Immer öfter erfährt er von Kollegen, deren Beziehungen an der Pendelei zerbrechen. Dass in seiner Bonner Zweitwohnung niemand auf ihn wartet, bedrückt Körner immer mehr. Ihm wird klar, dass er Sohn und Tochter in all den Jahren nicht richtig aufwachsen sieht – und er verlässt die Telekom. Für seinen neuen Arbeitgeber, eine Unternehmensberatung in Frankfurt, ist er zwar auch viel unterwegs – aber jeden Abend zu Hause bei der Familie. „Neulich habe ich mit meinen Kindern zum ersten Mal überlegt, was wir zum Straßenfest beitragen.“
Und das ist ihm mehr wert als die Unterstützung, die sein ehemaliger Arbeitgeber ihm und anderen Pendlern zukommen lässt: Die Telekom erlaubt Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten und Heimarbeit, im Intranet des Konzerns können sich Pendler zu Fahrgemeinschaften verabreden, manche bekommen gar eine Bahncard auf Firmenkosten.
Materielle und organisatorische Unterstützung für Pendler – bei großen Unternehmen offenbar keine Seltenheit, wie eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter den 30 größten Dax-Konzernen zeigt. Fast 90 Prozent erlauben Angestellten, an manchen Tagen zu Hause zu arbeiten. In zwei von drei Konzernen gibt es Pendler-Netzwerke für Fahrgemeinschaften, Firmen-Bahncards oder Jobtickets. Und dennoch verschließen die Unternehmen vor der Brisanz des Themas letztlich die Augen. Auf die Frage, wie viele Mitarbeiter zum Job wohl mehr als 50 Kilometer zurücklegen, antwortete überhaupt nur jedes vierte Unternehmen – und dann nur mit groben Schätzungen. Die Allianz mutmaßt, dass fast jeder dritte Mitarbeiter in der Münchner Zentrale täglich aus der Ferne anreist. BMW schätzt den Anteil auf 25 Prozent. Die Deutsche Börse, BASF und Rückversicherer Munich Re rechnen an ihren Hauptsitzen mit rund zehn Prozent. 18 Dax-Unternehmen ist der Wohnort ihrer Mitarbeiter egal, zwei Konzerne bevorzugten das Domizil am Arbeitsort.
Die fünf Branchen mit dem höchsten Anteil an Pendlern
Industrieller Anlagenbau
Verarbeitende Industrie
Chemie-, Pharma- und Bio-Industrie
Technikbranche
Agrarwirtschaft
„Pendeln muss nicht automatisch ein Karrierekiller sein. Es kann helfen, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bringen“, heißt es bei Infineon. „Es kann aber für Mitarbeiter auch zur Belastung werden.“
Die meisten anderen von der WirtschaftsWoche befragten Unternehmen blocken Nachfragen zum Thema Pendeln ab. Zu groß ist offenbar die Angst, in Zeiten knapper Fachkräfte in ein schlechtes Licht zu geraten oder sich juristisch angreifbar zu machen. Laut Arbeitsrecht darf ein Unternehmen seinen Mitarbeitern den Wohnort nämlich nicht vorschreiben, sagt der Bremer Anwalt Alexander von Saenger. Es sei denn, die Nähe zum Arbeitsplatz ist wie etwa bei Ärzten von unmittelbarer Bedeutung für den Job.
Karrierekiller Pendeln
„Die meisten Unternehmen wissen nicht, welche ihrer Mitarbeiter fernpendeln“, sagt Soziologe Schneider. „Viele Pendler verschweigen ihre Situation auch bewusst. Sie fürchten, als weniger leistungsfähig zu gelten.“ Der Frankfurter Personalberater Michael Faller von der Frankfurter Unternehmensberatung Baumann AG hält das für alarmierend: „Die Arbeitgeber sind nicht ausreichend sensibilisiert. Sie erwarten Mobilität, wissen aber nicht, wie ihre Mitarbeiter das bewerkstelligen.“