Mehr Erfolg mit Englisch
Englisch Quelle: imago images

Ist Englisch der deutschen Sprache überlegen?

As we read and speak less and less in our Muttersprache one question looms: Is English superior to German? Your Kolumnist has a couple of answers – one of which centers on the fact that we don’t actually speak English but „Inglish“! Eine Kolumne.

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Als Englischversteher wird mir immer wieder diese eine Frage gestellt: Ist unsere deutsche Muttersprache dem Englischen unterlegen?

Das Thema drängt sich auf, da unser Leben mittlerweile – privat wie beruflich – dermaßen hybridsprachig ist, dass zwischen Bingeing und Sexting, Spam und Memes, Muting und Bio Breaks ernsthafte Zweifel aufkommen, ob noch alle mitkommen. Wenn ich nur ans Agendasetting und Policymaking deutschsprachiger Politicians denke – als gäbe es für all das keine deutschen Wörter und Wendungen mehr.

Tatsächlich gehen uns die Ausdrucksmöglichkeiten aus, wenn sich die Welt schneller dreht, als wir auf Deutsch noch dichten können. Man denke bloß an die aktuellen Nachrichten, in denen angesichts des Kriegs auf einmal von Pariahs und False Flags die Rede ist, also „Schurken“ oder „Aktionen unter falscher Flagge“, um zwei beliebige Beispiele zu wählen.

Die Ursache ist hier zunächst die von den Sociologists sogenannte Anschlussfähigkeit an weltweite Entwicklungen, Diskussionen oder Moden. Häufig werden sie einem international gültigen Slang unterworfen.

Gerade die wenig „fancige“ aber gegenwärtig umso „trendigere“ Militärsprache macht den Einfluss des Englischen deutlich. Als Bundeskanzler Olaf Scholz grundsätzlich und staatstragend über die „Zeitenwende“ sprach, nahm er kein einziges englisches Wort in den Mund. Als er zum Operativen überging, sagte er auf einmal Air Policing oder Tripwire – zwei typische Begriffe der Nato. Der englischsprachige Jargon eint das Bündnis und macht es in brenzligen Situationen, in denen es auf Sekunden ankommen kann, handlungsfähig. Es ist ein klassischer Fall von „Lingua Franca“ – einer Sprache, die alle bestens verstehen.

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Darüber hinaus kann man mit Englisch auch zeigen, dass man dazugehört und zum Beispiel die Offizierschule der Nato besucht hat. Neben Verständlichkeit und den Faktor Effizienz treten also auch Weltläufigkeit und – noch einmal in der Sprache der Soziologie – „Distinktion“. Das alles kann Englisch!

Doch das alles erklärt noch nicht, ob Englisch dem Deutschen als Sprache überlegen ist – ob es also gewissermaßen eingebaute Vorzüge gibt, mit denen sich Zusammenhänge leichter und verständlicher ausdrücken lassen. Der britische Sprachwissenschaftler David Crystal, eine Koryphäe der Englischversteher – man sagt: he is preeminent in his field – vertritt die Auffassung, dass Englisch keinerlei sprachliche Vorteile besitze. Vielmehr habe es Glück gehabt, seit mehr als 200 Jahren die Sprache der Macht zu sein: zuerst im British Empire, dann der USA.

Ich habe eine andere Sicht als Professor Crystal, und ich möchte sie mit drei Beispielen erläutern.

1. Die Sonderbeziehung! Zunächst kommt dem Verhältnis beider Sprachen in unseren Köpfen zugute, dass es lange vor der Anglisierung des Deutschen die Germanisierung des Englischen gab: das Wort word verdeutlicht es stellvertretend für heute noch rund 25 Prozent des englischen Wortschatzes. Im Unterschied zu Menschen aus der, sagen wir, spanisch- oder japanischsprachigen Welt haben wir (gemeinsam mit anderen Sprechern germanischer Sprachen) eine Sonderbeziehung zum Englischen – weshalb ich auch von unserer „Lieblingsfremdsprache“ spreche. Wir haben eine besondere Neigung zu Sprachspielen („that makes overhead nothing out“, „see you in old freshness“) und zu Aneignungen aller Art. Auffällig sind dabei Wortimporte wie „der/die/das Spam“, „die/das Email“, „der/das Event“ oder alles auf -ing („das Wording“). Sie führen uns vor, wie viel einfacher unsere Grammatik sein könnte, würden wir nicht penibel auf die Artikel achten und stattdessen bloß „das“ – the – sagen.

2. Kein mühsames Gendering! „Der“ und „die“ mit „in“, : oder * (und der dazu gehörende Sozialstress) sind nicht erforderlich, wenn man englische Personen- und Gruppenbezeichnungen benutzt wie Fans und Followers oder die hier bereits bemühten Politicans und Sociologists. Dasselbe gilt für Audience, Community oder People, die in Berlin auch „Piepel“ heißen.

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3. Das Ding mit -ing! Achten Sie einmal darauf: Die Endsilbe mit den drei Buchstaben ist einer Weise dominant, dass die Welt genau genommen gar nicht Englisch, sondern „Inglisch“ spricht. In allen Wortgruppen kommt -ing vor, als Hauptwort (thing, king), als Pronomen (something), als Prädikat (boring, interesting), als Handlung (boring, interesting) und sogar als Präposition (notwithstanding – „dennoch“). Deutschsprachige Texte kommen kaum noch ohne irgendein Ing aus. Denken Sie nur ans Feeling, vom Accounting, Budgeting oder Consulting ganz zu schweigen. Diese Wörter entfalten große Wirkung, weil sie eine sprachliche Verdichtung ermöglichen, die wir nicht bilden können.

Das liegt zunächst daran, dass sie Handlungen zu Hauptwörtern machen, die wir ausführlicher umschreiben müssten. So bedeutet Housing „das Bau- und Wohnungswesen“, „die Unterbringung anderer“ oder „die eigene Wohnung“. Außerdem wohnt vielen Ings eine Wertung inne: So ist das Timing nicht irgendein Zeitpunkt, sondern der richtige. Das alles macht Ing in meinen Augen zum King – und zum vielleicht größten Vorteil der englischen Sprache!

Unser Kolumnist ist u.a. Autor des Bestsellers „Hello in the Round! Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“. Das Buch ist bei C.H. Beck erschienen.

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