Mobilität Der Wahnsinn des Pendelns

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Zerbrochene Beziehungen

Sechs Tipps für umweltschonende Geschäftsreisen
Tipp 1: Gründliche PlanungFlugzeug-, Auto- und Bahnverkehr belasten Klima und Umwelt. Eine gründliche Planung ist daher wichtig: Lässt sich der Auswärtstermin mit anderen Terminen in der Nähe verbinden? Wenn der Mitarbeiter mehrere Tage vor Ort ist, kann er dann am Zielort übernachten, statt mehrfach an- und abzureisen? Und wenn mehrere Kollegen reisen, können sie beispielsweise Fahrgemeinschaften bilden? Quelle: dpa
Tipp 2: Auf Schienen oder durch die Luft?Wie klimafreundlich Mitarbeiter reisen, hängt stark von der Wahl des Verkehrsmittels ab. Die Bahn gilt im Allgemeinen als das Verkehrsmittel mit der günstigsten CO2-Bilanz im Vergleich zu Flugzeug und Auto. Häufig lassen sich Flüge nicht vermeiden, da die Reisenden ansonsten zu viel Zeit verlieren würden. Aber auf vielen kürzeren Strecken, vor allem im Inland, ist die Bahn eine gute Alternative. Zudem sind Bahnhöfe in der Regel zentraler gelegen als Flughäfen, so dass sich unter Umständen lange Taxifahrten erübrigen. Quelle: dpa
Tipp 3: Umweltfreundliche MietwagenBei schlechten Flug- oder Bahnverbindungen weichen Geschäftsreisende gerne auf Mietwagen aus. Das ist zwar generell nicht die nachhaltigste Art zu reisen, jedoch verfügen manche Autovermieter inzwischen über eine "grüne Flotte", bieten also emissionsarme Modelle an, beispielsweise mit Hybridantrieb. Quelle: Reuters
Tipp 4: "Grüne" Hotels buchenAuch Hotels haben erkannt, dass sie mit einer Öko-Strategie bei ihren Gästen punkten können. Viele werben damit, dass sie etwa ihren eigenen Strom erzeugen, Strom oder Wasser sparen, übermäßige Müllproduktion vermeiden, recycelte Materialien für ihre Ausstattung verwenden oder in ihrer Küche auf regionale Lebensmittel und Fairtrade-Produkte setzen. Quelle: dpa/dpaweb
Tipp 5: Vor Ort: Carsharing, ÖPNV und FirmenfahrräderOft finden Termine in der unmittelbaren Umgebung statt. Viele Geschäftsleute wollen dann trotzdem nicht auf ihren Firmenwagen verzichten und nehmen dafür sogar die stressige Parkplatzsuche in der Stadt in Kauf. Nachhaltiger wäre es, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter dazu motivieren würden, auf den öffentlichen Nahverkehr oder mittlerweile weit verbreitete Carsharing-Angebote umzusteigen, oder ein Firmenfahrrad zu nutzen. Quelle: obs
Tipp 6: Erstellen von CO2-ReportingsUm zu analysieren, wie klimafreundlich bislang Mitarbeiter reisen, können Unternehmen CO2-Reportings erstellen lassen. Professionelle Geschäftsreisebüros bieten diesen Service an. Auf Basis dieser Datenauswertung können die Unternehmen Ziele definieren, wie weit sie ihre Öko-Bilanz verbessern wollen, sowie konkrete Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Quelle: dpa

Immer öfter erfährt er von Kollegen, deren Beziehungen an der Pendelei zerbrechen. Dass in seiner Bonner Zweitwohnung niemand auf ihn wartet, bedrückt Körner immer mehr. Ihm wird klar, dass er Sohn und Tochter in all den Jahren nicht richtig aufwachsen sieht – und er verlässt die Telekom. Für seinen neuen Arbeitgeber, eine Unternehmensberatung in Frankfurt, ist er zwar auch viel unterwegs – aber jeden Abend zu Hause bei der Familie. „Neulich habe ich mit meinen Kindern zum ersten Mal überlegt, was wir zum Straßenfest beitragen.“

Und das ist ihm mehr wert als die Unterstützung, die sein ehemaliger Arbeitgeber ihm und anderen Pendlern zukommen lässt: Die Telekom erlaubt Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten und Heimarbeit, im Intranet des Konzerns können sich Pendler zu Fahrgemeinschaften verabreden, manche bekommen gar eine Bahncard auf Firmenkosten.

Materielle und organisatorische Unterstützung für Pendler – bei großen Unternehmen offenbar keine Seltenheit, wie eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter den 30 größten Dax-Konzernen zeigt. Fast 90 Prozent erlauben Angestellten, an manchen Tagen zu Hause zu arbeiten. In zwei von drei Konzernen gibt es Pendler-Netzwerke für Fahrgemeinschaften, Firmen-Bahncards oder Jobtickets. Und dennoch verschließen die Unternehmen vor der Brisanz des Themas letztlich die Augen. Auf die Frage, wie viele Mitarbeiter zum Job wohl mehr als 50 Kilometer zurücklegen, antwortete überhaupt nur jedes vierte Unternehmen – und dann nur mit groben Schätzungen. Die Allianz mutmaßt, dass fast jeder dritte Mitarbeiter in der Münchner Zentrale täglich aus der Ferne anreist. BMW schätzt den Anteil auf 25 Prozent. Die Deutsche Börse, BASF und Rückversicherer Munich Re rechnen an ihren Hauptsitzen mit rund zehn Prozent. 18 Dax-Unternehmen ist der Wohnort ihrer Mitarbeiter egal, zwei Konzerne bevorzugten das Domizil am Arbeitsort.

Die fünf Branchen mit dem höchsten Anteil an Pendlern

„Pendeln muss nicht automatisch ein Karrierekiller sein. Es kann helfen, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bringen“, heißt es bei Infineon. „Es kann aber für Mitarbeiter auch zur Belastung werden.“

Die meisten anderen von der WirtschaftsWoche befragten Unternehmen blocken Nachfragen zum Thema Pendeln ab. Zu groß ist offenbar die Angst, in Zeiten knapper Fachkräfte in ein schlechtes Licht zu geraten oder sich juristisch angreifbar zu machen. Laut Arbeitsrecht darf ein Unternehmen seinen Mitarbeitern den Wohnort nämlich nicht vorschreiben, sagt der Bremer Anwalt Alexander von Saenger. Es sei denn, die Nähe zum Arbeitsplatz ist wie etwa bei Ärzten von unmittelbarer Bedeutung für den Job.

Karrierekiller Pendeln

„Die meisten Unternehmen wissen nicht, welche ihrer Mitarbeiter fernpendeln“, sagt Soziologe Schneider. „Viele Pendler verschweigen ihre Situation auch bewusst. Sie fürchten, als weniger leistungsfähig zu gelten.“ Der Frankfurter Personalberater Michael Faller von der Frankfurter Unternehmensberatung Baumann AG hält das für alarmierend: „Die Arbeitgeber sind nicht ausreichend sensibilisiert. Sie erwarten Mobilität, wissen aber nicht, wie ihre Mitarbeiter das bewerkstelligen.“

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