Schuhe im Job Wenn der Absatz die Souveränität gefährdet

Absatzzwang ist ein Angriff auf die Fußgesundheit. Quelle: Getty Images

Dresscodes sind kompliziert – umso mehr, wenn es um Schuhe geht. Zwar gibt es in Deutschland keine Pflicht zu High Heels wie in Japan, doch für den richtigen Büroschuh gelten dennoch einige Regeln. Besonders im Sommer.

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Mit Schuhen kann man eine Menge falsch machen: Zu groß, zu klein, zu eng, zu unbequem, zu klobig, zu fein, zu wackelig, zu schweißtreibend, zu blasenträchtig… Im Job wird es noch komplizierter, denn hier müssen meist ungeschriebene oder offizielle Dresscodes beachtet werden. Ratgeber empfehlen je nach Anlass und Outfit jeweils passendes Schuhwerk – während die Mode die überlieferten Regeln gleichzeitig verschwimmen lässt und die Unsicherheit steigert: Sneaker zum Anzug? Sandalen oder Flip Flops bei Hitze im Büro?

In Japan übte vor Kurzem eine junge Frau den Aufstand dagegen, dass weibliche Angestellte Pumps mit hohen Absätzen tragen müssen. Der Hintergrund: Unternehmen in Japan schreiben ihren weiblichen Angestellten häufig die hohen Hacken vor. Die Frau reichte eine Petition gegen die Vorschrift beim Arbeitsministerium ein.

Anders als jetzt in Japan und bereits früher in Großbritannien oder Kanada gibt es in Deutschland noch keinen Aufschrei gegen irgendeinen Absatzzwang. Mal von Missständen wie dem Messehostessen-Business abgesehen, wo die Pflicht zu sexy Outfits (oder was männliche Besucher einschlägiger Messen dafür halten) inklusive hochhackiger Schuhe nur eines von vielen Problemen darstellen, kämpfen Stilberater hierzulande wohl eher gegen Modesünden wie Socken in Sandalen und verdreckte Bequemtreter im Büro als gegen eine überhandnehmende Tendenz zu High Heels für gegängelte Büroangestellte. Ganz zu schweigen von Unternehmen, die sich im Heimatland der Birkenstock-Sandale an eine solche Vorschrift wohl niemals heranwagen würden.

Allerdings: Je weniger Vorgaben gemacht werden, desto größer ist die Freiheit bei der Wahl von Outfit und Schuhen - jedoch auch die Gefahr, doch etwas falsch zu machen. „Ich kenne keinen Businessdresscode, der Frauen die Absatzhöhe vorschreibt“, sagt Claudia Schulz, die Leiterin des Deutschen Schuhinstituts. „In bestimmten Branchen wird es allerdings gerne gesehen, wenn nicht unbedingt Sneaker getragen werden.“ Doch in Deutschland würden die Vorschriften nach wie vor eher lockerer. „In Banken etwa werden gerne zum Rock oder zum Kleid Ballerinas getragen. Dankenswerterweise gibt die aktuelle Mode einige feminine und elegante Schuhe her, die bequem sind.“

Deutschen Angestellten bleiben also die hohen Absätze erspart, nicht aber die vielen Untiefen bei der Frage: Was ziehe ich an? Auch Katharina Starlay, Mitglied im Deutschen Knigge-Rat und Mit-Autorin von „Der große Knigge“, hält nichts davon, irgendeine Absatzhöhe zu verordnen. „Da ich nach vielen Jahren als Führungskraft im Einzelhandel selber weiß, wie sehr das Wohlbefinden vom Fuß abhängen kann, finde ich, dass das zu weit geht. Man kann Dresscodes definieren oder seine Mitarbeiter einkleiden, aber eine Absatzhöhe ist in meinen Augen ein Übergriff auf die Fußgesundheit“, sagt die Stilberaterin und Designerin.

Der Schuhtyp entscheidet über die Eleganz

Was aber macht einen Schuh elegant, wenn nicht der Absatz? „Elegant ist das Schmale, nicht unbedingt das Hohe. Es hängt auch vom gesamten Schnitt des Schuhs ab. Die Höhe allein macht einen Schuh noch lange nicht elegant“, sagt Starlay. Modelle der Wahl im Business sind laut Claudia Schulz vom Schuhinstitut zum Beispiel Ballerinas, Slings (vorn geschlossene Schuhe mit einem Riemen um die Ferse), auch manche Loafer oder Halbschuhe. „Wie schick und festlich ein Schuh wirkt, hängt nicht nur vom Typ, sondern auch von den Materialien und von Applikationen wie Perlenbesatz und ähnlichem ab“, sagt Schulz.

