Alles so schön bunt hier: wir arbeiten in der Hängematte mit dem Smartphone, überall nur flache Hierarchien. Alle sind fröhlich (das hat der Feelgood-Manager so angeordnet). Beim „Neuen Arbeiten“, „New Work“ im Personalersprech, geht es nicht mehr nur darum, täglich seine acht bis zehn Stunden abzureißen, um die Miete bezahlen zu können. Nein, es geht um den Menschen, seine Individualität, seine Ideen, sein Wohlbefinden, seine Selbstverwirklichung. Das „S“ in dem Wort Arbeit steht schließlich für Spaß.
Arbeit 4.0 ist ein fiktiver Begriff
Die Idee, die sich hinter „New Work“ verbirgt, ist nicht neu: Philosoph Frithjof Bergmann hat den Begriff bereits in den 1980er Jahren geprägt. Er sprach davon, dass Arbeiten kein langweiliger „Nine-to-Five-Job“ sein dürfe, sondern sinnstiftend sein müsse. Die Personaler-, Berater- und Coach-Welt tanzt also seit gut zwei Jahren aufgeregt um eine mehr als 30 Jahre alte Idee.
So stellen Sie fest, ob die Arbeitsqualität stimmt
Können die Beschäftigten Einfluss auf die Arbeitsmenge nehmen?
Ist es ihnen möglich, die Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu beeinflussen?
Können sie ihre Arbeit selbstständig planen?
Quelle: Gute-Arbeit-Index 2015
Bietet der Betrieb berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten?
Können die Beschäftigten eigene Ideen in ihre Arbeit einbringen? Ihr Wissen und Können weiterentwickeln?
Haben Sie Aufstiegschancen?
Gibt es Wertschätzung durch Vorgesetzte? Hilfe von Kolleginnen?
Ein offenes Meinungsklima? Wird rechtzeitig informiert? Planen die Vorgesetzten gut?
Wird Kollegialität gefördert?
Haben die Beschäftigten den Eindruck, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten? Einen wichtigen Beitrag für den Betrieb?
Identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit?
Wird am Wochenende gearbeitet? In den Abendstunden? In der Nacht?
Wird von den Beschäftigten erwartet, ständig für die Arbeit erreichbar zu sein?
Leisten sie auch unbezahlte Arbeit für den Betrieb?
Sind die Beschäftigten respektloser Behandlung ausgesetzt?
Müssen sie ihre Gefühle bei der Arbeit verbergen?
Kommt es zu Konflikten oder Streitigkeiten mit Kund/innen, Patient/innen, Klient/innen?
Muss in ungünstigen Körperhaltungen gearbeitet werden? Bei Kälte, Nässe, Zugluft?
Müssen die Beschäftigten körperlich schwer arbeiten?
Sind sie bei der Arbeit Lärm ausgesetzt?
Widersprüchliche Anforderungen und Arbeitsintensität?
Gibt es Arbeitshetze? Unterbrechungen des Arbeitsflusses? Schwer zu vereinbarende Anforderungen?
Werden alle arbeitswichtigen Informationen geliefert?
Müssen Abstriche bei der Qualität der Arbeitsausführung gemacht werden?
Wird die Arbeit leistungsgerecht bezahlt?
Hat das Einkommen ein Niveau, dass sich davon leben lässt?
Wird die Rente, die sich aus der Erwerbstätigkeit ergibt, später zum Leben reichen?
Gibt es ausreichend Angebote zur Altersvorsorge im Betrieb?
Werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung offeriert?
Werden Sozialleistungen geboten, z.B. Kinderbetreuung, Fahrtkosten- oder Essenszuschüsse?
Beschäftigungssicherheit / Berufliche Zukunftssicherung?
Sind die Beschäftigten in Sorge, dass ihr Arbeitsplatz durch technische Veränderungen oder Umstrukturierungen überflüssig wird?
Machen sie sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft? Um den Arbeitsplatz?
