Seeliger schätzt, dass Männer jeden Tag ein bis zwei Stunden aufs Netzwerken verwenden, obendrein Abende und Wochenenden, sei es beim gemeinsamen Segeln, Jagen und Golfen, in Verbänden, Arbeitsgruppen oder auf Fachkonferenzen. „Frauen“, sagt die Professorin, „verkneifen sich derlei Termine, konzentrieren sich auf die Sacharbeit und hängen lieber abends zu Hause noch eine Stunde dran.“ Dass auch das Netzwerken „gut investierte Zeit“ sei, sagt Seeliger, „kommt vielen Frauen leider nicht in den Sinn“.
Hinzu kommt: Frauen neigen dazu, andere Frauen nicht in erster Linie als Kolleginnen, sondern als Konkurrentinnen zu begreifen – und zwar wegen ihres Frau-Seins –, ein inzwischen in mehreren Studien belegter Befund, der sich „Queen Bee Syndrome“ nennt. So wie eine Bienenkönigin keine Widersacher duldet, sabotieren Frauen im Ernstfall andere Frauen – weil sie sie nicht als Bereicherung empfinden, sondern als Bedrohung.
Auch Ruth Kramer, Vorständin in einem internationalen Großkonzern, die ihren echten Namen nicht nennen will, vergegenwärtigte sich erst nach vielen Berufsjahren, dass Sachkenntnis und Leistung allein nicht zum Erfolg führen. „Es war Unfug von mir, zu glauben, dass allein Argumente für die Karriere zählen“, sagt sie heute. Sie fand es sogar fast ehrenrührig, Treffen von Frauennetzwerken nur aus Kalkül zu besuchen. Irgendwann dachte sie um – und schaffte es innerhalb von sieben Jahren von der Rechtsabteilung in die Chefetage. Dafür will sie sich heute revanchieren, indem sie die Karrieren anderer Frauen fördert, gegenseitig auf offene Positionen hinweist und Kolleginnen gezielt anspricht.
Drei Tipps für Netzwerkerinnen
Die sozialen Medien wie Xing, LinkedIn oder Twitter sind essenziell – nicht nur, um auf Menschen zuzugehen, sondern auch, um sich als Expertin auf einem speziellen Gebiet zu positionieren. Nach einer aktuellen Umfrage der Personalberatung Michael Page sehen sich drei von vier Managern die Social-Media-Kanäle von Bewerbern an. Und: Wer mit vielen berufsbezogenen Beiträgen Anhänger um sich schart, fällt auf. Frauen haben da anscheinend noch Nachholbedarf: Bei Xing stellen sie nur 40 Prozent der Mitglieder.
Fragen beantworten, Tipps geben, Kontakte vermitteln: Wer bei scheinbar unwichtigen Problemen hilft, sammelt Karmapunkte, und die lassen sich eines Tages einlösen. Aber vor dem Nehmen steht das Geben: Niemals unaufgefordert Werbung in eigener Sache machen!
Viele Kontakte zahlen sich erst nach Jahren aus, gute Netzwerker brauchen also Geduld. Umso wichtiger, erst mal viel Zeit und Arbeit zu investieren – ohne sofort eine Gegenleistung zu erwarten.
Was die einen allzu kühl kalkuliert finden, ist für Multiplikatoren „Teil des Geschäfts“, sagt Tijen Onaran. Die 33-Jährige ist Gründerin des Frauennetzwerks Global Digital Women, eines hierarchie- und branchenübergreifenden Netzwerks für Frauen aus der Digitalbranche. Dort treffen einmal im Monat Gründerinnen von Start-ups auf Top-Managerinnen aus Konzernen wie Janina Kugel von Siemens oder Ex-Boehringer-Ingelheim-Finanzchefin Simone Menne. Vor allem, um Zukunftsthemen rund um Digitalisierung und Innovation zu diskutieren. Die Community umfasst nach Aussage von Onaran inzwischen 20.000 Frauen. Dieses Jahr soll das Netzwerk sich internationalisieren und Ableger in der Schweiz, in Großbritannien und Ägypten eröffnen. Im nächsten Jahr ist ein globaler Digital-Gipfel in Berlin geplant.
Hilfe zur Selbsthilfe
Onaran kann nicht verstehen, dass Frauen beleidigt reagieren, wenn sich „ein Kontakt“ jahrelang nicht meldet – und erst dann, wenn es ein Problem gibt. „Genau darum geht es doch beim Netzwerken: helfen, wenn man gebraucht wird – und Hilfe erhalten, wenn man sie selbst braucht.“ Erfolgreiche Netzwerker hätten keine übertriebene Erwartungshaltung. „Manche Kontakte bewähren sich nun mal erst nach Jahren.“
Gelegentlich gehört dazu auch, auf Tipps aus dem Netzwerk zu vertrauen. Daniela Antonin zum Beispiel, Chefin des Hetjens-Museums in Düsseldorf, folgte vor acht Jahren dem Hinweis eines Mitglieds des Freundeskreises: Es gebe da jemanden, den sie mal kennenlernen müsse. Daraufhin traf sie einen netten älteren Herrn zum Kaffee, der sich als Kunst-Aficionado mit teuren Stücken aus der Sammlung der Rockefeller-Familie erwies. Heraus kam am Ende nicht nur eine Ausstellung im Museum. Als er vor drei Jahren starb, stellte sich zu Antonins Überraschung heraus, dass er dem Haus auch einen sechsstelligen Geldbetrag vermacht hatte, den die Stadt Düsseldorf vergangenen August annahm.
Wichtig sei, seinem Netzwerk ständig etwas zu bieten, sagt der Hamburger Personalberater Dwight Cribb. Wer im richtigen Moment eine kleine Hilfe gibt, verbessert seinen Marktwert. „Viele Frauen sehen Netzwerken noch immer nicht als Arbeit an“, sagt Cribb, „obwohl es welche ist.“ Der Headhunter veranstaltet regelmäßig Kaminrunden, kürzlich lud er in München wieder mal zu einem Abendessen. Vier Frauen und sieben Männer, jede Person fand er interessant, es sollte kein festes Thema geben, sondern einen lockeren Austausch. Von den Männern sagten alle zu. Die Frauen sagten alle ab.