Motivation So wollen wir arbeiten

Zwei Drittel der Deutschen erledigen ihren Job lustlos, und jeder Sechste hat innerlich gekündigt. Luxusprobleme? Oder Symptom einer Entwicklung, die Firmen jetzt erst begreifen?

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Gestern noch im Motivationsrausch, erledigen 67 Prozent der Beschäftigten hierzulande nur noch Dienst nach Vorschrift.

Am Anfang ist alles rosig. Man kann vom anderen nicht genug bekommen, verbringt viele Nächte miteinander und kommt kaum zum Schlafen. Also beschließt man, dauerhaft zusammenzubleiben. Bis man eines Tages beginnt, sich beim anderen über Kleinigkeiten zu ärgern und sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Irgendwann hat man sich auseinandergelebt, fühlt sich vernachlässigt, macht einander Vorwürfe. So kann’s gehen in der Liebe – und auch im Job.

Untersucht man die Beziehungen der Deutschen zu ihrem Arbeitgeber, bekommt man schnell den Eindruck, es mit frustrierten Eheleuten zu tun zu haben. Wer gestern noch über Nacht im Motivationsrausch eine Präsentation fertig machte, erfasst heute minutengenau seine Überstunden. Immerhin 67 Prozent der Beschäftigten machen hierzulande nur noch Dienst nach Vorschrift, sind also kaum bei der Sache. Jeder sechste hat innerlich sogar gekündigt. Demgegenüber geben nur 16 Prozent an, sich ihrem Arbeitgeber stark verbunden zu fühlen – und sich deshalb für ihn ins Zeug zu legen. Das geht aus den Daten hervor, welche die Unternehmensberatung Gallup zu Wochenbeginn vorgestellt hat.

Welche Berufe glücklich machen
die glücklichsten Menschen arbeiten in Hamburg Quelle: dpa
Die Jobsuchmaschine Indeed hat sich der Zufriedenheit deutscher Arbeitnehmer angenommen und nachgefragt, wer mit seinem Job besonders zufrieden ist. Die glücklichsten Berufe in Deutschland sind demnach eine bunte Mischung aus allen Ausbildungswegen und Hierarchiestufen. So gehören zu den Top 20 der zufriedensten Berufe viele traditionelle Handwerksberufe wie Maurer, Tischler oder Elektriker. Zufrieden sind allerdings auch - entgegen aller Klischees - Lehrer und Krankenschwestern. An der Spitze der Liste stehen Trainer, studentische Hilfskräfte und, wenig überraschend, Geschäftsführer. Laut dem Meinungsforschungsinstituts YouGov sind allgemein nur sieben Prozent der Deutschen wirklich unzufrieden mit ihrem Job, 75 Prozent der Arbeitnehmer macht ihre Arbeit mehrheitlich Spaß. Damit sie sich im Beruf wohl fühlen, brauchen 27 Prozent der Beschäftigten neue Herausforderungen, für 18 Prozent ist ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag wichtig, für 15 Prozent bessere Gehaltsaussichten. Immerhin 14 Prozent wollen „etwas Sinnvolles“ für die Gesellschaft tun. Die folgenden Berufe erfüllen diese Kriterien - und machen glücklich. Quelle: Fotolia
Gärtner und Floristen sind zu 87 Prozent glücklich. "Ich arbeite in einer Umgebung, die ich mag, und tue etwas lohnendes und sinnvolles", gaben sogar 89 Prozent von ihnen an. Quelle: Fotolia
Jemand frisiert einen Puppenkopf Quelle: dpa
Männer arbeiten an Toiletten. Quelle: AP
Die ersten Nicht-Handwerker in der Glücksrangliste sind ausgerechnet Marketing- und PR-Leute (75 Prozent). Die Wahrheit steht offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Glück. Quelle: Fotolia
Jemand hält einen Glaskolben mit einer Flüssigkeit darin. Quelle: AP

Die aktuellen Zahlen sind zwar besser als die vom Vorjahr – aber noch immer alles andere als gut. Weitere Untersuchungen untermauern diesen Eindruck: Im Vergleich mit sechs anderen europäischen Ländern fühlen sich die Deutschen am Arbeitsplatz am wenigsten glücklich. Dies hat eine Umfrage der Online-Jobbörse Stepstone ergeben. Den neuesten Zahlen der Personalberatung Kienbaum zufolge rangiert Deutschland im weltweiten Vergleich der Zufriedenheit am Arbeitsplatz bloß im unteren Mittelfeld. Die Gewerkschaften haben in Umfragen besonders miese Stimmung im Job ermittelt – wobei sie bei diesem Thema ebenso interessengeleitet sind wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, das im Gegensatz dazu hohe Zufriedenheitswerte festgestellt hat. Die Untersuchungen mit negativen Ergebnissen sind jedoch klar in der Überzahl. Es läuft also etwas schief am Arbeitsplatz.

Objektiv gesehen geht es den Deutschen prima im Job. Arbeitslosigkeit ist kein großes Thema mehr, die meisten Angestellten halten ihren Arbeitsplatz für sicher. Doch aufs gefühlte Wohlbefinden scheint das kaum Einfluss zu haben. Die Daten von Kienbaum belegen sogar, dass die Zufriedenheit ausgerechnet im öffentlichen Dienst am geringsten ist. Trotz Jobgarantie, geregelter Arbeitszeiten und fester Karriereverläufe.

Wie ist es zu dem großen Frust gekommen – und was tut man dagegen?

Unzählige Reports kennen nur einen Schuldigen: den Chef, der seinen Mitarbeitern die nötige Achtung verweigert, ihnen nichts zutraut und die Früchte ihrer Arbeit dann auch noch für sich reklamiert. Fast könnte man meinen, die erfolgreiche TV-Serie Stromberg, die von dem herablassenden Chef einer Versicherungsfirma handelt, wäre eine Dokumentation. Und keine Parodie.

