Motivation So wollen wir arbeiten

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Unternehmen in der Falle

Mit diesen Events locken Unternehmen Studenten
Job Ad PartnerDie Berliner Agentur für Personalmarketing verteilt zum Valentinstag Eintrittskarten für ein Vorstellungsgespräch. Zwölf Stellen bietet das Unternehmen an. Wem die Mitarbeiter von Job Ad Partner auf der Straße eine Valentinskarte in die Hand drücken, kann diese entweder selbst ausfüllen oder sie weiterverschenken. Auf der Rückseite stehen sieben Stellenangebote zur Auswahl – vom Verkäufer über den Kundenberater bis hin zum Außendienstmitarbeiter. Nun können sich Interessierte unter dem Stichwort Valentinstag und Angabe der gewünschten Position bei der Agentur melden. Das Vorstellungsgespräch ist in diesem Fall garantiert. Quelle: Presse
Auf hohe See geht es seit September 2012 mit der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers. Auf bisher vier Segeltörns unter anderem in der Nordsee und im Atlantik konnten Studenten gemeinsam mit PwC-Mitarbeitern ein Abenteuer erleben und das Unternehmen kennen lernen. Ab September stehen drei weitere Törns im Mittelmeer an: Rund um Mallorca, Ibiza und Sardinien. Quelle: Presse
HenkelÜber Barcelona, Amsterdam und Warschau führten die bisherigen Stationen der "Henkel Innovation Challenge", bevor es dieses Jahr im März nach Shanghai ging. Schon zum sechsten Jahr in Folge sind beim Wettbewerb des Chemiekonzerns Henkel internationale Studenten mit Konzepten für fiktive Zukunftsprodukte gegeneinander angetreten. Zuletzt waren es in China Zweier-Teams aus 18 Ländern. Mit dem diesjährigen Sieg der deutschen Teilnehmer wird das internationale Finale 2014 in der Düsseldorfer Zentrale stattfinden. Ab Herbst können sich Interessierte hier bewerben. Quelle: PR
Peek&CloppenburgWährend der Beachvolleyball-Europameisterschaft im August 2013 am österreichischen Wörtehrsee, richtet das Modehaus Peek&Cloppenburg (P&C) eine "Karriere-lounge " auf einem Boot ein. Dabei können Studenten und Absolventen zwei Tage lang das Unternehmen und seine Mitarbeiter kennen lernen, sowie den Wörthersee und das Sportevent genießen. Außerdem hat P&C passend zum Anlass mit Nik Berger einen Beachvolleyball-Europameister von 2003 eingeladen, um einen Vortrag über Leistung und Herausforderungen im Sport zu halten. Quelle: dpa
McKinseyWie die Arbeit einer Unternehmensberatung aussieht, hat McKinsey Studenten und Doktoranden im August in Barcelona vermittelt. Dorthin lud die Beratungsgesellschaft für einen viertägigen Workshop ein. Die Teilnehmer sollten eine Strategie für eine Krankenkasse entwickeln, dazu Klienten- und Experteninterviews führen und am Ende eine Jury von ihren Lösungskonzepten überzeugen.
BoschSpeziell an Frauen richtet sich im Juli 2013 der Bewerbungsevent "Meet Bosch " im Residenzschloss Ludwigsburg. Hierbei geht nicht allein ums bloße Kennenlernen von Unternehmen und Studentin, sondern auch um ganz konkrete Stellen im Junior Managers Program von Bosch. Zwei Tage lang können die Teilnehmerinnen die Bosch-Personaler im Schloss von sich überzeugen. Quelle: dpa
Ernst & YoungAuf der Suche nach zukünftigen Steuerexperten ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young mit ihrem Studentenwettbewerb "Young Tax Professional of the year ". Wer die Hürden der schriftlichen Bewerbung, des 100-minütigen Online-Tests und des nationalen Fallstudien-Wettstreits in Düsseldorf gemeistert hat, kann sich Ende August mit den besten Teilnehmern aus 26 Ländern in Kopenhagen messen. Wer dort die Fallstudien und Fachfragen einer Jury am besten löst, kann eine 30-tägige Weltreise mit Besuchen von Ernst & Young in London, Washington oder Hongkong antreten. Quelle: dapd

