Rhetorik Die Kunst des Bluffs

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Bewunderung für den Bluff

Dass es einen Zusammenhang zwischen Profession und der Bereitschaft zur Lüge gibt, zeigt sich mitunter schon während des Studiums. Darauf weisen zumindest Untersuchungen der Rutgers-Universität in New Jersey hin. Seit drei Jahrzehnten wird dort das Tricksen von Studenten erforscht, mit überraschend konstanten Ergebnissen: Ganz gleich, ob es um Plagiate bei Abschlussarbeiten, Schummeleien in Klausuren oder das Engagement von Ghostwritern geht – stets zählen Wirtschaftsstudenten zu den Teilnehmern, die besonders häufig betrügen, gefolgt von den angehenden Ingenieuren. Absolventen also, denen meist eine Laufbahn in finanziell attraktiven Branchen offensteht.

Wer derart trickst und damit durchkommt, wird mit einem emotionalen Schub fürs Ego belohnt. Psychologen sprechen vom „cheaters high“: Betrüger, die beim Schummeln nicht erwischt werden, durchströmen enorme Glücksgefühle, die sie auch im Job vorantreiben können. Dagegen kommt das eher ruhige Überlegenheitsgefühl ehrlicher Kollegen nicht an. Stattdessen werden sie allzu leicht von den Lügnern mitgerissen. Für eine Studie ließen Martin G. Kocher, Simeon Schudy und Lisa Spantig von der LMU München Teilnehmer im Labor um geringe Geldbeträge spielen, einzeln und in kleinen Mannschaften. Die Gruppen konnten sich untereinander absprechen – und nutzten die Möglichkeit bald eifrig, um gemeinsam zu schummeln. „Selbst Teilnehmer, die einzeln besonders ehrlich gespielt hatten, ließen sich im Team korrumpieren“, sagt Verhaltensökonomin Spantig. Entscheidend war die Gruppendynamik: „Sobald auch nur ein Teammitglied die Idee vorbrachte, beim Spiel zu tricksen, erodierte meist bei allen Teilnehmern die Bereitschaft zum ehrlichen Handeln.“

Trotzdem gelten auch beim dreisten Lügen Regeln. Offenbar verfügen die meisten Menschen über feine Antennen dafür, welche Falschaussage gerade noch tragbar ist – und wann eine Unwahrheit übers Ziel hinausschießt. Lutz Kaufmann unterscheidet dazu die böswillige Lüge vom geschickten Bluff, werden sie im Berufsalltag doch vollkommen unterschiedlich wahrgenommen.

Je höher das Gehalt, desto mehr Überstunden
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Da ist auf der einen Seite die glatte Lüge, etwa durch bewusst falsche Versprechen und gezielte Fehlinformationen. Auf der anderen Seite der Bluff, der eher auf vorgetäuschte Emotionen und leere Drohungen setzt. Dieser graduelle Unterschied zeigt große Wirkung, wie Kaufmann in einer aktuellen Studie nachweisen konnte. Darin ließ er 90 Praktiker um einen imaginären Rohstoffeinkauf verhandeln. Ihr Gegenüber verhielt sich in den Gesprächen unfair und erzählte entweder Lügen oder Bluffs.

Am Ende der Verhandlung sollten die Probanden angeben, ob sie gerne weiter mit dem unehrlichen Gesprächspartner verhandeln würden. Das Urteil war eindeutig: Der Lügner galt als unmoralisch und wurde abgestraft, kaum ein Teilnehmer wollte weiter mit ihm zu tun haben. Anders erging es dagegen den Probanden, die Opfer eines Bluffs geworden waren. Sie machten dem Blender keine moralischen Vorwürfe. Mehr noch: Sie ärgerten sich nicht einmal über ihn – sondern über sich selbst, weil sie einem Trick aufgesessen waren. Vielmehr bewunderten sie den geschickten Bluffer sogar noch für seine Unehrlichkeit.

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