Die Schuld trägt stets der andere

10 Gründe, warum der Job Spaß macht
Kollegen und Vorgesetzte Wer sich gut mit seinem Chef und seinen Kollegen versteht, der ist motivierter im Arbeitsalltag. Das sagen 77 Prozent der Befragten. "Die gute Nachricht für Chefs ist dabei: Sie können mit überschaubarem Aufwand und kleinen Maßnahmen viel tun, um die Arbeitsmotivation zu fördern. Da der Top-Motivationsfaktor aber ein gutes Verhältnis mit Vorgesetzten und Kollegen ist, sollte ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander im Fokus stehen", sagt Herwarth Brune, Geschäftsführer der ManpowerGroup Deutschland. Die Ergebnisse basieren auf der repräsentativen Studie "Arbeitsmotivation 2014" der ManpowerGroup Deutschland. Das Marktforschungsinstitut YouGov hat dafür im Februar 2014 1000 Deutsche ab 18 Jahren nach ihrer Motivation gefragt. Quelle: Fotolia
Flexible ZeitenEin weiterer Grund, der Arbeitnehmer motiviert: Flexible Arbeitszeiten. Ein Arbeitszeitkonto oder Modelle wie Gleitzeit wurden von 67 Prozent der Befragten genannt. Quelle: Fotolia
Nach der ArbeitFür fast die Hälfte aller Befragten (45 Prozent) ist es wichtig, auch nach Feierabend noch etwas mit den Kollegen zu machen. "Das vielfältige Ranking zeigt, wie unterschiedlich die Bedürfnisse von Mitarbeitern sind", sagt Brune, Geschäftsführer der ManpowerGroup Deutschland. Quelle: Fotolia
Gesundheitsförderung Wer in seinem Job alles gibt, der hat oft viel Stress, fühlt sich belastet und steht häufig unter Druck. Angestellte sind motivierter, wenn das Unternehmen die eigene Gesundheit fördert. Für 38 Prozent zählt die betriebsärztliche Beratung zu einem Motivationsfaktor. Quelle: Fotolia
RaumgestaltungWeiße Wände und kahle Büros wirken nur auf die wenigsten einladend. Für 35 Prozent aller Befragten ist es entscheidend, wie Besprechungsräume uns Büros gestaltet sind. Bilder an der Wand und eine frische Wandfarbe wirken sich positiv auf die Stimmung der Angestellten aus. Quelle: Fotolia
TeamarbeitObwohl Teamarbeit kommunikativ ist, haben nur 33 Prozent der Befragten mehr Spaß im Job, wenn sie in Gruppen arbeiten. Grund dafür: Oft zählen Meeting als Teamarbeit, diese empfinden viele aber als unproduktiv. Häufig sind auch die Arbeitsbedingungen entscheidend. Wer in lauten Großraumbüros arbeiten muss, der fühlt sich leichter gestresst. Quelle: Fotolia
Kostenlose GetränkeWer nicht für jeden Kaffee im Bistro in der Schlange stehen und bezahlen muss, der fühlt sich wohler im Büro. Für 32 Prozent spielt es eine Rolle, ob das eigene Unternehmen kostenlos Getränke anbietet. Quelle: Fotolia

Doch die Arbeitnehmer sind nicht besser. Auch sie reagieren aus enttäuschter Liebe zum Chef und zur Firma häufig harsch. Auch sie überfrachten den Job mit Ansprüchen, die in der Summe kaum zu erfüllen sind: Die Arbeit soll Sinn stiften, Glück verheißen und der eigenen Persönlichkeit Bedeutung verleihen. Außerdem soll es im Unternehmen zugehen wie in einer schrecklich netten Familie.

Die Schuld an der Beziehungskrise, da sind sich beide Seiten einig, trägt stets der andere. Besser als gegenseitige Vorwürfe wäre allerdings gegenseitige Wertschätzung.

Denn wo die Wertschätzung fehlt, geht auch die Wertschöpfung verloren. Enttäuschte Arbeitnehmer verursachten hierzulande einen Schaden von über hundert Milliarden Euro im Jahr, schätzt der Gallup-Studienleiter Marco Nink auf Basis seiner Untersuchungen. Der Schaden drücke sich ganz unterschiedlich aus: in höheren Fehlzeiten, lustlosem Auftreten gegenüber Kunden, geringerer Sorgfalt und mangelnder Initiative. In der harten Münze der Ökonomen sei das enttäuschte Arbeiten sogar schädlicher als die Folgen des Missbrauchs von Nikotin und Alkohol zusammen.

Es macht die Sache nicht besser, dass gerade demotivierte Mitarbeiter häufig bei ihrer Firma ausharren, und sei es nur des Geldes wegen. Im Schnitt bleiben die Bundesbürger knapp elf Jahre bei einem Arbeitgeber – Zeit, in der sich viel Frust aufstauen kann, der sich manchmal spektakulär entlädt. Dann gehen anonyme Briefe voller Anschuldigungen und Gerüchte bei Polizei und Presse ein. Oder der Angriff erfolgt frontal: So postete der Mitarbeiter eines Burger-King-Restaurants im US-Bundesstaat Ohio ein Foto im Netz – es zeigt ihn, wie er mit Straßenschuhen in Behältern mit frischem Grünzeug steht. "Dies ist der Salat, den ihr bei Burger King esst!", war sein Kommentar. Der Mitarbeiter wurde gefeuert, doch da ging das Foto längst um die Welt.

Hierzulande rächt man sich eher still. Im Betrieb ausharrende Null-Bock-Kollegen gefährden die Innovationsfähigkeit jeder Firma. Laut Gallup haben mehr als die Hälfte der Gefrusteten im vergangenen Jahr keine einzige Idee in ihre Firma eingebracht. Nicht einmal den allerkleinsten Verbesserungsvorschlag. Auch krankzufeiern scheint ihnen weniger auszumachen. Als Gallup die Arbeitnehmer fragte, wie oft sie sich im vergangenen Jahr ihrer Meinung nach krankgemeldet hätten, gaben die Engagierten im Schnitt 4,1 Tage an. Die Demotivierten dagegen sagten, sie hätten 7,2 Tage gefehlt. Der Unterschied ist beträchtlich – noch dazu liegen beide Gruppen in ihrer Selbsteinschätzung objektiv falsch: Nach Recherchen der Techniker Krankenkasse waren deutsche Beschäftigte im vergangenen Jahr nämlich durchschnittlich 14,7 Tage krank. So viel wie seit 14 Jahren nicht mehr.

