Mehr als Rücken-Fit Mitarbeitergesundheit fängt bei der Psyche an

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Chefs müssen Burn-Out auch erkennen

Probleme müssen aber nicht immer mit externer Unterstützung und Workshops gelöst werden. Um Differenzen auf dem kurzen Dienstweg zu klären, gibt es bei Sick 120 sogenannte Kümmerer. Das sind Mitarbeiter, die als Ansprechpartner bei Konflikten oder Sorgen dienen - wie Ersthelfer für die Psyche. Die Qualifikation zum Kümmerer erhalten sie durch eine Schulung zu psychischer Gesundheit und Teammanagement.

Konze und Gombert merken an, dass Beratungsangebote häufig nicht genutzt werden. Nicht, weil sie schlecht sind, sondern weil viele Menschen selbst nicht merken, dass sie gefährdet sind, an Depressionen oder Burn-Out zu erkranken. „Wir haben einmal ein Unternehmen betreut, das ein Sorgen-Telefon eingerichtet hat“, sagt Konze. „Die Rückmeldung war jedoch recht mau.“ Es könnte daran liegen, dass einige sich nicht trauen und es anderen schwer fällt, sich einzugestehen, Hilfe zu brauchen.

„Sensibilisierung“, sagt Gombert. Das ist ihr Lieblingswort, wenn es um den Umgang mit psychischen Erkrankungen geht. „Es reicht nicht aus, einen Mitarbeiter zum „Feel-Good-Beauftragten“ oder „Happiness-Manager“ zu berufen, ohne die Belegschaft inklusive Chefs für das Thema Burnout zu sensibilisieren“, bemängelt Gombert. Die Unternehmen haben verstanden, dass sie handeln müssen und investieren viel Geld in Gesundheitskonzepte – sie vergessen aber diesen ersten Schritt."

Für gute Rahmenbedingungen und eine gesundheitsbewusste Unternehmenskultur sind Führungskräfte zuständig. Ein Beispiel, wie dies organisiert werden kann, ist die Wirtschaftsauskunftei Schufa. 850 Menschen arbeiten dort. Erlangt einer von ihnen eine Führungsposition, hat er seine Mitarbeiter gesundheitsbewusst zu führen. So steht es in den Führungsleitlinien. Die Chefs werden also unter anderem daran gemessen, wie gut es ihren Mitarbeitern geht.

Das ist noch längst nicht in allen Unternehmen in Deutschland der Fall. Nur diejenigen mit ausgeprägtem Gesundheitsmanagement haben Führungsleitlinien, die die Mitarbeitergesundheit mit einschließen. Das hat die Befragung des Institutes für betriebliche Gesundheitsberatung ergeben.

Bevor Führungskräfte die Probleme ihrer Mitarbeiter erkennen können, sei es laut Konze und Gombert aber wichtig, sich selbst einschätzen zu können. „Erst wer weiß, wie er selbst abschneidet, kann die psychische Gesundheit anderer beurteilen“, sagt Konze. Führungskräfte müssten lernen, Burn-Out-Symptome zu erkennen und sich mit ihren eigenen Empfindungen auseinanderzusetzen. Das zu lernen, brauche Schulungen und Zeit.

Auch Silvia Mieth braucht Zeit, damit die Gesundheitsmaßnahmen der Schufa bei jedem Mitarbeiter ankommen. Sie ist Koordinatorin im betrieblichen Gesundheitsmanagement dort. Mieths Abteilung gibt es erst seit 2015. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der drei Jahre: „Nicht alle Aktionen kommen gut an“, sagt sie. Die Schufa hatte ein Stressmanagement-Seminar im Angebot, das einstündige Treffen über acht Wochen vorsah. Doch der Ansturm der Mitarbeiter blieb aus. „Das ist aber nicht schlimm, denn jetzt können wir uns verbessern.“

Die Dienste der Kümmerer der Sick AG hingegen werden stark nachgefragt. Denn sie sind genau dort, wo Probleme entstehen, die zum Gesundheitsproblem werden können – an ihrem Arbeitsplatz.

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