Stefan Kühl, Soziologe und Professor an der Universität Bielefeld, hält auch nicht viel von dem Mode-Arbeitsbegriff: „Arbeit 4.0 ist ein völlig fiktiver Begriff“, sagte er bei der Messe Zukunft Personal, die sich ausgerechnet das Thema Arbeiten 4.0 zum Motto gewählt hatte. „So viele neue Trends sind bei der Arbeit 4.0 nicht dabei“, sagt er. „IT-Vernetzung war beispielsweise schon in den 1980er Jahren ein Thema.“
New Work ist wie die Rückkehr der Jeans mit den zerschnittenen Knien
Das Problem, dass neue Technologien bestimmten Berufen den Garaus machen, gibt es vermutlich auch schon seit Erfindung des Rades. Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) an der Hochschule Ludwigshafen, ergänzt: „Seit den 80er Jahren geht es um Produktionstiefe, Lean-Management, Verschlankung, Auslagerung. Das ist also auch alles nicht neu.“
Die gute alte Tele-Arbeit, die beispielsweise BMW mit dem Ziel von Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben einführte, heißt mittlerweile Home-Office. Die erwähnte Vereinbarkeit nennt sich Work-Life-Balance. BMW hat seinen Tele-Mitarbeitern damals dafür übrigens PCs, Faxgeräte und Festnetz-Telefonanschlüsse zu Hause installiert. Davon ist heute so manches Unternehmen, das Home-Office anbietet, noch meilenweit entfernt.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Flexible Arbeitsmodelle eignen sich nicht für alle Aufgaben. Firmen müssen deshalb klare Regeln für den Rahmen für die Nutzung (wer kann flexibel arbeiten) und die Umsetzung (Anwesenheitspflichten, Arbeitsumfang, Verfügbarkeit) vorgeben. Gallup hat in verschiedenen Studien herausgefunden, dass gerade Mitarbeiter im Home-Office häufig nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen Führungskräfte ihre Erwartungen und die Aufgaben besonders deutlich formulieren.
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Die Ausschöpfung des vollen Leistungspotenzials hängt stark von der Motivation und persönlichen Stärken ab. Für Personen, die ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben, ist die Arbeit im Home-Office nicht ideal. Ein häufiger Fehler ist, flexible Arbeitsmodelle als „Belohnung“ für besondere Leistungen einzusetzen. Das schafft falsche Anreize. Daher sollte aufgrund der Stärken oder Arbeitsweisen des einzelnen Mitarbeiters entschieden werden, ob dieser Home-Office oder mobiles Arbeiten nutzen kann und darf.
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und „loslassen“ können.
Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Schafft ein Mitarbeiter seine Arbeit zu Hause schneller als im Büro, sollte sich die Führungskraft darüber freuen – und nicht aus Prinzip auf das Erfüllen von Zeitkontingenten bestehen. Generell sollte eine Führungskraft den Rahmen für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schaffen, sich selbst einbringen zu können.
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Jeder Mensch entwickelt seine eigene Arbeitsweise. Gleiches gilt für die Zeitplanung bei flexiblen Arbeitsmodellen. Starre Zeitkorsetts demotivieren und behindern eine produktive Arbeitseinteilung. Der Mitarbeiter muss an seinen Leistungen gemessen werden. Dies erfordert ein grundlegendes Performance Management im Unternehmen, das Leistungen objektiv definiert und misst.
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Bei Heimarbeitern sollte das Feedback bewusster und regelmäßiger erfolgen als bei den Kollegen vor Ort. Wenn Führungskräfte ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen, deren Arbeit regelmäßig bewerten und über die persönliche Weiterentwicklung sprechen, können sie die Mitarbeiter auch über große Distanzen hinweg binden.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Das gilt insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Wenn der Mitarbeiter spätabends noch E-Mails schreibt, ist er dann überlastet? Oder ist das nur sein persönlicher Arbeitsstil? Um diese Frage zu beantworten, müssen sich Führungskräfte auch für den Mitarbeiter als Menschen interessieren und dessen Stärken, Routinen und familiäres Umfeld kennen. Gallup hat über 10 Millionen Menschen weltweit zum Thema »Mein Vorgesetzter/ Meine Vorgesetzte oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich als Mensch« befragt. Personen, die diesem Satz zustimmen, bleiben häufiger in ihrem Unternehmen, haben mehr emotional gebundene Kunden, sind erheblich produktiver und erwirtschaften mehr Gewinn.
Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Für ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Aufgaben ist ein enger Austausch im Team notwendig. Auch und gerade bei flexiblen Arbeitsmodellen. Häufig sorgen jedoch schwierige Terminabstimmungen oder ungenügende Kommunikationswege für Reibung. Regelmäßige Statusmeetings ermöglichen allen Beteiligten, Projektstände auszutauschen, Ideen vorzustellen, Aufgaben zu besprechen und frühzeitig Schwächen aufzuzeigen.
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen – und so das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Der Mensch benötigt täglich 6 Stunden soziale Interaktion, um sich wohl zu fühlen und gesund zu bleiben. Wenn Kollegen und Vorgesetzte sich auch über das Berufliche hinaus schätzen, entsteht ein positives Arbeitsumfeld und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen sind regelmäßige persönliche Treffen unverzichtbar.
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Die Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Informationstechnologien und Arbeitsmodelle stark verändert. Doch noch immer gilt: Mitarbeiter brauchen eine Arbeitsumgebung, in der sie produktiv arbeiten können, in der sie sich wohlfühlen und willkommen sind. Das gilt ebenso für flexible Arbeitsmodelle. Maximale Flexibilität bedeutet auch, dass ein Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatz z.B. im Home-Office auch Zugriff auf einen Arbeitsplatz im Team hat. Wie dieser gestaltet ist (z.B. durch Tablesharing oder Rollcontainer) muss vorab geklärt sein und dem Bedarf angepasst sein.
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur und den Unternehmenszielen vereinbar sind.
Mitarbeiter, die der Aussage zustimmen „Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist“, sind produktiver und bleiben ihrem Unternehmen länger treu. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmenskultur und flexible Arbeitsmodelle aneinander angepasst werden: In Unternehmen, in denen ein Kontrollzwang herrscht, werden Home-Office und mobiles Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Und wer von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Flexibilität spricht, muss dies auch in der Praxis einlösen.
Auch Rump arbeitet seit 15 Jahren immer und überall, sie nennt ihren Rollkoffer ihr Büro. Kühl vergleicht sie die Arbeitswelt deshalb mit der Modebranche: Bei beiden gäbe es Wellenbewegungen. „Nur vergisst man immer wieder, welche Effekte es gab.“
Trotzdem heißt es überall, dass sich unsere Arbeitswelt in einem rasanten Wandel befindet. Entsprechend wird sowohl in Unternehmen, Medien als auch in der Politik darüber diskutiert, wie wir in Zukunft arbeiten wollen. Und in vielen Bereichen gibt es tatsächlich Veränderungen. Nur ein Umbruch bedeuten diese eben nicht. „Die Diskussion um New Work ist Evolution, nicht Revolution. Das ist einfach die Wirtschaftsform, die wir uns ausgesucht haben“, sagt Stefan Ries, Personalchef bei SAP.
Nur die wenigsten Neuerungen sind gut
Richtig ist, dass technische Innovationen unsere Arbeit sehr viel schneller und auch leichter machen. Christian Montag, Heisenberg-Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm, hat mehr als 2.000 Personen bei ihrem Medienverhalten am Arbeitsplatz getrackt und dabei herausgefunden, dass uns die Geräte, die wir nutzen, deutlich produktiver machen. „Wir können schneller kommunizieren und Dinge vergleichen“, sagt er auf der Messe Zukunft Personal. Aber: „Es gibt einen Scheitelpunkt, ab dem eine zu intensive Nutzung in Unproduktivität umkippt.“
Mitarbeiter würden zu oft unterbrochen – und zwar nicht nur durch E-Mails. Knapp drei Stunden am Tag, alle 18 Minuten, nutzten Arbeitnehmer ihre mobilen Geräte. 20 Prozent dieser Zeit verbrächten sie mit Whats-App, zehn Prozent mit Facebook.
