Mehr Erfolg mit Englisch
Quelle: dpa

What lessons can we learn from Mister Lindner‘s Kauderwelsch?

Die FDP empfiehlt sich als „Freie Denglische Partei“ – und lässt unseren Kolumnisten nachdenken, wie man den real existierenden Sprachgraben durch Deutschland überbrücken kann.

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„Wahlkampf“ – das ist traditionell ein Wettkampf mit Worten, der leicht in einen „Wahlkrampf“ abdriftet, wenn Parteien und Politicians die englische Sprache bemühen, um sich Pepp, Coolness, Fortschrittlichkeit, Ironie and whatnot auf die Fahne zu schreiben. Archetypisch dafür ist der Satz, den 1998 ausgerechnet die „Junge Union“ verbreitete: „Bleib cool, keep Kohl!“ Ein anderes sagenhaftes Beispiel fabrizierten vier Politikerinnen der sozialdemokratischen Partei Österreichs, als sie 2015 über den berühmtesten Zebrastreifen von London marschierten und das Kunstwerk im Stil des „Abbey Road“ Albums der Beatles unter die Überschrift stellten: „Good Weibs for Wien“.

Das führt mich auf direktem Weg zur FDP unter Christian Lindner. Während er sich gerne in schwarz-weiß als eine Art „Cool Kerl for Kanzler“ inszeniert, treibt seine Partei ein entsprechend wahlk(r)ämpferisches Unwesen. Wenn ich nur an ihre Slogans vor wenigen Jahren denke: „Deutschland Update“, „German Mut“ oder „Digital first, Bedenken second“.

Dabei ist es nicht so wichtig, dass mut von englischsprachigen Menschen als „Köter“ missverstanden werden kann – gewissermaßen als Juniorpartner des German shepherd. Man kämpft schließlich um Wählerstimmen aus dem deutschsprachigen Raum, wo der „Mut“ unserer Muttersprache stärker ist als alle sprachlichen Verführungen von außen. Und wer als Expat mit der FDP sympathisiert, sollte nach einer gewissen Zeit im Ausland über die ausreichende sprachliche Toleranz verfügen. Sie ist gerade in der Anglosphere verbreitet und auch erforderlich, wenn man nur das Chaos bedenkt, das dort schon leicht untereinander entsteht. Erläutert etwa ein Brite ein völlig legales Vorhaben als scheme [gesprochen: skiem], sind Menschen aus den USA geneigt, an mafiöse Absichten und organisierte Kriminalität, Steuerhinterziehung und Intrigen oder gleich alles auf einmal zu denken (zum Beispiel Ponzi Scheme). Kommt ein Deutscher hinzu, führt er vielleicht einen „Joker“ ins Feld. Oder ein „Testimonial“. Oder ganz am Rande gar einen „Flirt“. In allen drei Fällen wäre die Verwirrung komplett:



  1. Gerade der aktuelle Wahlk(r)ampf in Deutschland lässt eine Sehnsucht nach „Jokern“ erkennen: Bei den Grünen Robert Habeck? Bei der CDU Markus Söder? In unmissverständlichem Englisch wäre allerdings eher von trump card die Rede, selbst wenn niemand hierzulande ein „Trump“ sein möchte. Auch von super sub (vor allem im Sport) oder joker in the pack kann die Rede sein. Joker ist hingegen eine Art Witzbold mit Überraschungsfaktor, am ehesten also doch Markus Söder, wie Oliver Moody in der Times erklärt hat.
  2. Abgesehen davon, dass testimonial von Los Angeles bis London ziemlich altbacken und großspurig klingt, wo man deshalb lieber von endorsement spricht, ist mit testimonial in unmissverständlichem Englisch immer eine Aussage gemeint, niemals eine Person. Sie wird endorser genannt oder someone who endorses a scheme – in den USA wie gesagt: a plan.
  3. Umgekehrt ist zum Beispiel unser „Flirt“ niemals das Erlebnis, das wir meinen. Es wird in unmissverständlichem Englisch flirtation genannt. Flirt ist hingegen stets eine Person: You are a flirt!

