Als oft wiederkehrende Umstellung bedeutet Arbeitslosigkeit für viele gering qualifizierte Menschen keine allzu schwere psychische Belastung. Wer an Leiharbeit und andere prekäre Arbeitsverhältnisse gewohnt ist, kann sich meist schnell an Phasen der Arbeitslosigkeit anpassen. Der nächste Job, so die berechtigte Erwartung, wird problemlos zu finden sein, auch wenn es wohl nur einer als Kassiererin oder Lagerarbeiter ist.
Anders geht es jenen, die ihren Job verlieren und sich keine Hoffnung machen (können), eine vergleichbare Anstellung zu finden. Das sind vor allem Menschen mit geringen oder nicht mehr gefragten Qualifikationen und Arbeitslose fortgeschrittenen Alters. Die Betroffenen finden sich mit der Aussicht auf dauerhafte Arbeitslosigkeit ab, entweder als schicksalhafte Katastrophe, die den Verfall der sozialen Stellung und psychischen Gesundheit zur Folge hat, oder als „Transformation“, in der das arbeitslose Leben einen neuen arbeitsunabhängigen Sinn erhält.
Die härteste Arbeitslosenzeit machen jene durch, die sie als Kampf um eine neue statusgleiche Beschäftigung empfinden. Rogge sprach mit einem 30-jährigen Mediendesigner, für den die Arbeitslosigkeit ein Schock und der Beginn einer extrem stressigen Lebensphase war. Als Workaholic ertrug er den Gedanken, arbeitslos zu sein, kaum und war von morgens bis abends „rasend“ mit der Suche nach einer neuen Stelle beschäftigt. Beim zweiten Interview, acht Monate später, hatte er sie gefunden – und wirkte wie erlöst.
Und schließlich die glücklichen Arbeitslosen im „Befreiungsmodus“. Rogge berichtet von einem Controller, der nach 15 Jahren im selben Unternehmen nicht mehr der "Zahlenknecht" sein wollte. Seinen Job empfand er, obwohl gut bezahlt, als monoton und entfremdet. Die selbst gewählte Arbeitslosigkeit nutzt er zur Wiederherstellung des Selbst, wie er sagt. Meist seien es, so Rogge, Menschen höheren Bildungsstands, die gelernt haben, ihre freie Zeit zu kultivieren, Bücher lesen, spazieren gehen, Sport treiben. Menschen meist auch, die gewisse finanzielle Mittel haben, um sich vor einer Phase geringer Einkünfte nicht fürchten zu müssen. Menschen, die sich meist sicher sind, bald eine neue, vergleichbare Beschäftigung zu finden.
So wie der Verlust der Arbeit nicht immer eine Katastrophe bedeutet, ist aber auch die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nicht immer erlösend. Wenn "Kämpfer" die Wunscharbeit gefunden haben, ist das alte Leben wiederhergestellt, die Psyche wieder repariert. Für rund 20 Prozent der Betroffenen sei der Neubeginn aber eher eine enttäuschende Erfahrung. Vor allem bei denjenigen, die sich schließlich genötigt sehen, eine Arbeit anzunehmen, die erheblich hinter den Wunschvorstellungen zurückbleibt, verschlechtert sich meist das Wohlbefinden mit dem Wiedereintritt in die Arbeitswelt.
Rogge hat einen wertvollen, befreienden Beitrag zur Entideologisierung der Arbeitslosigkeit geleistet. Sein Buch ist ein gesellschaftlicher Appell, die Stigmatisierung von Arbeitslosigkeit als sozialen Makel ebenso zu beenden wie ihre pauschale Pathologisierung durch Politik und Wohltätigkeitsindustrie.