Sozialer Jetlag Warum wir diesen Montag besonders hassen

Manch einer fühlt sich heute wie nach einem Interkontinentalflug. Der soziale Jetlag ist am ersten Arbeitstag des Jahres besonders hart.

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Er klingelte heute morgen für viele viel zu früh. Quelle: dpa

Wer liebt schon Montage? Und wie unerfreulich ist erst der erste Montag nach dem Weihnachtsurlaub! Man muss nicht gerade die ganze Welt niederschießen wollen, wie es in Bob Geldofs Ohrwurm „I don’t like Mondays“ heißt. Aber eine kleine Arbeitsdepression ist für viele heute vielleicht schon drin.

Aber warum eigentlich? Eine britische Journalistin spricht vom sozialen Jetlag. So wie das Wohlbefinden nach Interkontinental-Flügen gestört ist, weil die äußere Uhrzeit am neuen Ort eine ganz andere ist als die, an die der Körper gewöhnt ist, leiden wir auch, wenn die äußeren Anforderungen des Arbeitslebens nicht zu unseren in Jahrtausenden der Evolutionsgeschichte geformten soziobiologischen Rhythmen passen.

Nicht zu vergessen: Die Uhr und mit ihr der vom Sonnenstand unabhängige Arbeitstag ist eine Erfindung der Moderne. Unsere Vorfahren standen in der Regel wie der Hahn auf dem Misthaufen mit der Sonne auf, also im Winter sehr viel später als im Sommer.

Die Industrielle Revolution verbreitete nicht nur Uhren für jedermann, sondern auch die (pünktlichen!) Verkehrsmittel und vor allem die elektrische Beleuchtung, die es überhaupt erst möglich machte, an einem dunklen Wintermorgen zu arbeiten. Kurz: Die soziale Zeiteinteilung trennte sich von der solaren.

Und diese Trennung betraf auch unsere "innere Uhr", also den Schlaf-Wach-Rhythmus des Körpers. Der ist zwar im Großen und Ganzen an der Sonnenuhr orientiert, aber nicht bei jedem Menschen gleich.

Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität haben mithilfe ihres „Munich Chronotype Questionnaire“ die Schlaf-Daten von rund 150.000 Menschen erfasst und festgestellt, dass die meisten Menschen eher einem späten „Chronotypen“ zuzurechnen seien. Diese „Eulen“ können sich im Gegensatz zu den frühaufstehenden „Lerchen“ nicht gut in die herrschenden Arbeitszeitverhältnisse einfügen. Die meisten von uns würden also mit späteren Arbeitszeiten nicht nur glücklicher, sondern vermutlich auch produktiver arbeiten.

Menschliche Eulen stehen also an jedem Arbeitstag auf, bevor sie ausgeschlafen sind. Und sie können den Schlafmangel abends nicht begleichen, weil sie einfach nicht früh einschlafen können. So sammeln sie im Laufe der Arbeitswoche kontinuierlich ein Schlafdefizit an, das sie in den Morgenstunden des Wochenendes abbezahlen, indem sie in den hellen Tag hinein schlafen.

Folge: Der wochenendliche Tagesrhythmus ist völlig anders als der der Arbeitstage. Und das Gehirn schafft es nicht, die biologische Uhr mit der solaren Uhr des Wochenendtages zu synchronisieren. Während die biologische Uhrzeit unter der Woche nicht zur sozialen passt, läuft sie am Wochenende der Sonne hinterher.  

Was für die menschlichen Eulen ohnehin an jedem Morgen ein Ärgernis ist, wird am ersten Arbeitsmontag nach den dunkelsten Tagen des Jahres zur besonderen Qual: Die Dunkelheit der Jahreszeit hat das Schlafbedürfnis (der biologischen Uhr gemäß) besonders gesteigert und die Feiertage erlaubten den meisten Menschen, ihm nachzugeben.

Umso schwerer fällt am ersten Arbeitsmorgen danach die Unterwerfung unter die soziale Uhr – während nach der solaren und biologischen Uhr noch tiefe Nacht herrscht.

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