Outplacement Zum Abschied gibt's noch einen Coach

Wenn Unternehmen Mitarbeitern kündigen, bieten sie den Geschassten gerne eine Outplacementberatung an. Das hilft, Streit zu vermeiden. Der Trend geht hin zu kürzeren und befristeten Einzelcoachings.

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Coaching: Mehr als 25 Berufsverbände in Deutschland Quelle: Cooper - Fotolia.com

Nach der Finanzkrise setzten viele Banken Manager en masse vor die Tür. Und auch die Energiewende brachte bereits etliche Führungskräfte der großen Energiekonzerne um den Job. Beides bescherte laut Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) den Outplacementberatern einen Auftragsboom. 2010 und 2011 – die Jahre unmittelbar nach dem Crash – bescherten der Branche zwar zunächst einen Knick. „Doch nach einem Umsatzminus von 12 Prozent befindet sich die Outplacementberatung seit 2012 wieder auf Erfolgsspur“, so Stefan Detzel, Vorsitzender des BDU-Fachverbands Outplacementberatung.

Der Zehn-Jahres-Rückblick zeigt: Die ursprünglich aus Amerika importierte Dienstleistungsindustrie hat sich ihren Platz auch in Deutschland erobert. 2004 erzielten die Dienstleister für Trennungsmanagement, die im Auftrag von Arbeitgebern Führungskräfte dabei coachen, nach einer Kündigung eine neue Aufgabe zu finden, einen Jahresumsatz von 40 Millionen Euro. 2013 waren es schon 74 Millionen Euro und auch für 2014 ist die Branche zuversichtlich und geht erneut von einem zweistelligen Plus auf 83 Millionen Euro Umsatz aus. Laut BDU-Umfrage ernährt das Geschäft mittlerweile rund 200 festangestellte und weitere 300 freiberufliche Outplacementberater plus 160 Backoffice-Kräfte hierzulande. Sie arbeiten in einem der bundesweit rund 50 spezialisierten Beratungshäuser oder aber sind für eine der rund 150 Beratungsgesellschaften tätig, die Outplacement neben anderen Dienstleistungen anbieten.

Die branchenkonjunkturelle Delle hat den Outplacementberatern zwar gezeigt, dass ihre ursprüngliche Annahme: „Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es uns automatisch gut“ so nicht stimmt. „Doch der jetzt wieder aufgenommene Wachstumspfad beweist, dass es die Outplacementberatung, die in Deutschland in den Anfangsjahren vor allem bei Betriebsräten auf erheblichen Widerstand stieß, geschafft hat, sich aus dem Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern herauszuarbeiten“, so BDU-Vizepräsident Herbert Mühlenhoff: „Wir nehmen deutlich wahr, dass besonders die Betriebsräte Vereinbarungen der Unternehmensleitung für Outplacementberatungsprogramme viel offensiver unterstützen und befürworten als früher“.

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Eva Manger-Wiemann, Partnerin der Zürcher Metaconsultingfirma Cardea bestätigt diesen Trend. „Im Personalmanagement von großen Unternehmen gehört es heute fast schon zum guten Ton, Mitarbeitern, die entlassen werden sollen, eine Standard-Outplacementberatung anzubieten“, so die Expertin für den Beratungsmarkt. Für Unternehmen mache es aus den unterschiedlichsten Gründen Sinn, Fach- und Führungskräfte, von denen sie sich trennen wollten oder müssten, für die berufliche Neuorientierung einen Coach an die Seite zu stellen. Wer im Kündigungsgespräch jemandem das Angebot macht, ihm beim Start in die nächste Karriere zu helfen, kann allein mit dieser Geste häufig Streit vermeiden. Doch selbst wenn eine Trennung im Rechtsstreit endet, punkten die Arbeitgeber vor den Arbeitsgerichten allein schon mit dem Hinweis, dass sie dem betroffenen Kläger doch sogar großzügig einen Coach finanzieren hätten wollen. Für die Unternehmen macht das Investment finanziell vor allem aber dann Sinn, wenn der Anstellungsvertrag eines Managers noch mehrere Jahre ausbezahlt werden müsste. „Wenn der betroffene Kandidat mit Hilfe eines Outplacementberaters in solchen Fällen schneller woanders eine Stelle findet als die Laufzeit seines Anstellungsvertrages währt, spart das Kosten“, so Manger-Wiemann.

Der typische Outplacement-Kandidat ist 44 und verdient 100.000 Euro im Jahr

Die BDU-Studie zeigt, dass die Kandidaten, die Outplacement in Anspruch nehmen, einerseits immer jünger werden,. Zugleich steigt aber auch der Anteil der über 50-Jährigen, die sich nach einem Rauswurf coachen lassen. Knapp die Hälfte der Outplacement-Kandidaten sind zwar auch heute noch 40- bis 49-jährige Fach- und Führungskräfte. 2012 war von den insgesamt 7.200 betreuten Kandidaten jedoch schon knapp ein Drittel erst zwischen 30 und 39 Jahre alt, mehr als ein Drittel gehört der Generation 50+ an. Im Schnitt verdient der typische Outplacement-Kandidat pro Jahr 100.000 Euro. Frauen scheinen besonders offen für die vom Arbeitgeber finanzierte Karriereberatung zu sein.

