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Pro Schwesigs Gesetz verdient Unterstützung

Unternehmen sollten Familienministerin Schwesig und ihr geplantes Entgeltgleichheitsgesetz unterstützen. Notwendig ist ein Wandel des öffentlichen Bewusstseins, meint Christa Binswanger von der Universität St. Gallen.

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Hier verdient „Frau“ weniger als „Mann“
Versicherungskauffrau/-mannWenn frau Versicherungen verkauft, dann nicht für denselben Lohn wie ihre Kollegen. Das zeigt der Gehaltscheck der Hans-Böckler-Stiftung. Während Versicherungsfrauen monatlich einen Bruttolohn von 3012 Euro erhalten, bekommt ihr männlicher Arbeitskollege für dieselbe Tätigkeit über Tausend Euro mehr, nämlich 4160 Euro. Die Differenz zwischen den Gehältern liegt somit bei 28 Prozent. Quelle: dpa
Köchin/KochWer in Restaurants oder Kantinen den Kochlöffel schwingt und noch dazu weiblich ist, für den fällt die Lohnabrechnung am Monatsende eher gering aus. Nur 1800 Euro brutto verdienen Köchinnen, während ihre männlichen Kollegen fast 400 Euro mehr bekommen, nämlich 2179 Euro. Die Differenz liegt dadurch bei 17 Prozent. Quelle: dpa/dpaweb
Sozialarbeiter/-inAuch bei Sozialarbeitern wird die Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern immer größer und liegt nun bei 16 Prozent Unterschied. Während Männer monatlich 3326 Euro brutto verdienen, bekommen Sozialarbeiterinnen nur 2808 Euro für ihren Job. Rechnet man alle Berufe zusammen stehen bei Frauen übrigens durchschnittlich 4291 Euro brutto auf der Lohnabrechnung am Monatsende, bei Männern sind es 5337 Euro. Quelle: dpa
Chemiker/-inAuch im Labor hat „frau“ schlechte Karten. Chemiker verdienen monatlich rund 5237 Euro brutto pro Monat, ihre weiblichen Kollegen müssen sich dagegen mit rund eintausend Euro weniger (4291 Euro) begnügen. Damit verdient „mann“ in diesem Beruf 18 Prozent mehr als „frau“. Quelle: obs
Bauleiter/-inDer Bau ist nach wie ein männerdominierter Beruf – bei den großen Gehaltsunterschieden in dieser Branche kaum verwunderlich. Frauen verdienen als Bauleiter rund 500 Euro weniger pro Monat (3133 Euro) als ihre männlichen Kollegen (3614 Euro). Quelle: AP
Bankkauffrau/-mannAuch in der Bankenbranche sind die Gehaltsunterschiede weiterhin groß. Während Bankkaufmänner durchschnittlich 4055 Euro pro Monat verdienen, kommen Bankkauffrauen nur auf 3290 Euro und verdienen somit 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Quelle: dpa
Krankenschwester/-pflegerErstaunlich gering sind die Lohndifferenzen bei Krankenpflegekräften. Krankenschwestern kommen durchschnittlich auf ein Gehalt von 2425 Euro brutto pro Monat, Krankenpfleger auf 2613 Euro. Damit besteht nur 7 Prozent Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern. Quelle: dpa

Auch dieses Jahr soll der Equal Pay Day (EPD) daran erinnern, dass in Deutschland eine Entgeltdifferenz von 22 Prozent zwischen den Geschlechtern besteht. Und dies ist ungerecht, das versteht eigentlich jedes Kind.

Es muss also noch Bewusstseinsarbeit geleistet werden: Die Erklärung von Ursachen und Folgen soll Unternehmen dazu führen, diese Ungleichbehandlung als Ungerechtigkeit wahrzunehmen und dagegen anzugehen. Dieses Jahr steht der EPD unter dem Motto Lohntransparenz und wirbt mit dem Slogan „Spiel mit offenen Karten“. Ich möchte hier auf einige historische Gründe dieser Entgeltlücke hinweisen und Unternehmen wie auch öffentliche Einrichtungen dazu ermutigen, das „Spiel mit offenen Karten“ zu eröffnen, für das sich auch Familienministerin Manuela Schwesig mit dem Entgeltgleichheitsgesetz einsetzt.

Dr. Christa Binswanger, Leitung Fachbereich Gender und Diversity, Universität St.Gallen. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Eine der historischen Wurzeln der Ungleichbehandlung der Geschlechter liegt, so die Politologin Nancy Fraser, im Industriekapitalismus der Nachkriegszeit. Erst damals – und nur damals – war es in der westlichen Welt während circa vierzig Jahren einer Bevölkerungsmehrheit möglich, im Alleinernährer-Modell als Familie existenzgesichert zu leben. Väter brachten den Familienlohn nach Hause, Mütter übernahmen unentgeltlich Betreuungs- und Hausarbeit und stiegen mehrheitlich aus dem Erwerbsleben aus.

Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern

Bis heute wird typische Frauenarbeit (betreuen, pflegen) wenn überhaupt, dann schlechter entlohnt als typische Männerarbeit (herstellen, reparieren) – nicht zuletzt eine Folge dieses Modells, das männliche Arbeit als Grundlage des Familieneinkommens und weibliche Arbeit allenfalls als Zuverdienst verstand. Diese geschlechterspezifische Arbeits- und Einkommensaufteilung hat bis heute nachhaltige Auswirkungen, obwohl sie längst nicht mehr von einer Mehrheit gelebt wird: das Modell des Familienvaters als Alleinernährer hinkt heutigen gesellschaftlichen Realitäten stark hinterher.

Die jetzige postindustrielle Phase des Kapitalismus ist durch eine Abnahme von Einkommen, die für eine Familie ausreichend sind, durch eine Zunahme an befristeten Stellen, Teilzeitarbeit, Minijobs und durch vielfältigere Familienformen gekennzeichnet. Und immer mehr Mütter wollen die Arbeitsaufteilung in der Familie aushandeln. Forschungsresultate weisen außerdem darauf hin, dass ein Großteil der Männer ihr Erwerbsarbeitspensum zu Gunsten von mehr Familien- und Freizeit reduzieren möchte. Da sie fürchten, durch Teilzeitarbeit Karrierechancen einzubüßen, setzen sie diesen Wunsch jedoch meist nicht um. Gleichzeitig lässt sich statistisch belegen, dass das Engagement der Väter im Haushalt zunimmt. So zeigt sich immer häufiger nicht nur eine Doppelbelastung erwerbstätiger Mütter, sondern auch eine Doppelbelastung erwerbstätiger Väter.

Was aber hat dies alles mit Lohntransparenz zu tun?

Eine transparente Entlohnung, die an transparente Leistungserwartung gebunden ist, trägt zu einer Versachlichung der Leistungsbewertung bei. Wünschenswert wäre, dass die Berücksichtigung der Lebenswelten der Arbeitnehmer ebenfalls Eingang in das „Spiel mit offenen Karten“ findet. So könnte zum Beispiel auch die Reduktion eines Arbeitspensums von 100 Prozent  auf 80 Prozent  für beide Geschlechter nicht als Karrierekiller, sondern als legitimes Anliegen behandelt werden.

Würde eine transparente Entlohnung also zukünftig an Können und nicht an Geschlecht gebunden, so wäre dies nicht nur gerechter, sondern käme sowohl Frauen wie auch Männern zugute.

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