Mittlerweile lebt eine ganze Branche davon, Angestellte zu bespaßen, um diese nachhaltig ans Unternehmen zu binden. Das verspricht auch die Jochen Schweizer Corporate Solutions GmbH in München. Bekannt wurde die Unternehmensgruppe einst mit Bungeesprüngen von Fernsehtürmen, heute setzt sie mit allerlei "Mitarbeiterbindungsmaßnahmen" für Firmen einen "hohen siebenstelligen Betrag" um. Jedes Jahr seien es 15 Prozent mehr, so das Unternehmen. Tag für Tag organisiert es irgendwo in Deutschland eine Firmenparty. Die Preisspanne reicht von 49 Euro für das Schweben im Windkanal bis 9.000 Euro für einen Flug, auf dem Schwerelosigkeit simuliert wird. Pro Person, natürlich. Spaß sei dabei kein Selbstzweck, sagt der Geschäftsführer Wolfgang Langmeier. Seine Kunden hoffen, dass sich die Investition in emotionaler Bindung und höherer Leistung auszahle. Messen lasse sich das zwar nicht, sagt Langmeier, aber: "Nach einem tollen Event haben die Leute dieses Glänzen in den Augen."

Ulrich Jordan widerspricht. "Die ganze Incentive-Industrie deckt das Problem nur mit einer Zuckerschicht zu", sagt der Unternehmensberater und Coach, der zuvor lange Personalvorstand bei der deutschen Citibank war. Heute spricht er offen über eigene Fehler: "In den neunziger Jahren kam es in Mode, sich um junge Absolventen von MBA-Programmen zu bemühen. Die wurden bei uns ziemlich gepampert. Dabei haben wir allerdings die Immunabwehr des Unternehmens unterschätzt." Die Bevorzugung einiger weniger MBAs hatte zur Folge, dass andere Mitarbeiter sich benachteiligt fühlten und auf einmal demotiviert waren. Viele der umsorgten High Potentials wechselten dagegen bald zum nächsten Arbeitgeber. Der war nämlich noch netter.

Schnell stecken Unternehmen in der Falle. Einerseits wollen sie Leistungsträger anspornen – was die Übrigen aber schnell als ungerecht empfinden. Alle Mitarbeiter gleich zu behandeln hilft aber auch nicht weiter. Irgendwann fragen sich dann selbst Hochmotivierte, warum sie die Arbeit der Dienst-nach-Vorschrift-Fraktion miterledigen sollen.

Emotionale Bindung ist eben keine Sache von Ringelpiez mit Anfassen. Manche Unternehmen stellen deshalb ihre ganze Organisation um und engagieren zum Beispiel "Feel-good-Manager". So heißen die Profis für den Umbau der Arbeitswelt. So einer ist Magdalena Bethge, die bei dem Hamburger Start-up Jimdo, einem Anbieter von Programmsoftware für die eigene Website, für das Wohlergehen von 160 Mitarbeitern sorgt. Bethge kümmert sich um die "Newcomer", stimmt sie auf die "Corporate Identity" ein und achtet darauf, dass alle "Feedback" zu ihrer Arbeit bekommen. Nebenbei organisiert sie Kochabende, besorgt Kino- oder Konzertkarten. Außer Bethge arbeitet bei Jimdo noch eine "Flow-Managerin", die Arbeitsprozesse optimiert. "Es ist hier mehr eine große WG als ein Unternehmen", sagt Bethge.

Das sei zwar besser als spektakuläre Einmal-Events, erklärt Gallup-Forscher Nink, auf Dauer aber auch keine Lösung. "Das schraubt bloß die Ansprüche höher und höher, und am Ende geraten sich hoch bezahlte Akademiker wegen der Auswahl der Reissorten beim Kantinenessen in die Haare. Oder weil der eine Kollege beheizbare Außenspiegel am Dienstwagen bekommt und der andere nicht."

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