Zucker für die Mitarbeiter

Zufriedene Angestellte sind gute Angestellte, das erkannte man bei IBM schon 1957 und begann als erster Konzern, systematisch die Zufriedenheit der Angestellten zu messen, um sie gezielt zu steigern. Seither wechseln weltweit Methoden und Rezepte, um Arbeitnehmer bei Laune zu halten.

Unternehmen in der Falle

Mit diesen Events locken Unternehmen Studenten
Job Ad PartnerDie Berliner Agentur für Personalmarketing verteilt zum Valentinstag Eintrittskarten für ein Vorstellungsgespräch. Zwölf Stellen bietet das Unternehmen an. Wem die Mitarbeiter von Job Ad Partner auf der Straße eine Valentinskarte in die Hand drücken, kann diese entweder selbst ausfüllen oder sie weiterverschenken. Auf der Rückseite stehen sieben Stellenangebote zur Auswahl – vom Verkäufer über den Kundenberater bis hin zum Außendienstmitarbeiter. Nun können sich Interessierte unter dem Stichwort Valentinstag und Angabe der gewünschten Position bei der Agentur melden. Das Vorstellungsgespräch ist in diesem Fall garantiert. Quelle: Presse
Auf hohe See geht es seit September 2012 mit der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers. Auf bisher vier Segeltörns unter anderem in der Nordsee und im Atlantik konnten Studenten gemeinsam mit PwC-Mitarbeitern ein Abenteuer erleben und das Unternehmen kennen lernen. Ab September stehen drei weitere Törns im Mittelmeer an: Rund um Mallorca, Ibiza und Sardinien. Quelle: Presse
HenkelÜber Barcelona, Amsterdam und Warschau führten die bisherigen Stationen der "Henkel Innovation Challenge", bevor es dieses Jahr im März nach Shanghai ging. Schon zum sechsten Jahr in Folge sind beim Wettbewerb des Chemiekonzerns Henkel internationale Studenten mit Konzepten für fiktive Zukunftsprodukte gegeneinander angetreten. Zuletzt waren es in China Zweier-Teams aus 18 Ländern. Mit dem diesjährigen Sieg der deutschen Teilnehmer wird das internationale Finale 2014 in der Düsseldorfer Zentrale stattfinden. Ab Herbst können sich Interessierte hier bewerben. Quelle: PR
Peek&CloppenburgWährend der Beachvolleyball-Europameisterschaft im August 2013 am österreichischen Wörtehrsee, richtet das Modehaus Peek&Cloppenburg (P&C) eine "Karriere-lounge " auf einem Boot ein. Dabei können Studenten und Absolventen zwei Tage lang das Unternehmen und seine Mitarbeiter kennen lernen, sowie den Wörthersee und das Sportevent genießen. Außerdem hat P&C passend zum Anlass mit Nik Berger einen Beachvolleyball-Europameister von 2003 eingeladen, um einen Vortrag über Leistung und Herausforderungen im Sport zu halten. Quelle: dpa
McKinseyWie die Arbeit einer Unternehmensberatung aussieht, hat McKinsey Studenten und Doktoranden im August in Barcelona vermittelt. Dorthin lud die Beratungsgesellschaft für einen viertägigen Workshop ein. Die Teilnehmer sollten eine Strategie für eine Krankenkasse entwickeln, dazu Klienten- und Experteninterviews führen und am Ende eine Jury von ihren Lösungskonzepten überzeugen.
BoschSpeziell an Frauen richtet sich im Juli 2013 der Bewerbungsevent "Meet Bosch " im Residenzschloss Ludwigsburg. Hierbei geht nicht allein ums bloße Kennenlernen von Unternehmen und Studentin, sondern auch um ganz konkrete Stellen im Junior Managers Program von Bosch. Zwei Tage lang können die Teilnehmerinnen die Bosch-Personaler im Schloss von sich überzeugen. Quelle: dpa
Ernst & YoungAuf der Suche nach zukünftigen Steuerexperten ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young mit ihrem Studentenwettbewerb "Young Tax Professional of the year ". Wer die Hürden der schriftlichen Bewerbung, des 100-minütigen Online-Tests und des nationalen Fallstudien-Wettstreits in Düsseldorf gemeistert hat, kann sich Ende August mit den besten Teilnehmern aus 26 Ländern in Kopenhagen messen. Wer dort die Fallstudien und Fachfragen einer Jury am besten löst, kann eine 30-tägige Weltreise mit Besuchen von Ernst & Young in London, Washington oder Hongkong antreten. Quelle: dapd

Mittlerweile lebt eine ganze Branche davon, Angestellte zu bespaßen, um diese nachhaltig ans Unternehmen zu binden. Das verspricht auch die Jochen Schweizer Corporate Solutions GmbH in München. Bekannt wurde die Unternehmensgruppe einst mit Bungeesprüngen von Fernsehtürmen, heute setzt sie mit allerlei "Mitarbeiterbindungsmaßnahmen" für Firmen einen "hohen siebenstelligen Betrag" um. Jedes Jahr seien es 15 Prozent mehr, so das Unternehmen. Tag für Tag organisiert es irgendwo in Deutschland eine Firmenparty. Die Preisspanne reicht von 49 Euro für das Schweben im Windkanal bis 9.000 Euro für einen Flug, auf dem Schwerelosigkeit simuliert wird. Pro Person, natürlich. Spaß sei dabei kein Selbstzweck, sagt der Geschäftsführer Wolfgang Langmeier. Seine Kunden hoffen, dass sich die Investition in emotionaler Bindung und höherer Leistung auszahle. Messen lasse sich das zwar nicht, sagt Langmeier, aber: "Nach einem tollen Event haben die Leute dieses Glänzen in den Augen."

