Sexuelle Belästigung Welche Konsequenzen der "Klaps auf den Po" und Co. haben können

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Fließende Grenzen bei Witzen im Job

Die schlimmsten Sprüche schlechter Chefs
Eine Studie der Unternehmensberatung Towers Watson zeigt, dass nur 43 Prozent der Deutschen ihre direkten Vorgesetzten für effektiv halten. Genauso schlecht ist die Meinung der Deutschen über die Top-Manager in ihren Unternehmen. Insbesondere bei der Unterstützung der Entwicklung ihrer Mitarbeiter schneiden die Chefs schlecht ab. Ein rauer Umgangston wird vielen Chefs vorgeworfen. In dem Buch "Seien Sie gefälligst still, wenn ich Sie unterbreche!" (Piper-Verlag) haben die Autoren Stojan Rudan und Michael Köttingdie fiesesten Entgleisungen von Vorgesetzten gegenüber ihren Angestellten gesammelt. Darunter beispielsweise: „Man sieht nur von unten arrogant aus.“ Quelle: Fotolia
"Ich bin kein Arzt, aber ich denke, Sie leiden an einer akuten Intelligenzintoleranz." Quelle: dpa
Zu einer schwangeren Mitarbeiterin: "Ihr Bauch ist auch nicht dicker als meiner." Quelle: Fotolia
"Wenn Sie hoch hinaus wollen, dann gehen Sie klettern. Hier im Unternehmen wird das jedenfalls nichts." Quelle: dapd
"Wenn er es bis zum Arzt schafft, schafft er es auch ins Büro." Quelle: Fotolia
"Das Ergebnis ist ja jetzt nicht ganz so unglaublich scheiße, wie anfangs angenommen." Quelle: Fotolia
"Bei den Bienen zählen auch nicht die Flugstunden, sondern es zählt der Honig, den sie nach Hause bringen." Quelle: dpa

„Schwieriger wird es bei witzigen Bemerkungen im Job, da sind die Grenzen fließend“, sagt Lelley. Vor allem die Frage, wann ein Spruch nicht nur witzig, sondern eben sexuell aufgeladen ist. Die juristische Trennlinie läuft dort, wo die Würde von Beschäftigten verletzt wird. Da kommt es immer auf den Einzelfall an. Fragt etwa ein Mitarbeiter seine Kollegin „Welche Stellung bevorzugen denn Sie eigentlich?“, so ordneten die Landesarbeitsrichter aus Rheinland-Pfalz den Satz klar als unzulässig ein.

Die Folgen solcher losen Bemerkungen sind Abmahnung, Kündigung oder gar fristlose Kündigung - je nach Lage des Falles. Doch nicht nur das. Eine belästigte Arbeitnehmerin kann auch von ihrem Unternehmen Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen, sagt Jobst-Hubertus Bauer. Amerikanische Dimensionen brauchen deutsche Unternehmen da jedoch noch nicht zu befürchten: Ausgerechnet die Anwaltskanzlei Baker & McKenzie wurde in den Vereinigten Staaten schon vor 18 Jahren zu 6,9 Millionen Dollar Schadenersatz für eine Sekretärin verurteilt, die mehrfach von einem Anwalt sexuell belästigt worden war. Die Law Firm war gegen den Anwalt nicht vorgegangen.

Bauer weiß von mittleren und größeren Firmen, bei denen durchaus ein Bewusstsein dafür existiere, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz keine Kavaliersdelikte mehr sind. Einige pflegten auch eine Null-Toleranz-Politik.

Managern - und auch Managerinnen - empfehlen Anwälte inzwischen: Keine Vier-Augen-Gespräche mit Arbeitnehmern, die nicht absolut zuverlässig sind. Besser ist es, immer einen Zeugen dazu zu ziehen. Jede Art von Vertraulichkeit ist ein No-Go. Etliche Vorgesetzte verfolgen deshalb eine Open-Door-Policy, lassen immer ihre Türe offen und setzen auf totale Transparenz. Andernfalls können sie auch mal selbst in eine Falle tappen.

Besondere Vorsicht gelte in den USA, warnt Arbeitsrechtler Dzida von Freshfields: „Das wiederholte Anfassen des Unterarms in Gesprächssituationen kann Manager den Job und das Unternehmen Millionen kosten.“ Dort vermeiden es deshalb auch Männer, alleine mit einer Frau in einen Aufzug zu steigen - was sich auch Top-Manager in deutschen Banken bereits angewöhnt haben.

