Das Kündigungsgespräch kann sich wie Schlussmachen anfühlen. In beiden Fällen wird eine Beziehung beendet – den einen fällt es leichter als anderen. Wie schwer es sein kann, zeigt ein neuer Trend auf der Plattform TikTok. Unter dem Hashtag #Quittok filmen sich vor allem junge Menschen dabei, wie sie ihren Chefs mitteilen, dass sie aufhören. Die Videos haben Millionen Aufrufe, scheinen also einen Nerv zu treffen.
Eine Userin ist während des Telefongesprächs mit ihrem Chef sichtlich angespannt, sie verzieht das Gesicht, hält sich die Hände über Augen und Wangen, lacht nervös und kündigt an, dass sie gleich weinen würde. Dass sie kündigen will, spricht sie nicht mal richtig aus, ihr Gegenüber weiß, worauf das Gespräch hinausläuft. Ihre Chefin reagiert entspannt: „Wir werden traurig sein und dich vermissen“, hört man sie im Hintergrund sagen, „aber ich freue mich für dich und du wirst es großartig machen.“ In den Kommentaren finden sich zahlreiche positive Reaktionen. Viele Zuschauerinnen feuern sie an, weil sie auf sich selbst gehört und ihre Kündigung durchgezogen hat.
Die Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Inflation und die wirtschaftlichen Unsicherheiten der Unternehmen haben die Wechselwilligkeit auf dem Arbeitsmarkt auf neue Höchststände getrieben. Umfragen zufolge denkt mehr als ein Drittel der Beschäftigten über eine Veränderung nach. In einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Gallup aus dem Frühjahr 2022 wollten 42 Prozent der Befragten ihren Arbeitgeber innerhalb der kommenden drei Jahre verlassen. Diesen Wunsch auch in die Tat umzusetzen, das wagt laut einer Studie der Krankenkasse Pronova BKK nur gut die Hälfte der Frustrierten. Die anderen schreckt die tiefgreifende Veränderung ab.
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Ist die Entscheidung getroffen, folgt das Gespräch mit den Vorgesetzten. Doch wieso scheuen so viele die direkte Konfrontation?
Arbeitspsychologin Ivon Ames, Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., sieht drei Gründe: Zum einen bestehe eine Angst davor, die Kündigung publik zu machen. „Die Entscheidung wurde zwar schon vorher getroffen, aber einmal ausgesprochen ist es schwierig, diesen aktiven Schritt zurückzugehen“, so Ames. Damit gehe die Unsicherheit einher, ob die Entscheidung wirklich die richtige ist.
Ein wichtiger Faktor ist außerdem die Beziehung zur Führungskraft. Ist sie offen und partnerschaftlich, könne es Angst machen, eine negative Botschaft zu verkünden, „genauso ist es auch im Privatleben, niemand verkündet gerne schlechte Neuigkeiten und enttäuscht seine Mitmenschen“. War die Beziehung in der Vergangenheit konfliktreich, erwartet einen womöglich auch ein konfliktreiches Gespräch. „Der Mensch tendiert dazu, negative Emotionen zu vermeiden, so steigt die Anspannung vorher“.
Vor allem in Deutschland identifizieren Menschen sich stark mit ihrem Beruf. „Das merkt man auf Partys, eine der ersten Fragen ist immer ‚Was machst du beruflich?‘“, bemerkt Psychologin Ames, „die Arbeitstätigkeit wird direkt mit der Persönlichkeit in Verbindung gebracht“. Der Beruf sei heute für viele mehr als der ursprüngliche Tausch von Arbeitsleistung gegen Bezahlung, man identifiziere sich stärker mit dem Unternehmen, für das man arbeitet. Entscheidet man sich bewusst für die Veränderung, löst man auch die Bindung auf, die zu dem Unternehmen aufgebaut wurde. Deswegen fällt es auch zunehmend schwer, sich zu lösen.