Ulrich Jordan widerspricht. "Die ganze Incentive-Industrie deckt das Problem nur mit einer Zuckerschicht zu", sagt der Unternehmensberater und Coach, der zuvor lange Personalvorstand bei der deutschen Citibank war. Heute spricht er offen über eigene Fehler: "In den neunziger Jahren kam es in Mode, sich um junge Absolventen von MBA-Programmen zu bemühen. Die wurden bei uns ziemlich gepampert. Dabei haben wir allerdings die Immunabwehr des Unternehmens unterschätzt." Die Bevorzugung einiger weniger MBAs hatte zur Folge, dass andere Mitarbeiter sich benachteiligt fühlten und auf einmal demotiviert waren. Viele der umsorgten High Potentials wechselten dagegen bald zum nächsten Arbeitgeber. Der war nämlich noch netter.

Schnell stecken Unternehmen in der Falle. Einerseits wollen sie Leistungsträger anspornen – was die Übrigen aber schnell als ungerecht empfinden. Alle Mitarbeiter gleich zu behandeln hilft aber auch nicht weiter. Irgendwann fragen sich dann selbst Hochmotivierte, warum sie die Arbeit der Dienst-nach-Vorschrift-Fraktion miterledigen sollen.

Emotionale Bindung ist eben keine Sache von Ringelpiez mit Anfassen. Manche Unternehmen stellen deshalb ihre ganze Organisation um und engagieren zum Beispiel "Feel-good-Manager". So heißen die Profis für den Umbau der Arbeitswelt. So einer ist Magdalena Bethge, die bei dem Hamburger Start-up Jimdo, einem Anbieter von Programmsoftware für die eigene Website, für das Wohlergehen von 160 Mitarbeitern sorgt. Bethge kümmert sich um die "Newcomer", stimmt sie auf die "Corporate Identity" ein und achtet darauf, dass alle "Feedback" zu ihrer Arbeit bekommen. Nebenbei organisiert sie Kochabende, besorgt Kino- oder Konzertkarten. Außer Bethge arbeitet bei Jimdo noch eine "Flow-Managerin", die Arbeitsprozesse optimiert. "Es ist hier mehr eine große WG als ein Unternehmen", sagt Bethge.

Das sei zwar besser als spektakuläre Einmal-Events, erklärt Gallup-Forscher Nink, auf Dauer aber auch keine Lösung. "Das schraubt bloß die Ansprüche höher und höher, und am Ende geraten sich hoch bezahlte Akademiker wegen der Auswahl der Reissorten beim Kantinenessen in die Haare. Oder weil der eine Kollege beheizbare Außenspiegel am Dienstwagen bekommt und der andere nicht."

Gehaltserhöhungen verpuffen schnell

Zehn Zauberformeln für Mitarbeiterzufriedenheit
1. ZuhörenHören Sie ihrem Mitarbeiter einfach mal aufmerksam zu. Was sind seine Sorgen, Ängste, Nöte? Was spornt ihn an? Wo liegen seine Interessen? Welche Aufgaben übernimmt er gerne und was liegt ihm besonders am Herzen? Der Chef, der ein paar Minuten für seine Mitarbeiter opfert, wird kurz über lang Stunden zurück erhalten. Quelle: Fotolia
2. LobenStellen Sie öfter mal die positiven Ergebnisse in den Mittelpunkt und stärken damit die gewünschte Richtung. Achten Sie darauf, dass der Einsatz dieser Zutat nicht überdosiert wird und stehen Sie auch zu dem Gesagten. Wichtig ist: Die Anerkennung muss aufrichtig sein Quelle: Fotolia
3. Zeit gewährenWer den Lebensrhythmus seiner Mitarbeiter kennt, kann sie für individuelle Arbeitszeiten nutzen. Arbeitet er lieber früh oder spät? Hat er Kinder? Der Chef, der die Vorlieben und Ansprüche seiner Mitarbeiter kennt, sie wenn möglich entsprechend einsetzt, wird die Zufriedenheit steigern können. Quelle: Fotolia
4. Angemessen bezahlenSetzen Sie sich dafür ein, dass Ihre Mitarbeiter gut und gerecht bezahlt werden. Krasse Gehaltsunterschiede bei Mitarbeitern gleicher Qualifikation und mit vergleichbaren Aufgaben sorgen für unproduktive Unruhe.  Quelle: Fotolia
8. Die QualitätstrilogieDas besagt diese Theorie: Drei Schritte sind es laut Joe Juran zum Erfolg. Qualitätsplanung, Qualitätsverbesserung und Qualitätskontrolle. In der Planungsphase wird festgestellt, wer die Kunden eines Unternehmens sind und welche Bedürfnisse sie haben. Im Zug der Qualitätsverbesserung wird die Infrastruktur aufgebaut, die notwendig ist, um die Qualität des Unternehmens zu verbessern. Bei der Qualitätskontrolle wird schließlich die erbrachte Leistung im Verhältnis zu den Erwartungen beurteilt.So wenden Sie diese Theorie an: Stellen Sie ein Qualitätsteam zusammen, das Ihr Programm zur Qualitätsverbesserung vorantreibt. Diesem Team sollten Sie dann die nötigen Ressourcen, Schulungen und Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Erzielen Sie Erfolge, feiern sie diese! Und seien sie noch so klein. Quelle: Fotolia
2. Das VerhaltensgitterDas besagt die Theorie: Was bedeutet das Wort Führung eigentlich? Robert Blake und Jane Mouton haben dazu ein Verhaltensgitter erstellt. Es gibt an, wie sehr sich eine Führungskraft um die Erledigung der Aufgabe und um ihre Mitarbeiter kümmert. Ihre Führungstypen tragen schönen Namen: Der Glacéhandschuh-Manager interessiert sich weniger für die Erledigung der Aufgaben als für die sozialen Bedürfnisse seiner Kollegen. Der Befehl-Gehorsam-Manager will dagegen strikt die Aufgaben erledigen. Der Organisationsmanager sorgt sich permanent um das Wohlergehen der Mitarbeiter, will aber auch die Unternehmensziele erreichen, während der Überlebensmanager sich weder für die Kollegen noch für die Arbeit interessiert. Der Team-Manager vereint die Aufgabenerfüllung mit guten Mitarbeiterbeziehungen. Wenig überraschend: Blake und Mounton empfehlen allen Managern, letzteren Ansatz zu verwenden.So wenden Sie diese Theorie an: Nutzen Sie diese Theorie, um Ihren bevorzugten Führungsstil zu untermauern. Erkennen Sie aber auch an, dass Sie Ihren Stil anpassen können, wenn es die Umstände verlangen. Sie sind ein Team-Manager? Toll! Aber passen Sie auf, dass Sie engagiert wirken, nicht rasend oder kriecherisch. Glacéhandschuhe bringen Sie auf Dauer nicht weiter, die Arbeit ruft! Organisationsmanagement kann schön und gut sein, verprellt aber dauerhaft die Mitarbeiter. Wenn Sie sich als Überlebensmanager sehen, sind Sie entweder im falschen Unternehmen oder Sie sollten besser den Beruf wechseln.  Lange Rede , kurzer Sinn: Finden Sie Ihren Stil. Sie werden merken, dass es keinen Management-Stil gibt, der pauschal in allen Situationen funktioniert. Bleiben Sie also flexibel. Quelle: Fotolia
3. Maslows BedürfnispyramideDas besagt diese Theorie: Menschen haben Bedürfnisse, die sie erfüllen wollen. Abraham Maslows Pyramide stellt eine Hierarchie von Bedürfnissen auf, die von unten nach oben erfüllt werden müssen. Diese Ebenen lauten: Biologische Grundbedürfnisse (Nahrung, Wärme, Ruhe), Sicherheit (Gewissheit, Freiheit von Angst), Sozialbedürfnis (Zuneigung und Liebe), Anerkennung und Wertschätzung (Reputation und Respekt) und Selbstverwirklichung. Wurde eine Ebene nicht befriedigt, kann man nicht auf die nächsthöhere Ebene aufsteigen.  So wenden Sie diese Theorie an: Laut James McGrath und Bob Bates ist die Anwendung simpel: Sorgen Sie dafür, dass die Grundbedürfnisse Ihres Teams erfüllt werden. Nahrung, Wasser und eine ruhige Arbeitsumgebung können da schon einmal nicht schaden. Auch soziale Interaktion ist wichtig. In manchen Firmen kommen die Mitarbeiter freitags in legerer Kleidung – das fördert die Interaktion untereinander. Glücklich machen Sie Ihre Angestellten auch mit positivem Feedback für anspruchsvolle Aufgaben. Quelle: Fotolia

