Und es sind nicht nur die Urlaubstage. Die Menschen in den USA arbeiten auch länger pro Tag. 32 Prozent der Amerikaner arbeiten mehr als 45 Stunden pro Woche. In Deutschland sind das nur 18 Prozent, in Frankreich sogar nur vier Prozent. Während die Amerikaner über das Jahr hinweg lange Jahrzehnte lang genauso viel arbeiteten wie der Rest der Industrienationen, schafft heutzutage kein Durchschnittsarbeitnehmer in einem anderen Land so viele Arbeitsstunden pro Jahr wie die Amerikaner: 1800. Laut einer Studie des Wirtschaftsprofessors Daniel Hamermesh von der Royal Holloway University of London arbeiten Amerikaner außerdem deutlich häufiger nachts und am Wochenende. Und laut der OECD gehen Amerikaner mit 65 Jahren in Rente – hier geht es nicht um das offizielle, sondern um das tatsächliche Rentenalter. In Deutschland sind Männer 62,1 und Frauen 61,6 Jahre alt, wenn sie aufhören zu arbeiten.
Hintergrund des Ganzen ist nicht, dass die Amerikaner von Natur aus so viel fleißiger sind als die Deutschen. Arbeitsmoral ist kulturell, aber viele Amerikaner werden auch zum Fleiß gezwungen. Viele arbeiten nicht mehr in klassischen Angestelltenverhältnissen, sondern haben mehrere Jobs, werden pro Stunde oder pro Tag bezahlt oder sind Freiberufler – und jeder Tag ohne Gehalt bringt echte finanzielle Engpässe. Die Skift-Umfrage hat ergeben, dass Menschen mit den geringsten Einkommen auch am seltensten Urlaub nehmen. Mehr als 45 Prozent der Amerikaner, die 25.000 Dollar oder weniger im Jahr bekommen, nahmen keinen einzigen Urlaubstag. Alle Befragten, die mehr als 150.000 Dollar verdienen, nehmen zumindest ein paar Tage frei. Und es gibt immer mehr Arme. Die Mittelklasse, so definiert man in Amerika Haushalte mit einem Jahreseinkommen zwischen 35.000 und 100.000 Dollar, schrumpft. 1960 fiel noch die Hälfte der Amerikaner in diese Gruppe, heute sind es nur noch 43 Prozent – und das liegt nicht daran, dass der Durchschnitt reicher wird, sondern dass mehr Leute sozial absteigen.
Die Hauptauslöser von Stress
Arbeit
Für 60 Prozent der Befragten ist der Broterwerb ein großer Stress-Faktor.
Wirtschaft
Die allgemeine wirtschaftliche Lage macht 49 Prozent die größten Sorgen.
Familie
Seine Familie kann man sich nicht aussuchen: familiäre Pflichten und Verantwortung stressen 47 Prozent der Befragten.
Gesundheit
Sorgen um die eigene Gesundheit stressen 46 Prozent der Befragten.
Viele Amerikaner bekommen auch kein Gehalt, wenn sie krank zu Hause bleiben müssen. Von denjenigen, die in der Privatwirtschaft arbeiten, bekommen zwar 61 Prozent ein paar Tage lang Krankengeld. Anfang der 90er Jahre waren es nur 50 Prozent. Aber gerade die Menschen, die in schlecht bezahlten Jobs arbeiten, bekommen es nicht. In einzelnen Städten und Bundesstaaten gibt es inzwischen Gesetze zu „paid sick leave“, zum Beispiel in New York, aber sie gelten für viele Amerikaner in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen nicht. Die US-Regierung plant gerade, ein Gesetz dazu einzuführen – aber ob und wann es jemals in Kraft tritt, ist ungewiss.
Geld ist der größte Stressfaktor in den USA
72 Prozent der Erwachsenen berichten, dass sie sich zumindest hin und wieder von Geldsorgen gestresst fühlen. 22 Prozent gaben an, dass Geld ein extremer Stressfaktor für sie ist. 26 Prozent gaben an, das ihre Geldsorgen sie fast immer begleiten
Auslöser für solche Stresssituationen sind etwa unerwartete Ausgaben, Rücklagen für die Rente zu schaffen und Ausgaben für lebensnotwendige Güter.
32 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Finanzen es nicht zulassen, einen gesunden Lebensstil zu führen.
Zwölf Prozent der Amerikaner haben im vergangenen Jahr einen eigentlich nötigen Arztbesuch aus Geldsorgen nicht gemacht.
Vor Urlaub haben viele Amerikaner regelrecht Angst. Laut der Studie der US Travel Association fürchten sie zum einen, ihren Job zu verlieren, und zum anderen, dass sich nach dem Urlaub so viele Aufgaben angestaut haben, dass die Erholung schnell zunichte gemacht wird. Und mehr als ein Drittel der Amerikaner haben Schuldgefühle gegenüber ihrem Arbeitgeber, wenn sie frei machen – und hoffen, dass sie als bessere Mitarbeiter gelten, wenn sie auf Urlaub verzichten. Es gebe in vielen Unternehmen eine „Kultur des Überarbeitens“, hat die Umfrage ergeben. Dabei ist es genau andersherum: wer Urlaub nimmt, bekommt schneller eine Gehaltserhöhung und wird befördert, sagt Roger Dow von der US Travel Association – der allerdings auch ein Geschäftsinteresse daran hat, dass die Menschen Reisen buchen.