Die Demotivierten setzen ihre Chefs bisweilen gehörig unter Druck, sagt Thorsten Kienast. Der Mediziner leitet die Max Grundig Klinik im baden-württembergischen Bühl. Das Privatsanatorium, diskret im Grünen gelegen, ist ein Refugium für jene Führungskräfte, die zusammenbrechen und Ängste und Depressionen entwickeln. Einige haben sich aufgerieben im Versuch, zwischen Job und eigener Familie zu jonglieren. Andere aber verzweifeln an ihren Mitarbeitern. In der Regel geht es um Hoffnungen und Ideale, die Mitarbeiter in ihre Vorgesetzten hineinprojizieren. Der Chef als Superstar? Das muss schiefgehen.
Manfred Kets de Vries, Psychoanalytiker und Professor an der Wirtschaftsschule Insead, bestätigt die Gefahr. "Vorgesetzte können eine Art emotionale Müllhalde werden für die unerfüllten Wünsche ihrer Mitarbeiter", sagt er. Was auf sie projiziert werde, habe oft mit frühkindlichen Prägungen zu tun. "All unsere Beziehungen sind gefärbt durch frühere Bindungen", sagt Kets de Vries. Und die erste im Leben ist die zu den Eltern. Der Forscher unterscheidet drei "Anhänglichkeitsmuster": Die "sichere Anhänglichkeit" wird ausgelöst durch anwesende und fürsorgliche Eltern, die ihre Kinder zu vertrauensvollen Menschen erzogen haben, die dann auch als Erwachsene gesunde Bindungen eingehen. Daneben gibt es die "ängstlich-ambivalente Anhänglichkeit", die aus nicht gewährter Nähe zu den Eltern resultiert. Diese Kinder würden später im Job alles tun, um ihren Vorgesetzten nahe zu sein. Das seien jene Typen, die dem Chef den Koffer hinterhertragen. Die dritte Gruppe lebt "vermiedene Anhänglichkeit" aus – sie besteht aus denen, die jegliche Sehnsucht nach Nähe unterdrücken. Für ein Unternehmen sind die Beziehungsunfähigen ein Risiko, weil sie sich nicht führen lassen. Aber wenn sie selbstbestimmt ihre Arbeit tun dürfen, können sie sich zum unbezahlbaren Aktivposten mausern.
Gelassen und nachsichtig müssen Chefs sein. Und realistisch. In Beziehungen erkennen Partner früher oder später, dass ihr Gegenüber nicht so ist, wie es in der ersten Verliebtheit schien. Ob trotzdem eine tiefe Bindung entsteht, hängt davon ab, ob die Partner sich arrangieren und akzeptieren. Der Heidelberger Paartherapeut Arnold Retzer spricht von einem Zustand "resignativer Reife" und lobt die Vernunftehe. Man müsse erkennen und annehmen, was man am anderen hat.
Ähnlich sieht das die Karriereberaterin Madeleine Leitner aus München. "Ich hatte schon Klienten, die überzeugt waren, dass sie den allerletzten Job hätten und unbedingt etwas anderes machen wollten", sagt sie. Erst beim Vergleich mit anderen hätten sie festgestellt: Ich hab ja einen tollen Job.