Eleganz hänge vielmehr auch von der Haltung eines Menschen ab, betont Stilberaterin Starlay. Diese wiederum sei aber vom Schuhwerk abhängig. „Der Schuh spielt eine große Rolle für die Körperhaltung und für den Gang. In ihrem Ratgeber „Stilwissen to-go“ schreibt sie: „Absätze im Geschäftsalltag sollten nur so hoch sein wie Sie in Ihnen gut gehen können. Ihre Ausstrahlung leidet, wenn Sie eine unsichere Statik haben. Eine Ausnahme sind High Heels für festliche Anlässe – die sind möglichst immer schmal. Im Alltag aber wirken flachere und/oder breitere Absätze souveräner, die Ihnen so viel Sicherheit geben, dass Sie beim Tragen nicht an sie denken müssen. Erst dann können Sie sich auf das Eigentliche konzentrieren.“

Zu hohe Absätze können also durchaus sogar negativ auswirken, wenn sie sicheren Stand und souveränen Gang verhindern. „Ein Schuh, der im Geschäftsleben schön ist, sollte Halt geben. Der richtige Halt erzeugt eine gefühlte Angezogenheit, die sich wiederum auf die Haltung zur Arbeit auswirkt – und zwar positiv“, erklärt Starlay.

Röcke und Kleider erfordern eher hohe Schuhe als Hosen

Die individuelle Vorliebe für die richtige Absatzhöhe muss auch beim weiteren Outfit berücksichtigt werden. Röcke, Kleider und Kostüme wirken häufig in Kombination mit Absatzschuhen eleganter, meint Claudia Schulz. „Ich finde es sehr schön zum Kostüm oder Kleid einen höheren Absatz zu tragen. Auch zu festlichen Anlässen finde ich höhere Absätze gefragt“, sagt die Expertin. Aber: „Man kann heute aber nicht mehr sagen, dass ein festlicher Schuh unbedingt hoch sein muss.“

Starlay vertritt hier eine etwas strengere Auffassung: „Ein Rock sieht mit ganz flachen Schuhen nicht so elegant aus, weil der Gang ein anderer ist.“ Wer vollkommen flache Schuhe bevorzuge, sei damit automatisch eher eine Hosenträgerin. Auch bei Sportverletzungen oder anderen Fußleiden gelte: Flache oder sehr bequeme Schuhe gleich: Hosenoutfit.

Sandalen sind erlaubt – aber nur für Frauen

Sandalen sind ein heikles Thema bei der Frage nach dem richtigen Schuh im Büro. Einig sind sich die Expertinnen darin, dass die vorne offenen Schuhe am Arbeitsplatz nur an sehr gepflegte Füße gehören. Eine Ausnahme bilden Branchen mit sehr konservativen Dresscodes wie Bankenwesen, Anwaltskanzleien oder Notariate. Dort herrscht vielfach auch immer noch „Strumpfzwang“, auch für Frauen. Strümpfe aber sind nicht vereinbar mit vorne offenen Schuhen. „Nackte Fußzehen sind in vielen Branchen nicht gern gesehen. Da sind die Slings eine gute Alternative, weil sie hinten nur einen Riemen haben und etwas luftiger sind, ohne Sandalen zu sein. Es scheint in vielen Unternehmen ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass die Zehen bedeckt sein sollen“, sagt Claudia Schulz vom Schuhinstitut.

Katharina Starlay sieht dies etwas lockerer. Im Knigge zu den verschiedenen Business-Dresscodes hat sie jeweils eine „light“-Variante für den Sommer definiert. Sandalen sind dabei erlaubt – mit Einschränkungen. „Wenn die Schuhe vorne offen sind, dann muss der Fuß wirklich super gepflegt sein. Und das gilt ausschließlich für Frauen. Männerfüße in Sandalen sind immer noch nicht modern oder schick“, sagt die Style-Expertin.

