Mansplaining Wenn Männer Frauen die Welt erklären

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"Er hat mir vorgeworfen, überempfindlich zu sein"


Doch wie sollte sich eine Frau verhalten? Julia Hamann nahm ihren Stellvertreter nach dem Meeting zur Seite. "Doch er konnte es gar nicht nachvollziehen, dass ich sein Verhalten mir gegenüber als diskreditierend empfand. Stattdessen hat er mir vorgeworfen, überempfindlich zu sein und ein Kommunikationsproblem zu haben", erzählt sie. Hinzu kam außerdem: Der Mann war gekränkt, dass sie ihm Macho-Verhalten unterstellt hatte.

Oft passiert Mansplaining tatsächlich eher unbewusst und meist steckt hinter dem Verhalten ein traditionelles Rollenbild und eine entsprechende Sozialisierung. Häufig wurden Männer, die dazu neigen, Frauen die Welt zu erklären, nach einer klassischen Männerrolle erzogen. Sie sind es gewohnt, dass sie die Kommunikations- und Deutungshoheit innehaben. Kommt dann noch ein Altersunterschied zu einer Frau dazu, steht sie in seinen Augen automatisch auf einer rangniedrigeren Position. Mehr noch: Männer und Frauen unterscheiden sich tendenziell in ihrer Rhetorik, die ebenfalls wiederum mit einer geschlechtsspezifischen Sozialisation zu tun hat.

So unterschiedlich nehmen Männer und Frauen ihre Arbeitswelt wahr

Die Businesstrainerin Marion Knaths, die sich auf die Beratung von Frauen in Führungspositionen spezialisiert hat, sagt: "Männergruppen kommunizieren hierarchisch, statusorientiert, ausgerichtet jeweils an der ranghöchsten Person." Frauen würden hingegen stärker nonhierarchisch kommunizieren. Das sei besonders in Frauengruppen zu beobachten. Hier diene die Kommunikation dazu, Verbindungen herzustellen. Aber genau dieser Stil habe in Männerrunden und vor allem im Businesskontext Nachteile, wo es um Status, Hierarchie und letztlich auch um Macht geht.

Auch Hamann wusste, dass es letztlich um eine Machtfrage ging. Dass ihr Stellvertreter gerne ihren Job gehabt hätte, aber der Verband lieber eine junge Frau für die Stelle haben wollte. Und sie sah sich in einem Dilemma: über die Kommunikation zu schweigen und sich damit gefallen zu lassen, dass sie nicht als Partnerin auf Augenhöhe akzeptiert wurde, oder in die Offensive zu gehen und damit einen weitaus größeren Konflikt zu riskieren?

So unterschiedlich reagieren wir auf Stress

Die meisten Frauen entscheiden sich eher dazu, zu schweigen. Gerade im beruflichen Umfeld bedeutet ein offensiver Umgang weitere Angriffe. Denn Frauen wird nach wie vor offensives Verhalten negativ ausgelegt. "Bei Männern ist es akzeptiert, wenn auch nicht wertgeschätzt, wenn einer sein Ego so richtig raushängt", sagt Marion Knaths. Wenn dagegen eine Frau sich so verhält, muss sie Sanktionen befürchten. Zu solchen Sanktionen etwa gehört es, den Konflikt auf die persönliche Ebene zu verlagern. Denn schließlich ist es ja die Frau, die ein Problem hat, und nicht die Männer. Gibt es keine Verbündeten, steht man schnell alleine da. Viele Frauen halten es daher für besser, diplomatisch zu schweigen. Denn als gleichberechtigter Gesprächspartner wahrgenommen zu werden – das lässt sich leider kaum erzwingen.

Julia Hamann sprach über ihre Erfahrung mit anderen Führungsfrauen aus ihrem Netzwerk. Auch hier rieten die meisten, das Verhalten der Männer zu ignorieren und auf der Sachebene weiterzumachen. Hamann befolgte den Rat, auch wenn ihr die Kommunikation unter den Führungskräften oft immer noch missfällt. Vor einigen Monaten hat ihr Arbeitgeber noch zwei weitere Abteilungsleiterinnen eingestellt. Das ändert etwas, sagt Hamann: "Mit dem steigenden Frauenanteil in den Leitungsrunden verändert sich auch der Kommunikationsstil. Und wenn einer der Herren uns wieder einmal unser Fachgebiet erklärt, kann ich jetzt mit meinen Kolleginnen wenigstens darüber lachen."

Dieser Artikel ist zuerst bei Zeit Online erschienen.

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