Hochwertige Badmöbel, ebenerdig begehbare Dusche, große Fliesen: Das Bad von Gunther Lang kann sich sehen lassen. Ein paar Tausend Euro hat es wohl gekostet – finanziert hat es die Allianz.
Aber nicht, weil ein Rohbruch die Versicherung zum Einspringen zwang, sondern weil der Bauherr clever investiert hat: Lang leitet bei der Allianz nicht nur einen IT-Bereich, er ist über Aktien auch an seinem Arbeitgeber beteiligt.
20 Prozent Rabatt bekommen Allianz-Angestellte in Deutschland, wenn sie Geld in Belegschaftsaktien stecken. „Ein sehr attraktives Investment“, sagt Wirtschaftsinformatiker Lang, der seit 2002 regelmäßig Anteile kaufte. Um möglichst viel Eigenkapital in seinen Hausbau stecken zu können, trennte er sich 2010 von einem Viertel seiner Aktien – etwa im Wert seiner Bad-Ausstattung. Den Rest will der 46-Jährige fürs Alter aufheben.
Wie Lang profitieren in Deutschland 32.000 Allianz-Mitarbeiter vom Aktienprogramm des Dax-Konzerns. Aber auch der Arbeitgeber bietet solche Vergünstigungen, die jährlich mehrere Millionen Euro kosten, nicht aus reinem Gutmenschentum an.
„Die Belegschaftsaktionäre sehen das Unternehmen nicht nur mit den Augen des Mitarbeiters, sondern auch mit denen des Eigentümers“, sagt Werner Zedelius, Personalvorstand in der Holding des Versicherers. „Das erhöht die Identifikation.“
Ein Gefühl, das Lang bestätigt. „Bei schlechten Zahlen leide ich mit, bei guten Ergebnissen freue ich mich umso mehr.“ So profitieren beide Seiten: Lang von den finanziellen Vorteilen, Zedelius von einer engagierten Truppe.
Renaissance der Beteiligung
Diese Aussicht auf doppelte Rendite durch Mitarbeiterbeteiligung war in Deutschland einige Jahre ignoriert worden. Denn im Zuge der geplatzten Börsenblase und der Pleiten zahlreicher New-Economy-Unternehmen rauschten die Kurse in den Keller. Und auch die Belegschaftsaktien – 1998 noch bei etwa 1,7 Millionen Arbeitnehmern Teil der Geldanlage – waren so erst in Verruf und dann in Vergessenheit geraten.
Von Verlusten enttäuscht, wandten sich viele Deutsche von der volatilen Anlage ab. Einige, wie Mitarbeiter des US-Telekommunikationsriesen Worldcom, traf es besonders hart: Das in einen Betrugsskandal verwickelte Unternehmen meldete Insolvenz an, die Mitarbeiter verloren ihre Einlagen.
Seit einigen Jahren erlebt die Mitarbeiterbeteiligung eine Renaissance: Wie die Allianz setzen laut Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung deutschlandweit inzwischen rund 4500 Unternehmen auf die positiven Effekte des Finanzinstruments – vom traditionsreichen Familienbetrieb über international agierende Mittelständler bis hin zum Dax-Konzern.
Der simple Grund: „Teilhabende Mitarbeiter sind bereit, für ihr Unternehmen mehr zu leisten“, sagt Michael Kramarsch, Geschäftsführer der Beratung hkp.
Das belegt auch die Studie Geo Global Equity Insights 2014, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Und an der neben hkp auch die internationale Global Equity Organization, die über aktienbasierte Vergütung aufklärt, die Konzerne Siemens und SAP, die Universität Göttingen und Computershare, ein australischer Dienstleister für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, mitgearbeitet haben.
Das Konglomerat befragte 169 Konzerne aus aller Welt zur Ausgestaltung von und Gründen für ihre Programme. Das Ergebnis: eine stabilere Aktionärsstruktur, höhere Identifikation und mehr Engagement der Mitarbeiter (siehe Grafik).
Sinnvolles Instrument
Die Folge: Je mehr Mitarbeiter am Aktienprogramm ihres Arbeitgebers teilnehmen, desto erfolgreicher ist das Unternehmen. „Aus ökonomischer Sicht“, sagt BWL-Professor Michael Wolff von der Uni Göttingen, „gibt es kaum etwas Sinnvolleres für Unternehmer und Arbeitnehmer, als Mitarbeiterbeteiligungsprogramme aufzulegen.“
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der britische New UK Employee Ownership Index. Während die börsennotierten Unternehmen auf der Insel 2013 ihren Wert im Schnitt um 21 Prozent steigern konnten, legten Konzerne, die mindestens drei Prozent ihres Kapitals in die Hände ihrer Mitarbeiter gelegt hatten, um mehr als 50 Prozent zu.