Die Wechselwilligkeit macht sich besonders bei jüngeren Generationen bemerkbar. Generation Zler und Millennials achten eher auf die Arbeitsbedingungen und treffen subjektive, von sich selbst bewusst herbeigeführte, Entscheidungen. „Außerdem entsteht durch den Fachkräftemangel ein Buffet an Arbeitsplätzen, zwischen denen gewählt werden kann“, erläutert Ames, „damit steigen die Anforderungen an die Unternehmen und die Wechselwilligkeit.“
Tipps für das Kündigungsgespräch
Verwenden Sie keinesfalls Sätze wie: „Es wird schon nicht so schlimm werden!“, „Mach Dir keine Sorgen!“ oder „Das Leben geht doch weiter!“
Floskeln vermitteln dem Gekündigten nur, dass Sie mit seinen Emotionen nicht zurechtkommen. Sie wirken dadurch verunsichert. Ihre möglicherweise gute Absicht, Trost zu spenden, wird jedenfalls nicht erreicht.
Sagen Sie nicht: „Wenn ich hätte wählen können, hätte ich den Müller rausgeworfen, nicht Dich!“ oder „Was soll ich denn machen? Ich habe das ja nicht entschieden!“
So vermitteln Sie nur Hilflosigkeit und verdrehen das Geschehen auf eine fast unlautere Art und Weise: Sie zwingen den Anderen, Sie als „Opfer“ mit seinem berechtigten Schmerz zu verschonen. Außerdem müssten Sie damit rechnen, dass der betroffene Mitarbeiter seinen Gefühlen bei den Kollegen freien Lauf lässt.
Gehen Sie nicht lax oder fahrlässig mit den Gefühlen Ihrer verbliebenen Mitarbeiter um! Sparen Sie sich scheinbare Aufmunterungen wie „Ihr könnt Euch freuen, Euch betrifft es ja nicht!“
Erkennen Sie stattdessen deren Emotionen an. Es ist für niemanden einfach, wenn Kollegen entlassen werden – die Gefühle bewegen sich von Hilflosigkeit, Scham und schlechtem Gewissen gegenüber den gekündigten Kollegen bis hin zu Sorge und Ärger aufgrund der neuen Mehrarbeit.
Machen Sie grundsätzlich keine Aussagen über anstehende Entlassungen. Falls aber einer Ihrer Mitarbeiter nachfragen sollte, geben Sie ihm kleine Bissen Information. So vermeiden Sie, dass die Gerüchteküche erst richtig brodelt und möglicherweise unter den Mitarbeitern ein Hauen und Stechen beginnt.
Bleiben Sie bei der Wahrheit! Geben Sie den Bleibenden keine anderen Begründungen für die Kündigung als dem Gekündigten. Wenn auch nur einer der entlassenen Kollegen über die wahren Hintergründe spricht, haben Sie Ihr Image nachhaltig geschädigt. Das Vertrauen in Sie als Vorgesetzter ist dann verloren. In so einem Fall ist es sehr schwer, eine Mannschaft wieder in die Spur zu bringen.
Wieso habe ich die Entscheidung getroffen?
Wie kann nun die Angst vor dem direkten Gespräch genommen werden? „Ich empfehle vorher einen Schritt zurückzugehen und die Situation rational zu betrachten: Wieso habe ich die Entscheidung getroffen? Was möchte ich im Gespräch unbedingt loswerden?“, rät die Psychologin. „Eine Liste kann außerdem helfen, sich diese Punkte später erneut vor Augen zu führen, sollte an der Entscheidung gezweifelt werden“. Reagiert die Führungskraft wütend, sei es wichtig, ruhig und neutral zu bleiben, im Ernstfall die Situation aber auch zu verlassen. „Man muss im Hinterkopf behalten, dass dieses Gespräch auch der Führungskraft nicht leichtfällt, da eine Lücke hinterlassen wird.“
Filmen und im Internet verteilen sollten Sie Ihre Kündigung übrigens in Deutschland allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht.
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