Es ist dieses Maß an sprachlicher Toleranz, das man aufbringen muss, wenn man politisch mit der FDP flirtet. Ihr neuestes, verwirrendes testimonial lautet: „Make in Germany“. Es klingt wie ein eigenwilliger Mix aus made in Germany, dem berühmtesten Markenversprechen aus Deutschland, und www.make-it-in-germany.com, dem „Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland“.

Was die FDP mit „Make in Germany“ ausdrücken möchte, konnte selbst nach mehreren Wochen Rätselraten auf Twitter oder Facebook nicht eindeutig geklärt werden. Auch ich bin unsicher und erlaube mir deshalb, es als Hinweis auf den großen Sprachgraben zu verstehen, der sich durch unser Land zieht – the colossal language divide running across Germany! Auf der einen Seite gibt es eine Minderheit von rund 10 Prozent der Bevölkerung, die gut bis sehr gut Englisch spricht, während auf der anderen Seite knapp 40 Prozent immer noch behaupten, wenig bis gar keine Englischkenntnisse zu besitzen. Ich halte es für höchste Zeit, dass sich alle unsere Parteien ernsthaft mit dieser Kluft beschäftigen und zu Antworten kommen, wie sie sich ganz praktisch und zugunsten aller Menschen überbrücken lässt.

In diesem Rahmen begreife ich die FDP längst als „Freie Denglische Partei“, die unserer sprachlichen Realität wenigstens nicht mehr aus dem Weg geht, sondern ihr, wenn auch auf etwas krampfige Weise, Ausdruck verleiht. Hauptsache, Mister Lindner kommt nicht auf die Idee in einer zukünftigen Regierung ein „Ministerium für Kauderwelsch“ – a ministry of gibberish – zu gründen, um Deutschlands Anschluss an die Weltspitze der Sprachverwirrung zu sichern. Das Gegenteil wäre wichtig! Wenn schon kein Ministerium, dann wenigstens ein Beauftragter für unsere Lieblingsfremdsprache. Denn wenn wir ehrlich sind, handelt es sich um keine fremde Sprache mehr, sondern eine Art zweite Muttersprache – allerdings für die meisten von uns ohne Mutter!

Darin steckt ein Problem, das sehr viele Menschen in Deutschland betrifft, egal auf welcher Seite des Sprachgrabens sie sich befinden und egal, ob sie jemals die FDP wählen würden oder nicht. Das Problem wird brutal sichtbar, wenn wir zum Beispiel einen politischen Begriff wie „Ehegattensplitting“ in den Mund nehmen und damit nach Brüssel oder in die noch größere weite Welt ziehen: „spouse splitting“ oder „wife and husband splitting“ sind katastrophale Zeugen unserer sprachlichen Gegenwart. Wer international verstanden werden will, müsste von income splitting sprechen oder den Zusammenhang, wie so oft, umschreiben.

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Ich bin überzeugt, dass es eine der viel diskutierten „Investitionen in unsere Zukunft“ und ein Gewinn für unseren allgemeinen Sprachalltag wäre, würde unsere Regierung allen Menschen helfen eine sichere deutsch-englische Zweisprachigkeit zu erlangen. Dieses längst europaweit erklärte Ziel darf kein elitäres bleiben, das nur diejenigen erreichen, die aus mehrsprachigen Familien kommen oder die aus eigener Tasche teure Schulaufenthalte im Ausland finanzieren können. Wir brauchen endlich eine Partei, die sich für mehr Sprachstipendien, mehr Sprachkurse und andere Programme und Anreize einsetzt wie ich sie selbst als Jurymitglied aus dem „Bundeswettbewerb Fremdsprachen“ kenne. Such a party is really needed. In this day and age, it would possess a definite trump card. It’s not just an idea worth flirting with but one that I would wholeheartedly endorse!

Peter Littger beschäftigt sich mit deutsch-englischen Sprachverwirrungen und ist Autor unter anderem der Bestseller-Buchreihe „The Devil lies in the Detail – Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache“. Sie können Peter Littger auf Instagram und Twitter folgen.

Mehr zum Thema: „Let’s become concrete!“ – konkrete Tipps, um solche englischen Patzer zu vermeiden.

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