
New York ist eine Stadt der Workaholics in einem Land der Workaholics. Entsprechend groß war die Aufregung, als im vergangenen Sommer der neue New Yorker Bürgermeister etwas wagte: er fuhr in den Urlaub. Und das ganze neun Tage lang. Der Demokrat Bill de Blasio, seit Anfang 2014 im Amt, urlaubte mit seiner Familie in Italien, kletterte über venezianische Brücken, planschte auf Capri, schüttelte ein paar italienische Bürgermeisterhände und ließ sich dabei ausgiebig von italienischen Fans und mitgereisten Journalisten fotografieren.
De Blasios Vorgänger Rudy Giuliani und Michael Bloomberg waren zwar immer mal ein paar Tage weg, aber sie haben nie offiziell Urlaub angemeldet. Sie arbeiteten Wochenenden durch und gönnten sich nur ganz selten mal ein verlängertes Wochenende, das sie in ihren jeweiligen Anwesen in den Hamptons beziehungsweise auf den Bahamas verbrachten. Mehr als 20 Jahre lang hat kein New Yorker Bürgermeister eine Woche Urlaub genommen. Entsprechend genüsslich wälzten konservative Zeitungen und die Boulevardpresse jedes Detail der Italienreise des linken neuen Bürgermeisters aus.





Urlaub ist für viele Amerikaner etwas sehr, sehr ungewöhnliches. Wer überhaupt Ferien macht, fährt für ein paar Tage an einen nahegelegenen Badesee oder vielleicht nach Disneyland. Eine ganze Woche Auszeit ist schon sehr lang – und wenn überhaupt, dann nimmt man sie am besten über einen der nationalen Feiertage herum. Überhaupt arbeiten die Amerikaner lang und oft. Wer in New York lebt, erlebt es immer wieder: Freunde, die die Brunchverabredung am Sonntag absagen, weil sie ins Büro müssen. Andere Menschen, die vor 21 Uhr nie Zeit haben, weil es abends noch Meetings gibt. Und großes Staunen, wenn es doch einer schafft, eine richtige Reise zu unternehmen. Die langen Sommerurlaube der Deutschen kommen den Amerikanern surreal vor – und fast schon anstößig. Wer frei macht, gilt als faul oder als nicht ausreichend belastbar. Die Forschung dazu ist vielfältig.
42 Prozent der Amerikaner haben im vergangenen Jahr keinen einzigen ihrer ohnehin spärlichen Urlaubstag genommen, hat eine neue Studie ermittelt. Die amerikanische Reise-Nachrichtenwebsite Skift hat 1500 Amerikaner befragen lassen. Nur 15 Prozent nahmen mehr als 20 Tage. Weggefahren sind nur 37 Prozent während ihres Urlaubs und ins Ausland reisten nur 13 Prozent der Menschen.
Schlimmer geht immer – Wo noch mehr gearbeitet wird!
Unsere direkten Nachbarn sind noch fixierter auf ihre Arbeit. 51 Prozent arbeiten bis zu drei Stunden täglich in ihrem Urlaub und elf Prozent sogar noch länger.
Wer bei dem südamerikanischen Land nur an die Copacabana und den farbenfrohen Karneval denkt, irrt. Dort wird hart geschuftet – sogar im Urlaub. Mehr als die Hälfte der befragten Brasilianer arbeitet mehr als drei Stunden pro Tag.
Im Reich der Mitte gibt es scheinbar kein Entkommen vor der Arbeit. 47 Prozent arbeiten im Urlaub bis zu drei Stunden täglich, 44 Prozent packen nochmal die eine oder andere Stunde drauf.
Zwar arbeiten in Frankreich nur 44 Prozent der Befragten bis zu drei Stunden, also weniger als in der Bundesrepublik. Dafür liegt die Zahl derjenigen, die über drei Stunden arbeiten, deutlich höher – nämlich bei 14 Prozent.
In Indien ist das Arbeiten in der Freizeit wesentlich ausgeprägter. Über die Hälfte der Beschäftigten arbeitet bis zu drei Stunden täglich, 27 Prozent sogar darüber hinaus.
Auch im dritten asiatischen Land wird während der Freizeit geschuftet. 45 Prozent arbeiten bis zu drei Stunden, 21 Prozent noch länger.
Das nordamerikanische Land ist nicht gerade für Hektik und Stress bekannt, dennoch wird auch dort im Urlaub eifrig gearbeitet. Über die Hälfte der Kanadier beschäftigen sich bis zu drei Stunden täglich mit Ihrem Job.
Knapp die Hälfte der Mexikaner geben an, sich im Urlaub täglich bis zu drei Stunden mit ihrem Job zu beschäftigen. Ein weiteres Viertel kümmert sich sogar mehr als drei Stunden um Geschäftliches.
Ganze 61 Prozent der befragten Südafrikaner arbeiten bis zu drei Stunden täglich in ihrem Urlaub. Besonders eifrig sind die Bewohner der südafrikanischen Metropole Johannesburg.
In den USA ist der Prozentsatz der Urlaubs-Arbeiter ähnlich hoch. 58 Prozent sind bis zu drei Stunden täglich mit ihrem Job beschäftigt.
Die meisten Amerikaner haben zehn Urlaubstage und bekommen Geld an sechs gesetzlichen Feiertagen im Jahr – das hängt aber von der Gnade der Arbeitgeber ab. Die Deutschen, Dänen, Franzosen und Spanier haben im Schnitt 30 Tage Urlaubsanspruch – und nehmen auch alle 30. Die USA sind die einzige Industrienation, in der Arbeitnehmer kein Recht auf bezahlten Urlaub, bezahlte Krankheitstage oder Gehalt an Feiertagen haben. Fast jeder vierte arbeitende Amerikaner hat deswegen überhaupt keine bezahlten Ferien. Sogar Japan bietet mehr als die USA: 28 Urlaubstage. Die traditionell überarbeiteten Japaner nehmen allerdings nur zehn davon.
Laut einer Studie des Marktforschers Oxford Economics im Auftrag des Verbands U.S. Travel Association verfallen in den USA jedes Jahr 169 Millionen Urlaubstage ungenutzt. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmer den Arbeitgebern Jahr für Jahr umgerechnet 52,4 Milliarden Dollar schenken. „Amerikaner sind Arbeits-Märtyrer“, heißt es in der Studie. „Sie sind an das Büro gefesselt, sie lassen jedes Jahr mehr bezahlte Auszeit ungenutzt, geben etwas auf, das sie sich verdient haben und arbeiten im Grunde für nichts.“