New Work So gelingt der Wechsel ins Homeoffice

Jemand arbeitet im Home Office Symbolbild Quelle: imago images

Das Arbeiten von zu Hause ist nicht nur der Wunsch vieler Angestellter, sondern ist bei Auftreten einer Coronavirus-Infektion im Unternehmen ein Weg, den Betrieb aufrechtzuerhalten – so wie jüngst im BMW Forschungs- und Entwicklungszentrum in München. Sechs Tipps zum Wechsel ins Homeoffice.

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Manchmal kommen Beschäftigte unverhofft zur Heimarbeit. So wie jüngst 150 BMW-Mitarbeiter in München, nachdem ein Kollege aus dem Forschungs- und Entwicklungszentrum (FIZ) positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet wurde. Rund 150 Mitarbeiter im FIZ, die mit ihm Kontakt hatten, seien jetzt für zwei Wochen zu Hause in Quarantäne, die Großraumbüros würden desinfiziert, teilte BMW am Montag mit. Oder wie vergangene Woche die 1500 Mitarbeiter der Unternehmensberatung Ernst & Young in Düsseldorf. Weil bei einem Mitarbeiter das Coronavirus nachgewiesen worden ist, sollen die Kolleginnen und Kollegen erst einmal von zu Hause aus weiterarbeiten. Angesichts steigender Zahlen von Corona-Erkrankungen bereiten sich vermutlich noch mehr Unternehmen auf diese Lösung vor.

Schon 2017 ging die Beiersdorf AG in Hamburg diesen Weg, als die Unternehmensführung zum Beginn des G20-Gipfels am Hauptsitz mit erheblichen Verkehrsbehinderungen rechnete. Damals schickte das Unternehmen die rund 2500 Beschäftigten – vom Vorstand bis zur Servicekraft – geschlossen ins Homeoffice. Beiersdorf nutzte den Anlass als Großexperiment für flexibles Arbeiten. „Mit einem Homeoffice-Tag für jeden wollen wir erstmals auf breiter Front Erfahrungen sammeln. Auch für Funktionen, die bislang eher an den Schreibtisch in der Firma gebunden sind“, kündigte der Konzern damals an. Das Projekt wurde den Angaben zufolge Monate vorher in Absprache zwischen Mitarbeitern und Führungskräften vorbereitet. 

Der Schnuppertag verlief erfolgreich, erinnert sich Michael Harms, Personalleiter Deutschland bei Beiersdorf. „Durch diese Maßnahme hatte jeder Mitarbeiter – inklusive jener, die mobiles Arbeiten bislang für sich nicht aktiv in Betracht gezogen hatten – die Möglichkeit, das Modell auszuprobieren. Die Rückmeldungen waren dabei insgesamt positiv.“ Mittlerweile nimmt laut Harms rund die Hälfte der Mitarbeiter vereinzelt oder regelmäßig das Angebot für Heimarbeit in Anspruch. Die Zahl der Nutzer steige stetig.

Das sieht aber nicht überall so aus.

Homeoffice weckt Ängste

Homeoffice gehört zwar zu den populärsten Themen, wenn es um die moderne Arbeitswelt geht. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit täuscht über die tatsächliche Verbreitung und Beliebtheit hinweg. „Arbeiten zu Hause ist kein Massenphänomen“, stellte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, kürzlich in seiner Homeoffice-Studie fest. Demnach bieten zwar mittlerweile 26 Prozent aller deutschen Betriebe zumindest einem Teil ihrer Angestellten mobiles Arbeiten an. Aber nur zwölf Prozent der Beschäftigten nehmen das der Untersuchung zufolge in Anspruch. Für mehr als jeden Zweiten (56 Prozent) ist die Trennung von Beruf und Privatem ein Argument gegen Homeoffice.

Dabei kann eine sorgfältige Vorbereitung helfen, von vornherein Demarkationslinien festzuschreiben und Ängste abzubauen. Klare Absprachen zu Rechten, Pflichten und Arbeitszeiten verhindern, dass das Homeoffice klammheimlich zur ungewollten „Scheinselbstständigkeit“ wird, bei der ein auf sich allein gestellter Betroffene den eingesparten Arbeitsweg mit einer Fülle zusätzlicher Pflichten und ständiger Erreichbarkeit bezahlt. Der Aufwand lohnt sich. Denn erfolgreich umgesetzte Heimarbeit steigert neben der Produktivität auch die Zufriedenheit der Angestellten.