Flache Hierarchien sorgen für Machtkämpfe
Auch beim Führungsstil gibt es Änderungen, die positive und negative Seiten haben: Mitarbeiter sind nicht mehr nur die Hamster im Rädchen, sie sind geschätzter Teil des Ganzen. Oder wie Wolfgang Brnjak, Leiter der Abteilung Compensation, Benefits & Pension Services bei der Deutschen Telekom, sagte: „Von uns wird erwartet, dass wir die Mitarbeiter einbinden. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie etwas mitgestalten, kommen sie gern zur Arbeit.“ Neue Mitarbeiter brauchten eben auch neue Vorgesetzte und einen neuen Führungsstil.
Was gute Führung ausmacht
Laut einer Umfrage der "Initiative Neue Qualität der Arbeit" unter 400 Führungskräften sind Flexibilität und Diversität sind weitgehend akzeptierte Erfolgsfaktoren. Das Arbeiten in beweglichen Führungsstrukturen, mit individueller Zeiteinteilung und in wechselnden Teamkonstellationen ist aus Sicht der meisten Führungskräfte bereits auf einem guten Weg. Die Idee der Förderung von Unterschiedlichkeit ist demnach in den Unternehmen angekommen und wird umgesetzt. Die Beiträge zur Führungskultur gerade aus weiblichen Erfahrungswelten werden äußerst positiv bewertet.
Prozesskompetenz ist für alle das aktuell wichtigste Entwicklungsziel. 100 Prozent der interviewten Führungskräfte halten die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse für eine Schlüsselkompetenz. Angesichts instabiler Marktdynamik, abnehmender Vorhersagbarkeit und überraschender Hypes erscheint ein schrittweises Vortasten Erfolg versprechender als die Ausrichtung des Handelns an Planungen, deren Verfallsdatum ungewiss ist.
Selbst organisierende Netzwerke sind das favorisierte Zukunftsmodell. Die meisten Führungskräfte sind sich sicher, dass die Organisation in Netzwerkstrukturen am besten geeignet ist, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen. Mit der kollektiven Intelligenz selbst organisierender Netzwerke verbinden diese Führungskräfte die Hoffnung auf mehr kreative Impulse, höhere Innovationskraft, Beschleunigung der Prozesse und Verringerung von Komplexität.
Hierarchisch steuerndem Management wird mehrheitlich eine Absage erteilt. Die meisten Führungskräfte stimmen darin überein, dass Steuerung und Regelung angesichts der Komplexität und Dynamik der zukünftigen Arbeitswelt nicht mehr angemessen sind. Zunehmende Volatilität und abnehmende Planbarkeit verringern die Tauglichkeit ergebnissichernder Managementwerkzeuge wie Zielemanagement und Controlling. Überwiegend wird die klassische Linienhierarchie klar abgelehnt und geradezu zum Gegenentwurf von „guter Führung“ stilisiert.
Kooperationsfähigkeit hat Vorrang vor alleiniger Renditefixierung. Über die Hälfte der interviewten Führungskräfte geht davon aus, dass traditionelle Wettbewerbsstrategien die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben und das Prinzip Kooperation weiter an Bedeutung gewinnt. Nur noch 29,25 Prozent der Führungskräfte präferieren ein effizienzorientiertes und auf die Maximierung von Profiten ausgerichtetes Management als ihr persönliches Idealmodell von Führung.
Persönliches Coaching ist ein unverzichtbares Werkzeug für Führung. Mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation schwindet der selbstverständliche Schonraum hierarchischer Strukturen. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen über Anweisung werde immer schwieriger oder sei gar nicht mehr möglich. Mächtig ist nur, was auf Resonanz trifft. Einfühlungsvermögen und Einsichtsfähigkeit werden dadurch immer wichtiger. Alle Akteure, ob nun Führungskraft oder geführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bräuchten im Unternehmen mehr Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung.