Was die Deutschen bei der Arbeit krank macht
Die Liste prominenter Namen ist lang: Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck, Schauspielerin Renée Zellweger, Fernsehkoch Tim Mälzer, Skispringer Sven Hannawald, Profifußballer Sebastian Deisler und auch die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel. Ihre Gemeinsamkeit: Wegen völliger Erschöpfung zogen sie die Reißleine. Aber es trifft nicht nur Prominente. Psychische Erkrankungen sind der Grund Nummer eins, warum Arbeitnehmer eine Auszeit brauchen - oder sogar in Frührente gehen. Ganze 41 Prozent der Frühverrentungen haben psychische Erkrankungen als Ursache. Diese nahmen laut Krankenkasse DAK-Gesundheit 2012 um vier Prozent zu, rückten erstmals auf Platz zwei aller Krankschreibungen hinter Muskel- und Skeletterkrankungen. Und die Ursachen für diese Krankheiten der Seele liegen oft im Job. Quelle: Fotolia
Die globalisierte Arbeitswelt, die internationalen Verflechtungen der Konzerne, der Konkurrenzdruck: All das zusammen erhöht die Anforderungen an die Beschäftigten. Ihre Arbeitstage werden immer länger, auch an den Wochenenden sitzen sie im Büro oder zu Hause am Schreibtisch, überrollt von einer Lawine von E-Mails. In dieser Tretmühle sind viele dann ausgelaugt, überfordert, verzweifelt, kraftlos. Der Akku ist - salopp gesprochen - leer. Quelle: Fotolia
Die Arbeitsbelastung führe zudem auch immer öfter zu Krankheiten, heißt es weiter. Klagten 2006 noch 43 Prozent über Rückenschmerzen waren es im vergangenen Jahr bereits 47 Prozent. Während 2006 nur 30 Prozent unter stressbedingten Kopfschmerzen litten, waren es 2012 bereits 35 Prozent. Die Anzahl der von nächtlichen Schlafstörungen geplagten Arbeitnehmern stieg von 20 auf 27 Prozent. Quelle: Fotolia
Am häufigsten belastet fühlen sich die Beschäftigten - 58 Prozent - nach dem neuen "Stressreport Deutschland 2012 " der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durch Multitasking, also das Sich-Kümmern-Müssen um mehrere Aufgaben gleichzeitig. Quelle: Fotolia
Jeder zweite der rund 18000 Befragten (52 Prozent) arbeitet unter starkem Termin- und Leistungsdruck. Laut BAuA hat sich der Anteil der von diesen Stressfaktoren betroffenen Beschäftigten auf dem relativ hohen Niveau des vergangenen Jahrzehnts stabilisiert. Jeder vierte (26 Prozent) lässt sogar die nötigen Ruhepausen ausfallen, weil er zu viel zu tun hat oder die Mittagspause schlicht nicht in den Arbeitsablauf passt. Quelle: Fotolia
Immerhin 43 Prozent klagen aber über wachsenden Stress innerhalb der vergangenen zwei Jahre. Außerdem wird fast jeder Zweite (44 Prozent) bei der Arbeit etwa durch Telefonate und E-Mails unterbrochen, was den Stress noch erhöht. Quelle: Fotolia
Insgesamt 64 Prozent der Deutschen arbeiten auch samstags, 38 Prozent an Sonn- und Feiertagen. So kommt rund die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten auf mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche, rund ein Sechstel arbeitet sogar mehr als 48 Stunden. Und das ist nicht gesund: Seit Längerem weisen Wissenschaftler auf einen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer Belastung und gesundheitlichen Beschwerden hin: Je mehr Wochenarbeitsstunden, desto anfälliger. Bei Menschen, die 48 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, ist die Gefahr für physische und psychische Erkrankungen am höchsten. Quelle: Fotolia

Tabu sind aber auch hierzulande „lockere Freizeitveranstaltungen im Kollegenkreis“, rät Dzida. „Schließlich riskieren Manager, die ein loses Mundwerk haben und dafür bekannt sind, ihre Karriere - insbesondere, wenn sie ohnehin schon auf der Abschussliste ihres Arbeitgebers stehen“, warnt Dzida.

Wie reagieren Unternehmen, wenn eine Führungskraft sich daneben benimmt und seine Finger nicht bei sich behalten kann? Meist präsentiert die Firma dem Manager einen Aufhebungsvertrag, ohne Abfindung, aber mit einer Frist nur bis zum nächsten Monatsende - selbst wenn der Vertrag eigentlich noch Jahre läuft, beobachtet Dzida.

Bei verbalen Belästigungen sind die Betroffenen zwar meist zunächst uneinsichtig - bis die Firma ihm glaubhaft versichert, dass sie für seine Kündigung durch alle Instanzen gehen wird. Manchmal kommt sie ihm dann noch im Aufhebungsvertrag mit einer halbjährigen Kündigungsfrist entgegen. Hat ein Fall allerdings einen Bezug zu den Vereinigten Staaten, läuten in der Firma alle Alarmglocken, sagt Dzida, weil extrem hohe Schadenersatzforderungen der Opfer drohen.

Betroffene können sich übrigens nicht nur mit einer Beschwerde oder dem Gang zum Betriebsrat wehren, sondern haben, wenn der Arbeitgeber nichts tut, um die Belästigungen zu unterbinden, ein Leistungsverweigerungsrecht: Sie brauchen dann nicht zur Arbeit zu kommen und erhalten dennoch ihren Lohn. Dzida: „Doch so eine Aktion ist ohne anwaltlichen Rat heikel und kann, wenn die Leistungsverweigerung unberechtigt war, zur Kündigung führen.“

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