Sechs Tipps zum Start ins Homeoffice

1. Vorteile und Nachteile abwägen

Wenn der Vorgesetzte die Möglichkeit anbietet, im Homeoffice zu arbeiten, wirkt das häufig wie Vertrauensbeweis und ein Dankeschön für gute Arbeit. „Vorteile kann es viele geben“, meint Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di. „Etwa, dass Homeoffice das konzentrierte Arbeiten an Projekten in einer ruhigen Umgebung zu Hause eher ermöglicht als in einem Büro mit viel Publikumsverkehr. Auch gelingt oft eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“

Der Experte rät aber trotz spontaner Begeisterung dazu, den Wechsel ins Homeoffice gut zu überdenken. „Durch Homeoffice kann eine Entgrenzung von Beruf und Freizeit beschleunigt werden. Oft ist es zudem für einen Beschäftigten auch sinnvoll, zumindest in regelmäßigen Abständen im Betrieb beziehungsweise im Team zu arbeiten, um an wichtigen Diskussionen mit den Kolleginnen und Kollegen beteiligt zu werden.“

2. Freiwillig & temporär

Klar ist: Homeoffice ist immer freiwillig. „Den Beschäftigten darf aufgrund des Wunsches oder der Ablehnung oder der Beendigung des selbstbestimmten mobilen Arbeitens kein Nachteil entstehen“, unterstreicht Reuter. Das bedeutet: Homeoffice darf immer (mit einer Ankündigungsfrist) abgebrochen werden, wenn es nicht den Erwartungen entspricht. Wird das vorab klar kommuniziert, sind womöglich mehr Beschäftigte willens, Heimarbeit auf Probe zu versuchen.

Der freiwillige Charakter des Homeoffice bedeutet laut Reuter zudem, dass der Arbeitsplatz im Betrieb weiterhin zur Verfügung stehen muss: „Denn der Anspruch auf Arbeit an selbstgewählten Arbeitsorten darf kein ‚entweder – oder‘ bedeuten.“

3. Verlässliche Absprachen

„Klar ausgehandelte Bedingungen, zu denen Homeoffice stattfinden soll“, sind für den ver.di-Experten das A und O beim Wechsel in die Heimarbeit. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin schlägt in ihrem Ratgeber zur Einführung neuer Arbeitszeitmodelle ein Pflichtenheft vor, in dem Wünsche und Ziele aller Seiten festgehalten werden.

Reuter empfiehlt, vorab abzusprechen, wie etwaige Konflikte gelöst werden. Das erhöht die Sicherheit für Beschäftigte, dass räumliche Distanz nicht automatisch dazu führt, weniger Gehör zu finden. Der Experte plädiert zudem für eine Unterweisung oder Schulung am Anfang der Heimarbeit, unter anderem zu Fragen des Arbeitsschutzes.

4. Klare Arbeitszeiten im Homeoffice

Apropos Arbeitsschutz: Die gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitszeit gelten selbstverständlich auch im Homeoffice. Betriebe sollten laut Reuter unter anderem klarstellen, dass eingesparte Fahrzeiten nicht als Arbeitszeiten zusätzlich erbracht werden müssen.

Klare Arbeitszeiten für das Homeoffice helfen dabei, Ansprüche und Erwartungen verlässlich zu definieren. Die Beschäftigte muss dann also nicht allein entscheiden, wie sich die frühere Präsenz im Büro in Heimarbeit „umrechnen“ lässt. Genau das führt häufig zu Überarbeitung und schwammigen Grenzen zum Privatleben.

Ein Punkt ist bei den Arbeitszeiten noch entscheidend: Die Beschäftigten sind laut Reuter nicht verpflichtet, ständig ansprechbar zu sein. Auch für Mitarbeiter im Homeoffice bestehe das Recht auf Nichterreichbarkeit.

5. Arbeitsplatz: mehr als der Küchentisch

Flexibles Homeoffice findet meist am Esstisch statt. Da machen es sich viele Arbeitgeber aber zu einfach, kritisiert Reuter. Denn Homeoffice ist zwar flexibel, dabei aber kein Arbeitsplatz zweiter Klasse. „Der Arbeitgeber muss die notwendigen Arbeitsinstrumente und die notwendige Büroeinrichtung stellen, die den ergonomischen Anforderungen nach dem Stand der Technik und der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht“, unterstreicht der Gewerkschafter.

Arbeitgeber seien auch beim selbstbestimmten mobilen Arbeiten gesetzlich verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten Sorge zu tragen. „In der Regel wird die technische Ausstattung gestellt, für die erstmalige Einrichtung eine Pauschale gezahlt“, erklärt Reuter. Er verweist auf den Manteltarifvertrag einer Krankenkasse. Der sieht laut ver.di für Gebietsleiter pauschal 600 Euro vor, um das Homeoffice einzurichten (Mobiliar und Herrichtung der Räume).

6. Laufende Kosten in Rechnung stellen

Viele Firmen setzen unter anderem deshalb auf Homeoffice, weil sich dadurch der Umzug in größere Büroräume hinauszögern lässt. Heimarbeit ist aber im Idealfall auch hinsichtlich der Betriebskosten nicht zum Nulltarif zu haben. „In einer zusätzlichen Vereinbarung sollte geregelt werden, welche Kosten die/der Beschäftigte monatlich geltend machen kann“, empfiehlt Reuter und nennt unter anderem Aufwendungen für Internetzugang, Telefon, Strom, Heizung und Reinigung. „Generell werde die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber unterschiedlich in Tarifverträge geregelt“, erklärt der Experte. „Die laufende Nutzung des Homeoffice wird dann auch mit einer monatlichen Pauschale abgegolten.“

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