Produktivität Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt? Wie das funktionieren kann

Vier-Tage-Woche trotz 40 Stunden? Quelle: Getty Images

Ein Experiment aus Neuseeland zeigt: Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt kann sich sogar für den Chef lohnen. Funktioniert das auch in Deutschland?

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Viele Menschen wollen oder brauchen mehr Zeit jenseits des Hauptberufs. Dafür verzichten sie auf Gehalt – so denn die verkürzte Arbeitszeit überhaupt genehmigt wird. Von der gerade durch den Bundestag verabschiedeten Brückenteilzeit profitieren bei weitem nicht alle Angestellten in Deutschland. Da lässt ein Feldversuch in Neuseeland aufhorchen. Der Unternehmer Andrew Barnes senkte die Wochenarbeitszeit für seine Mitarbeiter von 40 auf 32 Stunden. Der Lohn der 240 Angestellten blieb gleich.

Am Ende war der Chef so begeistert, dass er die Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt in seinem Unternehmen womöglich dauerhaft eingeführt. Denn Barnes, dessen Firma Perpetual Guardian sich um Nachlässe und Testamentsvollstreckungen kümmert, stellte fest: Seine Angestellten arbeiteten genau so viel und gut wie vorher. Sie erledigten ihre Aufgaben aber in kürzerer Zeit und waren zufriedener mit dem Job.

„Sie arbeiteten klüger, nicht härter“, beschrieb Jarrod Haar in der „New York Times“ den Produktivitätsgewinn während des Experiments. Der Professor für Personalwirtschaft an der Auckland University of Technology begleitete den Testlauf im März und April 2018 wissenschaftlich. Die Firma ist nach Ansicht ihres Gründers Barnes möglicherweise das erste Unternehmen weltweit, das ein derartiges Lohnexperiment gewagt hat. Teilzeit oder Sechs-Stunden-Tage bei entsprechenden Lohnkürzungen sind bekannt. Aber ein komplett geschenkter Tag pro Woche, das gab es noch nicht.

Barnes hat das Experiment selbstredend nicht aus reiner Menschenliebe angestoßen. Er verwies im Gespräch mit der „New York Times“ auf eine Untersuchung aus Großbritannien. Die hatte ergeben, dass Angestellte im Durchschnitt täglich weniger als drei Stunden tatsächlich arbeiten. Der Rest der Zeit wird demnach mit diversen Ablenkungen (Social Media, Nachrichtenlesen, Privatgespräche, Rauchen, Essen) verbracht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam 2018 eine Umfrage des Unternehmens Udemy unter mehr als 1000 Angestellten in den USA. 36 Prozent der Millenials (Anfang der 1980er bis Anfang der 2000er geboren) gaben zu, täglich zwei Stunden oder länger am privaten Handy zu verbringen – während der Arbeitszeit, versteht sich. Für sie ist der inoffizielle Sechs-Stunden-Tag bei vollen Bezügen also längst Realität.

Die Vier-Tage-Woche als Ansporn

Bei Perpetual Guardian sorgte die Vier-Tage-Woche für einen Produktivitätsschub bei den Angestellten. Meetings, die früher mehrere Stunden dauern konnten, wurden auf 30 Minuten begrenzt. Kollegen verabredeten Signale, wenn sie wirklich mal störungsfrei arbeiten mussten. Auch die Arbeitsmoral profitierte von dem geschenkten freien Tag. „Vorgesetzte berichteten, dass die Mitarbeiter kreativer waren, sie fehlten seltener, waren pünktlich und gingen nicht früher oder machten lange Pausen“, bilanzierte der Forscher Haar.

Natürlich müssen diese Ergebnisse im Kontext betrachtet werden. Womöglich hat die Beobachtung durch Wissenschaftler dazu beigetragen, dass sich die Angestellten von ihrer besten Seite zeigten. Auch der Anreiz, dass die Vier-Tage-Woche vielleicht dauerhaft eingeführt wird, könnte zu einem maximalen Arbeitseifer geführt haben. Trotzdem scheint das Experiment aus Auckland darauf hinzudeuten: Eine kürzere Arbeitszeit bei vollem Lohn kann für beide Seiten ein Gewinn sein.

Stellt sich nur die Frage: Kann eine Vier-Tage-Woche bei vollen Bezügen in größerem Maßstab funktionieren?

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