Pandemische Umverteilung Der Trend zum Homeoffice wird zur Umverteilungsmaschine

Seite 2/2

Besserverdiener profitieren stärker vom Homeoffice

Von diesen Vorzügen profitiert vor allem eine gesellschaftliche Gruppe. „Was die Daten ganz klar zeigen, ist dass in wohlhabenden Haushalte mehr Menschen im Homeoffice arbeiten“, sagt Koch. Sie haben zudem oft deutlich längere Pendelwege, weshalb jede gesparte Strecke mehr wert ist. Insgesamt profitieren so die Besserverdiener stärker vom Homeoffice. Die obersten zehn Prozent sparen zweimal mehr als die untersten zehn Prozent, so Koch. 

Und auch das Klima ist von der zunehmenden Heimarbeit betroffen. 4,5 Millionen Tonnen CO2 würden bei einer Homeofficequote von 15 Prozent entfallen, etwa 3 Prozent der jährlich Emissionen im Transportsektor. Zum Vergleich: Das Umweltbundesamt schätzt, dass ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen bis zu 5,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen könnte.

Was Nicolas Koch und seine Kolleginnen in ihren Berechnungen noch nicht in vollem Umfang mit einbeziehen, sind die stark gestiegenen Energiepreise. Zwei mögliche Auswirkungen sieht Koch dafür: Tanken wird teurer, was die Einsparungen für jeden nicht gefahrenen Kilometer zur Arbeit potenziell noch höher werden ließe. Heizen wird teurer, was die Homeoffice-Kosten etwas treiben könnte. Insgesamt sieht er die Kalkulation aber nach wie vor als zutreffend an. 



5800 Euro Zeitersparnis

Was sich auch durch die Energiepreise nicht ändern wird, ist eine andere Form der Einsparung: 175 Stunden verbringt der durchschnittliche Arbeitnehmer auf dem Weg ins Werk oder ins Büro. Wer im Homeoffice arbeitet, gewinnt diese Zeit zurück. Die Ökonomen skizzieren in ihrer Studie eine Möglichkeit, auch dies in Geld auszudrücken. Eine Stunde Pendeln bepreisen sie mit etwa der Hälfte eines Stundenlohns. So ergeben sich durchschnittliche Ersparnisse von knapp 3000 Euro. Doch auch hier liegt eine große Spanne zwischen oben und unten. Die reichsten zehn Prozent sparen 5800 Euro – die ärmsten zehn Prozent bloß 650 Euro. 

Die politischen Implikationen dieser Schätzungen sind gravierend, zeigen sie doch den Trend zum Homeoffice als Umverteilungsmaschine von unten nach oben, die man zumindest steuerpolitisch bremsen könnte. Derzeit passiert allerdings das Gegenteil, weil das Homeoffice sogar noch gefördert wird. Für den Klimaökonom Nicolas Koch ist noch ein anderer Aspekt bedenkenswert: Grundsätzlich seien die Klimafolgen der Heimarbeit zu begrüßen, „wir sollten uns darauf aber nicht verlassen“, so der Forscher, „Der Trend zum Homeoffice entlässt uns nicht aus der Pflicht, gute Klimapolitik zu machen.“

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Denn wenn Menschen mehr Einkommen zur Verfügung hätten und Zeit und Geld im Homeoffice sparen, heiße das nicht, dass sie diese Ersparnis auch klimaneutral an anderer Stelle ausgeben. Konkreter: Das CO2, das bei Arbeitswegen eingespart wird, kann bei häufigeren Ausfahrten in der Freizeit doch wieder ausgestoßen werden. 

Mehr zum Thema: Macht uns das Arbeiten in den eigenen vier Wänden zufriedener? Eine neue Studie sagt: Nicht unbedingt. Es kommt auf die Dosierung an.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%