Nicht nur die Olympia-Sportler in Sotchi haben eine Zielvereinbarung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund geschlossen, auch in Unternehmen spielen solche Vereinbarungen eine wichtige Rolle. Doch wie schon in Sotchi viel über Sinn und Nutzen der Vorgaben diskutiert wird, lässt sich auch in manchen Unternehmen fragen, ob Zielvereinbarungen überhaupt den gewünschten Effekt haben. Eigentlich könnte es so einfach sein: Mitarbeiter setzen sich mit ihren Chefs zusammen und entwickeln eine Strategie, wie sie ihre Ziele am besten erreichen können und welche Ergebnisse bis Jahresende erzielt werden sollen. Ihre Beschlüsse legen sie dann in einer Zielvereinbarung fest. Doch so oft solche Verträge in der Arbeitswelt geschlossen werden, so undurchsichtig sind die Regelungen, was eigentlich darin stehen sollte und was nicht.
Ein Ziel festzulegen heißt grundsätzlich erst einmal, sich zu entscheiden, wie ein gewünschter Zustand aussehen soll. Ziele sind dabei nicht mit Maßnahmen oder Aktivitäten zu verwechseln, die nur den Weg zur Zielerreichung beschreiben. „Ziele können je nach Unternehmen Leistungsziele sein, Umsatzziele oder bestimmte Verhaltensziele“, meint Kerstin Hof, Unternehmensberaterin. Durch die in Zielvereinbarungen getroffenen Absprachen legen Mitarbeiter und Vorgesetzte verbindlich und im gegenseitigen Einvernehmen bindende Regelungen fest. Doch sich zu einigen kann dauern, gerade bei erstmaligen Vereinbarungen. Deswegen gilt das Motto: In der Kürze liegt die Würze: Die Anzahl der vereinbarten Ziele sollte nie mehr als drei bis fünf betragen. Das rät der Leitfaden für das Innenministerium Nordrhein-Westfalen zum Thema Mitarbeitergespräch und Zielvereinbarungen.
Eine Regel aus dem Englischen legt nahe, dass die zu vereinbarenden Ziele SMART (specific, measurable, acceptable, realistic, timely) formuliert sein sollen. Ziele sollten demnach spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitlich umsetzbar sein. Dabei gilt auch das Prinzip: je genauer, desto besser. Denn ungenaue Ziele verursachen meist im Nachhinein Ärger. Mitarbeiter sollten daher darauf achten, dass Ziele klar und deutlich formuliert werden.
Doch wie so oft, greift auch hier das Motto: Leichter gesagt, als getan. Was in der Theorie ganz einfach klingt, führt oft schon in der Praxis zu Problemen. Anstatt Beschlüsse auf Augenhöhe zu treffen, brechen viele Unternehmen ihre übergeordneten Ziele „top-down“ auf die Mitarbeiter herunter – so wird aus einer Zielvereinbarung schnell eine Zielvorgabe. „Viele Vorgesetze haben bereits klare Umsatzvorstellungen und versuchen diese dann auf die Mitarbeiter zu übertragen. Diese sollten aber bei der Zielvereinbarung keine passive Rolle einnehmen, sondern eine aktive und ihre eigenen Ziele ebenfalls klar formulieren", so Kerstin Hof. Sich nicht klein zu machen oder in eine Rechtfertigungsposition zu gelangen, sondern stattdessen die eigenen Ziele zu vertreten und mit den Vorgesetzten abzustimmen, falle vielen Mitarbeitern zwar schwer, sei aber wichtig, um eine erfolgreiche Zielvereinbarung zu treffen. "Viele Zielvereinbarungen scheitern, weil unrealistische Ziele gesteckt wurden", meint Kerstin Hof.
Qualitative und quantitative Ziele
Wie genau das vermieden werden kann, weiß Winfried Berner, Diplom-Psychologe und Leiter der W.-Berner-Umsetzungsberatung. Für ihn muss jedes Ziel zwei Anforderungen erfüllen, die sich dann auch in der Zielvereinbarung widerspiegeln sollen: Mitarbeiter und Vorgesetzte müssen genaue Angaben treffen, was erreicht werden solle und gegebenenfalls auch, woran man das erkennen könne. Und beide sollen eindeutig zeitlich festlegen, bis wann Ziele erreicht werden sollen. Wichtig sei hierbei, dass die Ziele in der vertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit erreichbar sein müssen, ohne Überstunden, Mehrarbeit oder Schichten am Wochenende. Falls diese Angaben fehlen, so Winfried Berner, handle es sich nicht um Ziele, sondern nur um Wünsche, Hoffnungen oder Richtungsaussagen.
Neben diesen beiden formalen Anforderungen stellt er zwei psychologische Vorgaben in den Mittelpunkt der Zielvereinbarung. In seinem Handbuch für Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen betont er: „Ziele müssen erreichbar sein, wobei nicht die objektive Erreichbarkeit, sondern der subjektive Glaube an die Erreichbarkeit entscheiden ist.“ Außerdem wirke ein Ziel nur dann motivierend, wenn es herausfordernd sei.
Eine Schlüsselrolle für erfolgreiche Zielvereinbarungen sei auch die richtige Mischung aus quantitativen und qualitativen Zielen, die beide unbedingt in einer Zielvereinbarung stehen sollten. Quantitative Ziele beschreiben den zu erreichenden Umsatz, Preise, Mengen oder Marktanteile. Qualitative stellen Fragen in den Mittelpunkt wie: Wie kann eine Aufgabe schneller, einfacher oder kostengünstiger erledigt werden? Mit welchen Qualitätsmerkmalen soll eine Dienstleistung erbracht werden? Welche Ressourcen sind zu verändern? Kerstin Hof betont, wie wichtig es sei, dass beide Arten von Zielen in der Zielvereinbarung Ausdruck finden. „Nicht nur quantitative Ziele wie Umsatzzahlen oder Absatzzahlen sollen in der Vereinbarung vorkommen, sondern auch qualitative Ziele wie langfristige Entwicklungen. Dabei kommen Elemente wie Teamwork und Softskills der Mitarbeiter ins Spiel.“
Dabei sollte eine Zielvereinbarung sich immer auf die Stellenausschreibung des jeweiligen Mitarbeiters beziehen, um zu erkennen, was er leisten kann und sollte. Kerstin Hof formuliert abschließend wichtige Tipps für Mitarbeiter:
1. Sich gut vorzubereiten und mit einer kleinen Liste an Zielen ins Gespräch zu gehen, erleichtert eine erfolgreiche Zielvereinbarung.
2. Statistiken und Dokumentationen des vergangenen Jahres bieten im Gespräch handfestes Futter für Argumente und können helfen, die wichtigen Ziele herauszufiltern.
3. Das Verhalten des Chefs zu antizipieren hilft bei der Überlegung wie sich die eigenen Ziele mit denen des Chefs vereinen lassen.
4. Rechtfertigungspositionen zu vermeiden und die eigenen Ziele klar zu formulieren vermeidet späteres Scheitern an unrealistischen Zielen.
5. Mut zur Realität! Ziele sollten erreichbar und realistisch sein, nicht utopisch.
6. Diskussionen auf Augenhöhe sind wichtig um nicht die Ziele und Vorstellungen des Vorgesetzten zu übernehmen, sondern gemeinsam Ziele zu formulieren.
Wer so strategisch vorgeht, kann erfolgreiche Zielvereinbarungen schließen, das gelte sowohl für die Unternehmens- als auch für die Mitarbeiterseite.