Die Erwartungen steigen, die Zufriedenheit sinkt. Das muss aber nicht so sein, wie ein Blick nach Indien zeigt: Ausgerechnet dort ist die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit weltweit am höchsten. Die Inder, Bürger eines aufstrebenden, aber in weiten Teilen bitterarmen Landes, stehen seit Jahren an der Spitze der Zufriedenheitsrangliste. Das jedenfalls hat die internationale Personalberatungsfirma Kienbaum herausgefunden, die zuletzt 7.400 Arbeitnehmer in 20 Ländern befragt hat. In der Spitzengruppe tauchen auch China und Russland auf. Am Ende der Liste rangieren die Industrieländer Frankreich, Spanien und Japan. Deutschland bewegt sich knapp unterhalb des globalen Durchschnitts.

Vielleicht ist hohes Wachstum ja besser als großer Wohlstand. In Indien, so sagt Kienbaum, habe die wachsende Wirtschaft das Zusammengehörigkeitsgefühl gefördert. Die Softwareindustrie des Landes hat weltweit einen hervorragenden Ruf. Wer da einen Job in einem etablierten Unternehmen hat und zugleich die Armut um sich herum wahrnimmt, schätzt sich besonders glücklich. Ob es nun die soziale Kluft in Indien ist oder einfach nur die Freude der Aufsteiger an ihrer Arbeit: Diskussionen um beheizbare Außenspiegel oder Massagen in der Mittagspause wirken da wie Jammern auf höchstem Niveau.

Auch Gehaltserhöhungen verpuffen schnell, weil man sich an sie gewöhnt. Das hat der britische Psychologe Chris Boyce von der University of Warwick belegt. Gallup-Experte Nink warnt daher davor, Geld zu überschätzen. "Natürlich muss das Gehalt stimmen, darf also im Branchenvergleich nicht stark abfallen", sagt er. Aber selbst eine faire und angemessene Entlohnung sei bloß ein "Hygienefaktor", der kein Glück schaffe. Wichtiger sei echte Zuwendung. "Wenn Angestellte sich ernst genommen fühlen, eigenverantwortlich und innerhalb gewisser Freiräume arbeiten können, sind sie kreativ", sagt Nink.

Papa- und Mama-Prinzip in Unternehmen

Dafür ist das Personalmanagement allerdings wirklich verantwortlich, wie eine noch unveröffentlichte Studie des Bundesarbeitsministeriums zeigt. "Ob ein Mitarbeiter sich für die Firma ins Zeug legt, hängt von seinem direkten Vorgesetzten ab", sagt Managementexperte Jordan. Der Chef beeinflusst die Stimmung am Arbeitsplatz. Versagt er, steigt die Fluktuation. Jordan erzählt, dass er einmal einen leitenden Angestellten entlassen musste. Der hatte sich nur mit Vertrauten umgeben, duldete keinen Widerspruch und kontrollierte seine Mitarbeiter exzessiv. "Das Engagement seiner Mannschaft war im Keller, die Kündigungsrate enorm. Und deshalb brachen auch die Ergebnisse ein", erzählt Jordan. "Wir mussten den Mann rausnehmen, sonst hätten wir die ganze Organisation verloren." Als der Chef ging, knallten bei den Mitarbeitern die Korken.

