Motivation So wollen wir arbeiten

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"Anhänglichkeitsmuster"

Was Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern motiviert
ChinaFür den chinesischen Mitarbeiter gibt es nichts motivierenderes als einen kompetenten Chef. Erst danach folgen ein gutes Grundgehalt und Sozialleistungen auf den Rängen zwei und drei. Quelle: Studie von Marsh & McLennan Quelle: dapd
Weitaus weniger wichtig ist der Belegschaft im Reich der Mitte eine Arbeit, die Werte schafft. Dieser Punkt landet auf dem letzten Platz. Ebenso gering geschätzt werden Zeit für Privatleben (Platz 9) und, ob die Arbeit interessant ist (Platz 8). Im Mittelfeld der motivierenden Aspekte landen Respekt (4), Boni (5), kurzfristige Beförderungen (6) und schließlich die langfristige Karriere (7). Damit unterscheidet sich das Motivationsschema fundamental von dem eines deutschen Mitarbeiters. Quelle: AP
DeutschlandHierzulande wollen Mitarbeiter vor allem Respekt für sich und ihre Arbeit, dicht gefolgt von Zeit für Privatleben und einer interessanten Arbeit. Diese drei Punkte motivieren die deutschen Angestellten am meisten. Quelle: dapd
Am wenigsten zu mehr Leistung treibt Deutsche die langfristige Karriere an, Boni wirken ebenfalls nur begrenzt motivierend (Platz 9). Auch Sozialleistungen sind weit weniger motivationsfördernd als das Grundgehalt (4), kompetente Chefs (5), flexible Arbeitszeiten (6) und eine Arbeit, die Werte schafft (7). Quelle: dpa
FrankreichIm Nachbarland Frankreich sind die Angestellten ähnlich gestrickt. Respekt, Zeit fürs Private und eine interessante Arbeit motivieren die Franzosen am meisten. Mit flexiblen Arbeitszeiten, die den Deutschen doch einigermaßen wichtig sind, und Sozialleistungen kann man unsere Nachbarn dagegen nicht locken. Quelle: REUTERS
Was Franzosen hingegen noch als halbwegs motivierend empfinden, sind kompetente Chefs (Platz 4), Grundgehalt (5), Arbeit, die Werte schafft (6) und die langfristige Karriere. Quelle: dapd
USAAm meisten Motivation stiften für die amerikanischen Arbeitnehmer Respekt gegenüber ihrem Job, kompetente Chefs - dieser Faktor landet bei den Deutschen nur auf Platz 5 - und Zeit für das Privatleben, was wiederum den Chinesen nicht wichtig ist. Quelle: REUTERS

Die Demotivierten setzen ihre Chefs bisweilen gehörig unter Druck, sagt Thorsten Kienast. Der Mediziner leitet die Max Grundig Klinik im baden-württembergischen Bühl. Das Privatsanatorium, diskret im Grünen gelegen, ist ein Refugium für jene Führungskräfte, die zusammenbrechen und Ängste und Depressionen entwickeln. Einige haben sich aufgerieben im Versuch, zwischen Job und eigener Familie zu jonglieren. Andere aber verzweifeln an ihren Mitarbeitern. In der Regel geht es um Hoffnungen und Ideale, die Mitarbeiter in ihre Vorgesetzten hineinprojizieren. Der Chef als Superstar? Das muss schiefgehen.

Manfred Kets de Vries, Psychoanalytiker und Professor an der Wirtschaftsschule Insead, bestätigt die Gefahr. "Vorgesetzte können eine Art emotionale Müllhalde werden für die unerfüllten Wünsche ihrer Mitarbeiter", sagt er. Was auf sie projiziert werde, habe oft mit frühkindlichen Prägungen zu tun. "All unsere Beziehungen sind gefärbt durch frühere Bindungen", sagt Kets de Vries. Und die erste im Leben ist die zu den Eltern. Der Forscher unterscheidet drei "Anhänglichkeitsmuster": Die "sichere Anhänglichkeit" wird ausgelöst durch anwesende und fürsorgliche Eltern, die ihre Kinder zu vertrauensvollen Menschen erzogen haben, die dann auch als Erwachsene gesunde Bindungen eingehen. Daneben gibt es die "ängstlich-ambivalente Anhänglichkeit", die aus nicht gewährter Nähe zu den Eltern resultiert. Diese Kinder würden später im Job alles tun, um ihren Vorgesetzten nahe zu sein. Das seien jene Typen, die dem Chef den Koffer hinterhertragen. Die dritte Gruppe lebt "vermiedene Anhänglichkeit" aus – sie besteht aus denen, die jegliche Sehnsucht nach Nähe unterdrücken. Für ein Unternehmen sind die Beziehungsunfähigen ein Risiko, weil sie sich nicht führen lassen. Aber wenn sie selbstbestimmt ihre Arbeit tun dürfen, können sie sich zum unbezahlbaren Aktivposten mausern.

Gelassen und nachsichtig müssen Chefs sein. Und realistisch. In Beziehungen erkennen Partner früher oder später, dass ihr Gegenüber nicht so ist, wie es in der ersten Verliebtheit schien. Ob trotzdem eine tiefe Bindung entsteht, hängt davon ab, ob die Partner sich arrangieren und akzeptieren. Der Heidelberger Paartherapeut Arnold Retzer spricht von einem Zustand "resignativer Reife" und lobt die Vernunftehe. Man müsse erkennen und annehmen, was man am anderen hat.

Ähnlich sieht das die Karriereberaterin Madeleine Leitner aus München. "Ich hatte schon Klienten, die überzeugt waren, dass sie den allerletzten Job hätten und unbedingt etwas anderes machen wollten", sagt sie. Erst beim Vergleich mit anderen hätten sie festgestellt: Ich hab ja einen tollen Job.

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