal unser Fachgebiet erklärt, kann ich jetzt mit meinen Kolleginnen wenigstens darüber lachen."
Dieser Artikel ist zuerst bei Zeit Online erschienen.