Solche Fälle zeigen, wie viel vom richtigen Führungsstil abhängt und welcher Druck sich aufstauen kann. Der steigt, je mehr die Arbeitsbeziehungen von Hoffnungen und Ansprüchen überladen sind. Viele Spitzenkräfte tragen selbst dazu bei: etwa jene ungezählten Chefs mittelständischer Unternehmen, die mit der "Wir sind eine große Familie"-Geschichte das Herz ihrer Mitarbeiter zu gewinnen versuchen.

Wie früher bei Mama

So arbeitet es sich bei Google und Facebook
Bequemer zur Arbeit geht es kaum. Der Google-Shuttle holt die Mitarbeiter vor der Haustür ab und fährt sie bis zum Google-Campus nach Mountain View. Den Verkehr, der regelmäßig morgens und abends den Highway 101 zwischen San Francisco und der südlichen Bay Area verstopft, bekommt man in dem Luxus-Liner kaum mit. Stattdessen ist Arbeiten angesagt. WLAN etwa ist an Bord des Shuttles inklusive.Acht junge Kollegen der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, die bei Handelsblatt und Wirtschaftswoche arbeiten, haben das Silicon Valley besucht. Den kompletten Report ihrer Reise finden Sie hier im Kaufhaus der Weltwirtschaft. Quelle: Sebastian Kirsch
Sonnenschirme, wohin das Auge reicht. So empfängt die Google-Zentrale am 1600 Amphitheatre Parkway in Mountain View jeden Tag ihre Mitarbeiter. Auf der Terrasse im Innenhof wird allerdings nicht nur Kaffee getrunken; hier wird auch gearbeitet. Der Hof ist einer der zentralen Treffpunkte, wichtig für den Ideenaustausch. Quelle: Sebastian Kirsch
Google sorgt sich um das Wohl der Mitarbeiter. Sport machen kann hier jeder – entweder zum Abspannen in einem der Fitness-Studios auf dem Campus. Oder aber bei der Arbeit. Die Mitarbeiterin hält mit dem Laufband Schritt, während sie ein paar Ideen in den Computer tippt. Quelle: Andreas Dörnfelder
Die Mitarbeiter von Google sollen bei der Arbeit die beste Version ihrer selbst sein, so eine Sprecherin. Und so sorgt das Unternehmen dafür, dass die Googler zwischendurch mal richtig ausspannen können. Etwa im Liegestuhl im Innenhof-Gärtchen. Das Smartphone allerdings ist immer dabei. Quelle: Andreas Dörnfelder
Damit kein Googler vergisst, wo er eigentlich arbeitet, ist das Logo der Internetfirma omnipräsent, die Corporate Identity allgegenwärtig. Und sei es nur der Fußabstreifer. Quelle: Sebastian Kirsch
Wie praktisch, dass auch die Billard-Kugeln perfekt ins Google-Design passen. Ein Spielchen zwischendurch soll den Geist beflügeln ... Quelle: Andreas Dörnfelder
Wie der große Innenhof ist auch die Kantine ein Treffpunkt. Bunt und laut geht es hier zu Stoßzeiten zu – alle wichtigen Neuigkeiten aus dem Unternehmen werden hier kommuniziert. Quelle: Sebastian Kirsch

Das Papa-Prinzip braucht eine väterliche Führungsfigur, einen Firmengründer oder -erben im Gestus des gütigen Patriarchen, der über ein klares Weltbild verfügt und über genaue Vorstellungen von Gut und Böse. Wolfgang Grupp verkörpert diesen Unternehmertyp. Grupp ist alleiniger Inhaber des deutschen Textilherstellers Trigema und lässt sich in Fernsehwerbespots meist von einem sprechenden Affen anmoderieren. Etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt sein Unternehmen im baden-württembergischen Burladingen, und auf der Firmenwebsite spricht Grupp von der "großen Betriebsfamilie", zu der sie alle gehörten. Natürlich ist er das Oberhaupt. Mit Manschettenknöpfen und Einstecktuch.

Demgegenüber ist das Mama-Prinzip ein junges Phänomen, das mit dem Aufstieg der Internetkonzerne erst richtig populär wurde. Es sei äußerst erstrebenswert, erzählte Google-Gründer Larry Page vor zwei Jahren dem Magazin Fortune, dass "sich die Mitarbeiter als Teil der Firma fühlen und die Firma für sie wie eine Familie ist". Eine recht große Familie in seinem Fall. Der Chef des globalen Konzerns mit 48.000 Mitarbeitern hat augenscheinlich ein eher mütterlich geprägtes Familienbild. Google-Niederlassungen auf der ganzen Welt sehen aus wie Spielplätze und Kinderzimmer mit bunten Schaukeln, Sitzsäcken und Rollern. Hier und da bekommt man sogar noch Haare geschnitten, Wäsche gewaschen und die Hemden gebügelt. Wie früher bei Mama.

Beide Prinzipien schaffen den unmündigen Arbeitnehmer, der in einer infantilen Rolle verharrt und wie jedes verwöhnte Kind unerfüllbare Erwartungen an Vorgesetzte und Unternehmen entwickelt. So als solle der Job die Bedürfnisse stillen, die Menschen im Privatleben nicht befriedigen können.

Prallen die Erwartungen aufeinander, müssen Leute wie Rudolf Spiller ran. Der 58-Jährige sanierte erst die Kamerafirma Leica, nun soll er den kriselnden Automatenhersteller Höft & Wessel retten. "Glück und Arbeit" war der Titel eines Kolloquiums, zu dem Spiller die Belegschaft nach Feierabend in die Firmenkantine in Hannover lud. Knapp 100 der 320 Beschäftigten kamen. Eingeladen war auch der Mentalcoach der Fußballfrauennationalmannschaft, und als der die Mitarbeiter anhielt, vom Sport zu lernen, mal "über ihre Grenzen zu gehen" und "für eine Sache zu brennen", fragte einer der Angesprochenen: "Wie soll ich das umsetzen?" Da mischte sich Firmenchef Spiller ein: "Anstatt immerzu abgeholt werden zu wollen, könnte man ja auch selbst mal irgendwo hingehen!"