Keine Gummisohlen für Business-Männer

Für Männer bleiben im Sommer nicht so viele Schuhtypen wie für Frauen übrig. Dafür sind die Regeln auch etwas einfacher. Die Modeexpertinnen empfehlen Männern leichte Lederschuhe, unter Umständen seien Füßlinge statt Socken und freie Fesseln in Ordnung. „Im Sommer darf es auch mal ein guter Loafer sein, Schnürschuhe sind kein Muss“, sagt Claudia Schulz. Je nach Branche könne aber auch der dunkle Schnürschuh weiterhin die einzige Alternative sein. Dank italienischer Mode sei inzwischen auch die – ursprünglich angelsächsische – Regel „no brown shoes after 6 o‘ clock“ nicht mehr so verbreitet wie einst. „Braune Schuhe gehen inzwischen auch abends“, sagt Schulz.

Wichtig ist ihr noch ein anderer Punkt: „Männer sollten darauf achten, dass ihre Schuhe keine Gummisohle haben. Wenn viel Geld in einen Anzug investiert wird und dazu dann dicke Gummisohlen getragen werden, finde ich das ein wenig schäbig.“ Und ganz generell gelte sowieso: Alle Schuhe müssten immer gepflegt sein.

Sneaker: Symbol der Digitalisierung

Je nach Branche verschwimmen die Grenzen zwischen Business- und Alltagskleidung. Was im Knigge steht, gilt insofern für viele Arbeitnehmer nicht mehr – oder sie müssen sich auf ihr eigenes Gespür verlassen, was in ihrer Firma noch okay ist und wo der schlechte Geschmack anfängt. Eine besondere Geschichte haben dabei die Sneaker – übersetzt „Schleicher“. Als der Grünen-Politiker Joschka Fischer mit Turnschuhen sein Ministeramt in Hessen antrat, fiel er damit noch auf. Heute sind die Sportschuhe, die gar nicht zum Sport getragen werden, bis in Vorstandsetagen beliebt.

Die Veränderungen in der Arbeitswelt – Flexibilisierung von Zeiten und Orten – zeigen sich auch in der Schuhmode während des Arbeitens. Wessen Tag nicht mehr klar strukturiert ist, der kann auch nicht mehr über sein Outfit zeigen, ob er gerade im Dienst ist oder Freizeit genießt. „Die Beliebtheit von Sneakern spiegelt die generelle Tendenz wider, dass durch die Digitalisierung Arbeit und Privates immer mehr verschwimmen“, sagt Katharina Starlay. Diese verschwimmenden Grenzen würden zum Beispiel durch das Tragen von Sportschuhen stilistisch ausgedrückt.

Wichtig sei bei Sneakern wie bei allen anderen Schuhen, dass sie richtig gepflegt würden. Die meist aus Synthetikmaterialien hergestellten Schuhe sind nun einmal nicht besonders atmungaktiv. Das zeigt sich spätestens abends. Menschen mit einem Hang zu Schweißfüßen seien gerade im Sommer mit leichten Lederschuhen besser beraten.

Für schwitzende wie auch von hohen Absätzen schmerzende Füße verrät die Stil-Expertin noch einen alten Verkäuferinnentrick: „Wenn der Fuß nicht so ermüden soll, lohnt es sich, zweimal täglich die Schuhe zu wechseln, sodass man über den Tag verteilt drei Paar Schuhe trägt. Gerade als Frau, die gerne einen Absatz tragen möchte.“ In einem Baumwollbeutel ließen sich ohne weiteres ein bis zwei Paar Schuhe mit zur Arbeit nehmen.

„Der Sneaker ist wie die Jeans, er wird nicht mehr verschwinden“, ist Claudia Schulz überzeugt. „Er macht jeden Look gleich jünger, das streben viele Leute heute an. Jeder möchte halt heute jung aussehen und sportlich, auch wenn er die letzte Couchpotato ist.“ Darin liegt vielleicht die Chance für alle Sneaker-Hasser: „Wenn alle nur noch Sneaker tragen, inklusive Oma und Opa, müssen sich die jungen Leute etwas Neues suchen, um anders auszusehen“, sagt Schulz.

Gut möglich also, dass die Vertreter der Generation Z eines Tages wieder mit rahmengenähten englischen Schuhen ins Büro kommen.

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