Motivation wird an Selbstbestimmung und Wertschätzung gekoppelt. Die Führungskräfte gehen davon aus, dass die motivierende Wirkung von Gehalt und anderen materiellen Anreizen tendenziell abnimmt. Persönliches Engagement wird mehr mit Wertschätzung, Entscheidungsfreiräumen und Eigenverantwortung assoziiert. Autonomie werde wichtiger als Statussymbole und der wahrgenommene Sinnzusammenhang einer Tätigkeit bestimme den Grad der Einsatzbereitschaft.
Gesellschaftliche Themen rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. In der intuitiven Schwerpunktsetzung der Führungskräfte nimmt die Stakeholder-Perspektive des Ausgleichs der Ansprüche und Interessen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einen wachsenden Raum ein. Über 15 Prozent aller frei genannten Beschreibungen im Führungskontext beschäftigen sich mit Fragen der gesellschaftlichen Solidarität und der sozialen Verantwortung von Unternehmen.
Das Stichwort in dieser Diskussion: „Flache Hierarchien“. Keiner ist so richtig Chef, alle sind gleichberechtigt, jeder bekommt Verantwortung für sein Tun und niemand verteilt herrisch Dienstanweisungen. Das fordere vor allem die junge Generation. Zumindest, so lange alles nach Plan läuft. „Wenn Prozesse schief laufen und Fehler gemacht werden, dann ist es oftmals mit der Verantwortung nicht mehr so weit her“, erzählte Diplom-Psychologe Thomas Moldzio.
Kühl sagt, dass beispielsweise Start-ups flache Hierarchien brauchen, „um Mitarbeiter bei Laune zu halten“, da in der Anfangsphase eines Unternehmens in der Regel die Gehälter nicht so üppig sind. Man müsse sich jedoch immer im Klaren sein, dass eine weniger Hierarchien zu mehr Machtkämpfen führen, so der Soziologe.
Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten
Je mehr ein Mensch mit einem anderen zu tun hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie aneinander geraten. Entsprechend gaben 37 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage "Streit - erfolgreich oder folgenreich" der IHK Frankfurt an, sich häufig mit Kollegen beziehungsweise Mitarbeitern zu streiten.
Mehr als ein Drittel gab an, sich häufig mit Führungskräften zu streiten.
Ein Viertel sagte, dass sie häufig mit der Geschäftsleitung aneinander geraten.
23 Prozent streiten sich häufig mit Kunden.
Bei 14 Prozent sind Zulieferer ein häufiger Streitgrund und -partner.
Elf Prozent streiten sich häufig mit Behörden, mit denen sie beruflich zu tun haben.
Jeweils sieben Prozent gaben an, sich mit Gesellschaftern beziehungsweise Kooperationspartnern in die Haare zu kriegen.
Nur drei Prozent geraten häufig mit Kapitalgebern und Banken aneinander.
Außerdem sei auch in einem Unternehmen mit flachen Hierarchien allen klar, an wen man sich halten muss, um mehr Geld oder Prestige zu bekommen. So werde selbst ohne sichtbare Abgrenzungen nach oben gebuckelt und nach unten getreten.