Mitarbeiter müssen eben auch selbst Verantwortung für ihre Situation übernehmen. "Motivation ist keine einseitige Sache", präzisiert Spiller. Seiner Erfahrung nach sei die Hälfte der Arbeitnehmer dazu sogar bereit – bei den anderen aber sei immer der Chef schuld. In jeder Belegschaft gebe es einen harten, zum Stillstand entschlossenen Kern, der gar nicht mehr zu motivieren sei. "Acht bis zwölf Prozent der Mitarbeiter werden von den anderen nur noch mitgeschleppt", sagt Spiller. In Krisenfirmen ist es sogar ein Viertel. Was soll der Vorgesetzte da tun?

"Anhänglichkeitsmuster"

Was Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern motiviert
ChinaFür den chinesischen Mitarbeiter gibt es nichts motivierenderes als einen kompetenten Chef. Erst danach folgen ein gutes Grundgehalt und Sozialleistungen auf den Rängen zwei und drei. Quelle: Studie von Marsh & McLennan Quelle: dapd
Weitaus weniger wichtig ist der Belegschaft im Reich der Mitte eine Arbeit, die Werte schafft. Dieser Punkt landet auf dem letzten Platz. Ebenso gering geschätzt werden Zeit für Privatleben (Platz 9) und, ob die Arbeit interessant ist (Platz 8). Im Mittelfeld der motivierenden Aspekte landen Respekt (4), Boni (5), kurzfristige Beförderungen (6) und schließlich die langfristige Karriere (7). Damit unterscheidet sich das Motivationsschema fundamental von dem eines deutschen Mitarbeiters. Quelle: AP
DeutschlandHierzulande wollen Mitarbeiter vor allem Respekt für sich und ihre Arbeit, dicht gefolgt von Zeit für Privatleben und einer interessanten Arbeit. Diese drei Punkte motivieren die deutschen Angestellten am meisten. Quelle: dapd
Am wenigsten zu mehr Leistung treibt Deutsche die langfristige Karriere an, Boni wirken ebenfalls nur begrenzt motivierend (Platz 9). Auch Sozialleistungen sind weit weniger motivationsfördernd als das Grundgehalt (4), kompetente Chefs (5), flexible Arbeitszeiten (6) und eine Arbeit, die Werte schafft (7). Quelle: dpa
FrankreichIm Nachbarland Frankreich sind die Angestellten ähnlich gestrickt. Respekt, Zeit fürs Private und eine interessante Arbeit motivieren die Franzosen am meisten. Mit flexiblen Arbeitszeiten, die den Deutschen doch einigermaßen wichtig sind, und Sozialleistungen kann man unsere Nachbarn dagegen nicht locken. Quelle: REUTERS
Was Franzosen hingegen noch als halbwegs motivierend empfinden, sind kompetente Chefs (Platz 4), Grundgehalt (5), Arbeit, die Werte schafft (6) und die langfristige Karriere. Quelle: dapd
USAAm meisten Motivation stiften für die amerikanischen Arbeitnehmer Respekt gegenüber ihrem Job, kompetente Chefs - dieser Faktor landet bei den Deutschen nur auf Platz 5 - und Zeit für das Privatleben, was wiederum den Chinesen nicht wichtig ist. Quelle: REUTERS

Die Demotivierten setzen ihre Chefs bisweilen gehörig unter Druck, sagt Thorsten Kienast. Der Mediziner leitet die Max Grundig Klinik im baden-württembergischen Bühl. Das Privatsanatorium, diskret im Grünen gelegen, ist ein Refugium für jene Führungskräfte, die zusammenbrechen und Ängste und Depressionen entwickeln. Einige haben sich aufgerieben im Versuch, zwischen Job und eigener Familie zu jonglieren. Andere aber verzweifeln an ihren Mitarbeitern. In der Regel geht es um Hoffnungen und Ideale, die Mitarbeiter in ihre Vorgesetzten hineinprojizieren. Der Chef als Superstar? Das muss schiefgehen.

Manfred Kets de Vries, Psychoanalytiker und Professor an der Wirtschaftsschule Insead, bestätigt die Gefahr. "Vorgesetzte können eine Art emotionale Müllhalde werden für die unerfüllten Wünsche ihrer Mitarbeiter", sagt er. Was auf sie projiziert werde, habe oft mit frühkindlichen Prägungen zu tun. "All unsere Beziehungen sind gefärbt durch frühere Bindungen", sagt Kets de Vries. Und die erste im Leben ist die zu den Eltern. Der Forscher unterscheidet drei "Anhänglichkeitsmuster": Die "sichere Anhänglichkeit" wird ausgelöst durch anwesende und fürsorgliche Eltern, die ihre Kinder zu vertrauensvollen Menschen erzogen haben, die dann auch als Erwachsene gesunde Bindungen eingehen. Daneben gibt es die "ängstlich-ambivalente Anhänglichkeit", die aus nicht gewährter Nähe zu den Eltern resultiert. Diese Kinder würden später im Job alles tun, um ihren Vorgesetzten nahe zu sein. Das seien jene Typen, die dem Chef den Koffer hinterhertragen. Die dritte Gruppe lebt "vermiedene Anhänglichkeit" aus – sie besteht aus denen, die jegliche Sehnsucht nach Nähe unterdrücken. Für ein Unternehmen sind die Beziehungsunfähigen ein Risiko, weil sie sich nicht führen lassen. Aber wenn sie selbstbestimmt ihre Arbeit tun dürfen, können sie sich zum unbezahlbaren Aktivposten mausern.

Gelassen und nachsichtig müssen Chefs sein. Und realistisch. In Beziehungen erkennen Partner früher oder später, dass ihr Gegenüber nicht so ist, wie es in der ersten Verliebtheit schien. Ob trotzdem eine tiefe Bindung entsteht, hängt davon ab, ob die Partner sich arrangieren und akzeptieren. Der Heidelberger Paartherapeut Arnold Retzer spricht von einem Zustand "resignativer Reife" und lobt die Vernunftehe. Man müsse erkennen und annehmen, was man am anderen hat.