Kein Wunder also, dass die Unternehmen Interesse daran haben, die Zahl ihrer Mitarbeiteraktionäre zu erhöhen – mit Erfolg: Laut Deutschem Aktieninstitut ist die Zahl der Belegschaftsaktionäre, in den vergangenen fünf Jahren um rund ein Drittel auf 1,2 Millionen angestiegen. Hinzu kommen laut Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung etwa eine Million, die vor allem als stille Gesellschafter oder über Genussrechte teilnehmen. Laut Geo-Studie bieten immerhin 31 Prozent der in Deutschland befragten Unternehmen eine aktienbasierte Mitarbeiterbeteiligung an, europaweit sind es 39 Prozent. Am verbreitetsten ist sie traditionell in Nordamerika – dort sind Aktien wichtiger Bestandteil der Altersvorsorge.
Internationaler War for Talents
So auch beim Medienkonzern Discovery Communications, zu dem TV-Kanäle wie DMAX oder Animal Planet gehören. Obwohl das Unternehmen nur 6000 Mitarbeiter hat, bietet es sein Aktienprogramm in 20 Ländern von Mexiko bis nach Polen an. „Das ist für ein so kleines Unternehmen bemerkenswert“, sagt Wolff. Schließlich ist der Aufwand enorm – gilt es doch in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Vorschriften für Aktienhandel und steuerliche Vergünstigungen einzuhalten.
Doch das schreckt Ralph Beidelman, bei Discovery Communications für die Mitarbeiterbeteiligung zuständig, nicht ab. Ständig versucht er, weitere Länder ins Programm aufzunehmen. Auch die 90 deutschen Mitarbeiter können mitmachen.
Somit spielt die Beteiligung von Arbeitnehmern auch in den international ausgetragenen War for Talents hinein. Seit Personalarbeit mehr ist als das Abarbeiten sich auftürmender Bewerbungsmappen und Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren müssen, um auf dem schrumpfenden Bewerbermarkt die Besten von sich zu überzeugen, setzen sie auf Beteiligungsprogramme als Köder.
So auch der südbadische Verpackungsproduzent August Faller. „Bei einer Arbeitslosenquote von drei Prozent in unserer Region“, sagt Geschäftsführer Michael Faller, „wird es immer schwieriger, an qualifizierte Fachkräfte zu kommen.“ Ein Grund, um 2013 eine Mitarbeiterbeteiligung einzuführen. Auch in Stellenanzeigen und Vorstellungsgesprächen will Faller das Programm zukünftig als Trumpf einsetzen. Eine Verzinsung von mindestens vier Prozent erhalten die stillen Gesellschafter, sobald das Unternehmen ein Plus erwirtschaftet.
Höhere Motivation zu guter Arbeit
Thomas Domeyer hat indes erkannt, dass sich solche Programme nicht nur auf die Geldbeutel der Arbeitnehmer auswirken. „Kollegen, die Anteile halten, arbeiten sorgfältiger und machen einen Schlag mehr“, sagt der 53-Jährige, der die Finanzbuchhaltung beim Bauunternehmen Goldbeck aus Bielefeld leitet und Mitglied im Partnerschaftsausschuss ist, der die teilhabenden Mitarbeiter vertritt.
Mittelständler Goldbeck gibt seinen Mitarbeitern die Möglichkeit, jedes Jahr bis zu fünf Anteile am Unternehmen zu kaufen – bezuschusst. Der Zinssatz variiert mit dem Gewinn – 18 Prozent jährlich erhalten die stillen Gesellschafter seit 2007. Für Mitarbeiter wie Domeyer, die von Anfang an dabei sind, macht das schnell ein Plus von 3500 Euro pro Jahr.
Vor 30 Jahren etablierte das Familienunternehmen das Modell vor allem, um Liquidität aufzubauen. Heute sieht der Sohn des Firmengründers und Geschäftsführer Jörg-Uwe Goldbeck andere Vorteile: „Die Mitarbeiterbeteiligung ist Ausdruck unserer Unternehmenskultur, die von Eigenverantwortung geprägt ist“, sagt der 46-Jährige. „Jeder trägt mit seinem Handeln zum Erfolg bei.“
Diese Motivation unterstreicht auch Joe Kaeser. Das Credo des Siemens-Chefs: „Mitarbeiter treten den Kunden mit Selbstbewusstsein und Stolz gegenüber, sie bringen mehr Ideen ein.“ Weltweit halten 140.000 Siemensianer Belegschaftsaktien – 50 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Damit sie ihre vergünstigten Aktien langfristig halten, setzt der Konzern auf einen sogenannten Share-Matching-Plan. Dabei bekommen Aktionäre für je drei Papiere, die sie drei Jahre halten, eine Gratisaktie dazu. „Mitarbeiter“, sagt der Siemens-Chef, „haben durch ihren Arbeitsplatz ein natürliches Interesse an nachhaltigem Erfolg.“
An eine Mehrheit bei Hauptversammlungen sei zwar nicht zu denken, so Vergütungsexperte Kramarsch. „Aber in kritischen Situationen, etwa einer feindlichen Übernahme, könnten die Belegschaftsaktionäre das Zünglein an der Waage sein.“
Oder Interessenten direkt abschrecken. „Ein hoher Anteil an Belegschaftsaktionären“, sagt BWL-Professor Wolff, „ist nicht nur Erfolgsmotor, sondern auch der beste Schutz vor feindlichen Übernahmen.“