„Schwieriger wird es bei witzigen Bemerkungen im Job, da sind die Grenzen fließend“, sagt Lelley. Vor allem die Frage, wann ein Spruch nicht nur witzig, sondern eben sexuell aufgeladen ist. Die juristische Trennlinie läuft dort, wo die Würde von Beschäftigten verletzt wird. Da kommt es immer auf den Einzelfall an. Fragt etwa ein Mitarbeiter seine Kollegin „Welche Stellung bevorzugen denn Sie eigentlich?“, so ordneten die Landesarbeitsrichter aus Rheinland-Pfalz den Satz klar als unzulässig ein.
Die Folgen solcher losen Bemerkungen sind Abmahnung, Kündigung oder gar fristlose Kündigung - je nach Lage des Falles. Doch nicht nur das. Eine belästigte Arbeitnehmerin kann auch von ihrem Unternehmen Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen, sagt Jobst-Hubertus Bauer. Amerikanische Dimensionen brauchen deutsche Unternehmen da jedoch noch nicht zu befürchten: Ausgerechnet die Anwaltskanzlei Baker & McKenzie wurde in den Vereinigten Staaten schon vor 18 Jahren zu 6,9 Millionen Dollar Schadenersatz für eine Sekretärin verurteilt, die mehrfach von einem Anwalt sexuell belästigt worden war. Die Law Firm war gegen den Anwalt nicht vorgegangen.
Bauer weiß von mittleren und größeren Firmen, bei denen durchaus ein Bewusstsein dafür existiere, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz keine Kavaliersdelikte mehr sind. Einige pflegten auch eine Null-Toleranz-Politik.
Managern - und auch Managerinnen - empfehlen Anwälte inzwischen: Keine Vier-Augen-Gespräche mit Arbeitnehmern, die nicht absolut zuverlässig sind. Besser ist es, immer einen Zeugen dazu zu ziehen. Jede Art von Vertraulichkeit ist ein No-Go. Etliche Vorgesetzte verfolgen deshalb eine Open-Door-Policy, lassen immer ihre Türe offen und setzen auf totale Transparenz. Andernfalls können sie auch mal selbst in eine Falle tappen.
Besondere Vorsicht gelte in den USA, warnt Arbeitsrechtler Dzida von Freshfields: „Das wiederholte Anfassen des Unterarms in Gesprächssituationen kann Manager den Job und das Unternehmen Millionen kosten.“ Dort vermeiden es deshalb auch Männer, alleine mit einer Frau in einen Aufzug zu steigen - was sich auch Top-Manager in deutschen Banken bereits angewöhnt haben.
Tabu sind aber auch hierzulande „lockere Freizeitveranstaltungen im Kollegenkreis“, rät Dzida. „Schließlich riskieren Manager, die ein loses Mundwerk haben und dafür bekannt sind, ihre Karriere - insbesondere, wenn sie ohnehin schon auf der Abschussliste ihres Arbeitgebers stehen“, warnt Dzida.
Wie reagieren Unternehmen, wenn eine Führungskraft sich daneben benimmt und seine Finger nicht bei sich behalten kann? Meist präsentiert die Firma dem Manager einen Aufhebungsvertrag, ohne Abfindung, aber mit einer Frist nur bis zum nächsten Monatsende - selbst wenn der Vertrag eigentlich noch Jahre läuft, beobachtet Dzida.
Bei verbalen Belästigungen sind die Betroffenen zwar meist zunächst uneinsichtig - bis die Firma ihm glaubhaft versichert, dass sie für seine Kündigung durch alle Instanzen gehen wird. Manchmal kommt sie ihm dann noch im Aufhebungsvertrag mit einer halbjährigen Kündigungsfrist entgegen. Hat ein Fall allerdings einen Bezug zu den Vereinigten Staaten, läuten in der Firma alle Alarmglocken, sagt Dzida, weil extrem hohe Schadenersatzforderungen der Opfer drohen.
Betroffene können sich übrigens nicht nur mit einer Beschwerde oder dem Gang zum Betriebsrat wehren, sondern haben, wenn der Arbeitgeber nichts tut, um die Belästigungen zu unterbinden, ein Leistungsverweigerungsrecht: Sie brauchen dann nicht zur Arbeit zu kommen und erhalten dennoch ihren Lohn. Dzida: „Doch so eine Aktion ist ohne anwaltlichen Rat heikel und kann, wenn die Leistungsverweigerung unberechtigt war, zur Kündigung führen.“