Grenzen der Mobilität
Ob es nun neu ist oder nicht – die Vorteile des mobilen Arbeitens liegen auf der Hand: So sagt beispielsweise Brnjak, dass es bei der Telekom um gute Arbeitsergebnisse gehe – sonst nichts. „Dafür müssen Mitarbeiter nicht immer am Schreibtisch sitzen.“
Dem stimmt auch Nurten Erdogan bei der Messe Zukunft Personal zu. Sie ist Managing Director und verantwortlich für den Bereich Mergers & Acquisitions – also Transaktionen, Fusionen und Firmenübernahmen bei der Commerzbank. “Ich verhandele viel. Das kann ich per Videokonferenz zwischen Frankfurt und New York machen, das kann ich am Telefon machen. Da spielt es doch keine Rolle, ob ich das im Büro oder zu Hause mache“, so Erdogan. „Ich bin dann zwar nicht im Büro, aber ich arbeite doch.“
Zwar gebe es noch den sozialen Druck und das Klischee, dass Leute, die nicht zwölf Stunden oder mehr im Büro sitzen, nicht produktiv sein können, wie Cristina Riesen, Europachefin des virtuellen Notizbuchs Evernote, erzählt. Aber: „Manager sehen schnell, ob die Arbeit liegen bleibt.“ Insofern setzt sich das flexible Arbeiten in immer mehr Betrieben durch. Auch, weil immer mehr, gerade junge Mitarbeiter diese Flexibilität einfordern. „Du kannst nicht darauf warten, dass dein Chef dich fragt, ob du mehr Zeit mit deinen Kindern verbringen willst“, sagt Riesen. Mitarbeiter müssten ihren Vorgesetzten deshalb klar sagen, was sie brauchen.
Welche Arbeitszeitmodelle deutsche Unternehmen Familien anbieten
Die Teilzeit ist bei deutschen Firmen das beliebteste Arbeitszeitmodell, immerhin 79,2 % aller Unternehmen bieten sie ihren Angestellten an.
Das zweitbeliebteste Arbeitszeitmodell deutscher Unternehmen sind mit 72,8 % Individuelle Arbeitszeiten.
Die Flexible Tages- oder Wochenarbeitszeit bieten 70,2 % der deutschen Unternehmen an.
46,2 % der Firmen führen keine Arbeitszeitkontrolle durch, wenn ihre Angestellten familienbedingt kürzer treten müssen.
Nur 28,3 % der deutschen Unternehmen räumen ihren Mitarbeitern eine Flexible Jahres- oder Lebensarbeitszeit ein.
Gerade einmal 21,9 % der deutschen Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der Telearbeit an.
Mit 20,4 % ist das Arbeitszeitmodell des Jobsharings in Deutschland äußerst begrenzt.
Ein Sabbatical kommt nur bei 16,1 % der deutschen Unternehmen als Arbeitszeitmodell in Frage.
Doch auch das Büro-Nomadentum hat seine Schattenseiten, wie Betriebswirtin Rump aus eigener Erfahrung weiß: “Es ist schwierig, neue Kollegen anzulernen, wenn alle überall sind, nur nicht im Büro. Und es ist schwierig, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, wenn alle überall sind, nur nicht im Büro.” Damit das klappt, brauche es eine ganze Menge Selbstdisziplin und Selbstmanagement. “Hätte ich noch einmal die Wahl, ich würde es anders machen”, sagt sie. “Die Nachteile sind doch ziemlich heftig.” Sie ist mittlerweile für eine Mischform aus Anwesenheit und mobiler Arbeit. Und auch Ries von SAP betont: „Es braucht Anlaufstellen, Kümmerer, an die man sich wenden kann, auch wenn der Chef nicht erreichbar ist. Alle Generationen brauchen das, auch die Generation Y.“
Natürlich ist es wichtig, dass Unternehmen auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen und dass sie ihre Angestellten nicht als unmündige Kinder verstehen, über die sie bestimmen können. Genauso wenig sollten Arbeitnehmer in ihrem Vorgesetzten beziehungsweise dem Unternehmen den besten Freund und Förderer sehen. Und wir sollten uns darüber klar sein, dass es natürlich in Zukunft auch die uns versprochenen Massagesessel, Smoothies, Feelgood-Manager und hippen Bürolandschaften für glückliche, erfolgreiche, flexible Mitarbeiter mit dickem Konto geben wird.
Aber daneben wird es eben auch noch zahlreiche weitere Arbeitsrealitäten geben – abhängig von Bildungsgrad, Branche und Position. Und vermutlich wird New Work in diesen Welten – Stichwort gewerblicher Arbeitsmarkt – genauso wenig chic und flauschig sein, wie in den vergangenen 30 Jahren.