 

Der Trend geht hin zum befristeten Einzelcoaching ohne Garantie

Diese Berufsgruppen arbeiten am meisten
Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer arbeiteten 2015 durchschnittlich 1.657 Stunden Quelle: ZB
ArbeitstageWas sich dagegen viel stärker geändert hat, sind die Tage, an denen gearbeitet wird. Von "Samstags gehört Vati mir" ist in vielen Branchen nichts mehr zu spüren: Im Jahr 2015 arbeitete gut jeder Vierte (26,5 Prozent) ständig oder regelmäßig an Samstagen oder Sonntagen. 20 Jahre zuvor, im Jahr 1996, waren es noch 23,5 Prozent. Bis zum Jahr 2007 war der Anteil auf den bisherigen Höchststand von 27,8 Prozent angestiegen und bis 2015 wieder etwas zurückgegangen. Quelle: dpa
Wohnungsanzeige Quelle: dpa
Ein junger Mann liest kleinen Kindern etwas vor Quelle: dpa
Zwei Männer putzen Fenster Quelle: dpa/dpaweb
Zwei Frauen richten ein Bett in einem Hotel Quelle: dpa/dpaweb
Ein Mann arbeitet an einer Maschine Quelle: dpa

 

Der Trend geht weg von der Gruppenberatung hin zum Einzelcoaching, weg von unbefristeten Betreuungsprogrammen, die erst dann enden, wenn der Kandidat eine neue Aufgabe gefunden hat, hin zu zeitlich befristeten Caochings, die in den meisten Fällen sechs Monate nicht überschreiten. Der BDU-Studie zufolge – die wohlgemerkt auf einer Beraterumfrage basiert – sollen sich bereits nach einem halben Jahr knapp 70 Prozent der betreuten Mitarbeiter neu orientiert – dass heißt eine angestellte, selbstständige oder sonstige Tätigkeit für sich entdeckt haben. 91 Prozent soll die Neuorientierung spätestens nach einem Jahr gelingen. „Ob ein Kandidat am Ende wirklich persönlichen Gewinn aus dem Coaching zieht und sich damit auch die Investition aus Arbeitsgebersicht nachhaltig auszahlt, kommt auf die Qualität des Beratungshauses an“, so Manger-Wiemann.

Die zweite Karrierehälfte aktiv steuern

Hier bleibt dem Einzelnen jedoch nur übrig, sich im Markt nach guten Coaches umzuhören. Wenn dann noch die Chemie zwischen Kandidat und Berater stimmt, kann eine gelungene Outplacementberatung sogar dazu führen, dass endlich anzugehen, was man ohnehin schon immer wollte. „Früher stand am Anfang unserer Coachings häufig erst einmal die emotionale Verarbeitung der Trennungssituation. Das ist seltener geworden“, berichtet Heike Cohausz, Partnerin der Düsseldorfer Karriere- und Outplacementberatung P4 Career Consultants. „Heute steht für die Kandidaten eher im Vordergrund, die Chance zu nutzen, die zweite Hälfte ihrer Karriere aktiv auszugestalten. Work-Life-Balance, persönliche Lebensziele, Motivation, Antreiber und das eigene Karriereverständnis spielen in den Gesprächen eine viel größere Rolle“.

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Viele hegen den Wunsch, ihre restlichen Berufsjahre mit einer sinnstiftenderen Tätigkeit verbringen zu können. Damit dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann, ziehen Profis wie Cohausz in Einzelgesprächen erst einmal Bilanz und arbeiten heraus, welche beruflichen Erfolge als Grundlage für den Neuanfang vorliegen, welche Werte dem Kandidaten wichtig sind und wie er seine persönlichen Kompetenzen und Stärken, aber auch Schwächen ganz konkret bestimmten Arbeitgebern am besten vermitteln kann. Einer Leiterin der Kreditabteilung einer Düsseldorfer Bank gab dieser sehr individuell gestaltete Selbstfindungsprozess kürzlich die Kraft, sich komplett umzuorientieren. „In unseren Gesprächen hatte sich gezeigt, dass die Frau einen guten Blick dafür hatte, was Menschen wirklich brauchen und dass sie davon träumte, im Sozialbereich zu arbeiten“. Gemeinsam mit Cohausz entwickelte sie die Idee, sich aktiv, also auch ohne konkrete Stellenausschreibungen zum Anlass zu nehmen, bei Sozialeinrichtungen zu bewerben. Mit Erfolg: Die Finanzexpertin punktete mit ihrer Erfahrung im Umgang mit Geld und Investitionen, ihren Kenntnissen von Fördermöglichkeiten. Cohausz: „Heute ist die Frau Geschäftsführerin einer international tätigen, gemeinnützigen Organisation“.

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