Ähnlich sieht das die Karriereberaterin Madeleine Leitner aus München. "Ich hatte schon Klienten, die überzeugt waren, dass sie den allerletzten Job hätten und unbedingt etwas anderes machen wollten", sagt sie. Erst beim Vergleich mit anderen hätten sie festgestellt: Ich hab ja einen tollen Job.

Echte Sinnhaftigkeit

Fünf Tipps, damit Ihnen Ihr Job wieder Spaß macht
Fangen wir doch gleich mal mit dem "Nein " sagen an. Lassen Sie die Kollegen 2014 einfach nicht mehr alles auf Sie abwälzen. "Könntest du bitte hier...", "würde es dir etwas ausmachen, wenn..." Wenn Sie immer den Mist der anderen miterledigen, kommen Sie selber nicht voran und glücklicher werden Sie damit auch nicht. Also sagen Sie "Nein". Und zwar persönlich, nicht per Mail. Auch wichtig: Begründen Sie Ihr Nein und bieten Sie Alternativen an. Quelle: Fotolia
Und wo wir schon dabei sind, dass Sie sich gegen etwas entscheiden - entscheiden Sie doch öfter etwas. Natürlich innerhalb Ihres Kompetenzbereichs. Nutzen Sie Ihre Entscheidungsfreiheit und hören Sie auf, sich wegen jedem Kinkerlitzchen hundertmal rückzuversichern. Das ist weder gut fürs Selbstbewusstsein, noch macht es sonderlich viel Spaß. Quelle: Fotolia
Schließlich wird niemand gerne wie eine Marionette gelenkt. Falls Sie das Gefühl haben, an Ihrem Arbeitsplatz nur die Marionette des Chefs oder der Kollegen zu sein, müssen Sie daran etwas ändern. Legen Sie für sich fest, welche von den auf Sie abgewälzten Aufgaben wichtiger ist und wie Sie sie erfüllen. So gewinnen Sie - zumindest teilweise - die Herrschaft über Ihr Tun zurück. Quelle: Fotolia
Dafür ist natürlich eine Strategie unabdingbar. Nicht nur Ihre, sondern auch die der Vorgesetzten. Deshalb ist es wichtig, dass der Chef klare Anweisungen gibt: Wer macht was wann und warum. Gibt es die nicht automatisch, bestehen Sie darauf, dass Ihnen Ihr Chef sagt, wohin er mit dem Projekt will und welche Aufgaben Priorität haben. Dann kann sich auch keiner verzetteln. Quelle: Fotolia
Ihre Vorgesetzten loben zu wenig bis gar nicht? Dann tun Sie es doch! Loben Sie Ihre Kollegen, wenn etwas gut geklappt hat. Mit etwas Glück werden demnächst auch Sie gelobt - und das tut immer gut. Egal, von wem es kommt. Quelle: Fotolia

Mit mehr Freiheit und weniger Kontrolle lasse sich der Arbeitsfrust besiegen, sagen die britischen Arbeitsweltexperten Alison Maitland und Peter Thomson. Beschäftigte mit mehr Freiräumen sind bei der Arbeit produktiver, kreativer und effizienter als andere. Fehlende Autonomie indes könne sogar krank machen, fanden schwedische Forscher heraus.

Richtig loben

Häufig hilft es, den Mitarbeitern immer wieder die echte Sinnhaftigkeit ihres Tuns vor Augen zu führen. An der Universität in Michigan führte der Organisationspsychologe Adam Grant ein Experiment mit Studenten durch, die in einem Callcenter Geldspenden für Stipendien eintreiben sollten. Der Telefonjob war nicht nur eintönig und schlecht bezahlt, die Studenten mussten sich auch Beleidigungen anhören oder abwimmeln lassen. Die Erfolgsquote lag bei traurigen sieben Prozent. Versuche, die Studenten mit Geldgeschenken und Wettbewerbsspielen zu motivieren, hatten wenig Erfolg. Grant kam auf eine andere Idee: Er lud einen ehemaligen Studenten ein, der allein dank der auf diese öde Weise eingetriebenen Mittel an der Universität hatte studieren können – und der heute selbst als Lehrer arbeitet. Der Mann erzählte nun den studentischen Geldeintreibern, dass er diesem Stipendium seinen Lebenserfolg zu verdanken habe. Einen Monat später verbrachten die Studenten 142 Prozent mehr Zeit am Telefon und trieben 171 Prozent mehr Geld ein – ohne ihre Methoden geändert zu haben. In einer Folgestudie verfünffachten sich die Umsätze sogar. Selbst Briefe von dankbaren Stipendiaten, die man den Anrufern vorlegte, erhöhten deren Arbeitseinsatz. Die Studenten waren produktiver und glücklicher, weil sie wussten, dass sie mit ihrer Arbeit anderen halfen. Plötzlich erkannten sie Sinn in dem Stumpfsinn, den sie taten.

Von einem ähnlichen Fall berichtet der Managementexperte Nink von der Beratungsfirma Gallup: Der Leiter einer Fabrik, in der künstliche Hüftgelenke hergestellt und verpackt werden, beklagte sich, dass seine Leute die Arbeit mit sehr wenig Hingabe erledigten. Sie bauten halt irgendwelche Ersatzteile zusammen, ohne zu wissen, für wen oder warum.

Die Folgen der Lustlosigkeit: Das Unternehmen litt unter einer hohen Fehlerquote, die Mitarbeiter waren froh, wenn der Arbeitstag zu Ende war. Bis der Fabrikchef eine Gruppe von Patienten einlud, die dank der dort gefertigten Prothesen wieder beschwerdefrei laufen konnten. Die Arbeitsleistung in der Fabrik stieg daraufhin sprunghaft an. Die Mitarbeiter hatten erkannt, dass sie mit ihrer Arbeit das Leben anderer Menschen zum Besseren wenden konnten.

Dieser Artikel ist zuerst auf zeit.de erschienen.

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