Statt Flugzeug Dienstreise per Nachtzug? Ein Erfahrungsbericht

Die Kritik am Fliegen wird immer lauter. Aber ist die Bahn für Business-Reisende eine echte Alternative zum Flugzeug? Die WirtschaftsWoche hat für Sie den Test gemacht.

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Dass es so wie bisher mit Eurowings und mir nicht weitergehen kann, den Entschluss habe ich – nach zahlreichen Verspätungen und anderen Ärgernissen zuvor – endgültig am 29. März dieses Jahres gefasst. Da hatte mich die Airline gemeinsam mit einer Kollegin schlicht am Düsseldorfer Flughafen sitzen lassen. Ohne uns und ein paar andere Passagiere zu informieren, hatte die Airline das Abfluggate getauscht – und den Flug geschlossen, bevor wir das mitbekommen hatten. Um meinen wichtigen Termin in München noch zu erreichen, musste ich einen mehr als 400 Euro teuren Ersatzflug buchen.

Seither war mir klar, dass ich wann immer möglich Alternativen zu Dienstreisen mit der Lufthansa-Tochter suche, idealerweise mit der Bahn. Dass das zudem umweltverträglicher ist, hat mir die Entscheidung leichter gemacht. Der Knackpunkt bei dem Entschluss aber ist die Frage, was genau „wann immer möglich“ bedeutet. Denn mit der Bahn zu Messeterminen oder Interviews etwa nach Spanien zu reisen, ist zwar möglich, aber zeitlich meinen Vorgesetzten kaum zu vermitteln.

Wo also treffen sich Vernunft, Effizienz und persönliche Leidensfähigkeit? So müsste ich beispielsweise – mangels anderer Zugverbindungen – gegen Mitternacht an meinem heimischen Landbahnsteig am Niederrhein aufbrechen, um mit dem Zug gegen 9 Uhr einen Morgentermin in Berlin wahrnehmen zu können. Das aber übersteigt dann doch auch meine Einsatzbereitschaft.

Also stehe ich am Mittwoch der vergangenen Woche abends am Düsseldorfer Bahnhof und probiere etwas ganz Anderes aus. Es ist kurz vor 21 Uhr und vor mir wartet an Gleis 20, in elegantem Dunkelblau lackiert, der Nightjet 421. Ein Nachtzug, der mich im Liegewagen – idealerweise entspannt schlummernd – in rund zehn Stunden Nachtfahrt zum Münchener Hauptbahnhof bringen soll. Ankunft 7:09 Uhr.

Mein Reisegepäck hatte ich am Mittwochmorgen bereits ins Büro mitgenommen, um abends direkt zum Bahnhof zu fahren. Denn erst noch einmal nach Hause zu fahren und von dort aufzubrechen, wäre zeitlich und organisatorisch keine Alternative gewesen. Um von zuhause aus rechtzeitig nach München zu kommen, hätte ich kurz vor 23 Uhr abfahren und in der Nacht drei Mal umsteigen müssen. Nur dann wäre ich gegen 7:30 Uhr in München angekommen.

Dass die Fahrkarte dank BahnCard mit 130 Euro nur ein knappes Drittel des Tickets für den einzig zeitlich passenden Flieger gekostet hätte, machte die Bahnfahrt mit vier unterschiedlichen Zügen auch nicht attraktiver. Und auch für den Frühflug hätte ich gegen 4:30 Uhr aufstehen müssen, um rechtzeitig am Flughafen und dann früh genug in München zu sein.

Und so besteige ich stattdessen nach einem leichten Abendessen in Düsseldorf den Nachtzug. Wagen 282, Platz 81 – das ist mein Domizil für die nächsten Stunden. Ob das eine ernsthafte Alternative zu Eurowings und Co. ist, will ich ausprobieren. Wie es sich schläft, auf den 1,80 Meter langen Liegen und mit – je nach gewählter Wagenklasse – drei bis fünf Mitreisenden im Abteil, das muss ich sehen.

WirtschaftsWoche-Redakteur Thomas Kuhn hatte Glück: In seinem Abteil schliefen außer ihm nur zwei andere Menschen

Theoretisch wäre auch ein Bett im Schlafwagen eine Option, doch die sind begehrt und als ich Anfang der Woche die Verbindung buche, ist der Schlafwagen schon komplett belegt. Den Platz im 6er-Liegewagen gibt’s im Nightjet für Frühbucher ab 50 Euro, regulär für etwa 120 Euro. Wer sich den Komfort des Einzelabteils im Schlafwagen gönnen will – inklusive Waschgelegenheit im Abteil, einem etwas längeren und breiteren Bett und Frühstück am Platz – ist ab 140 Euro unterwegs. Ich entscheide mich schließlich für ein Bett im 4er-Liegewagen für knapp 130 Euro (Frühbucher ab 60 Euro).

Als ich mein Abteil betrete, bin ich zunächst alleine. Die Hoffnung – dass das womöglich so bleiben könnte – vielleicht ist der Wagen ja nicht ausgebucht, verflüchtigt sich allerdings nach kurzer Zeit. Da treten ins Abteil: Peter, ein Motorradreisender im Rentenalter aus Hamburg, und Hans, ein Elektroingenieur Mitte vierzig aus der Nähe von Innsbruck. Peter spart sich die lange Anfahrt in die Alpen und hat seine Maschine auf dem Auto-Waggon verzurrt, der hinten am Schlafwagenzug angehängt ist. Hans, der für ein paar Monate im Rheinland arbeitet, pendelt regelmäßig mit dem Nachtzug zu seiner Familie nach Tirol.

Dass der Nightjet 421 Düsseldorf via München mit Innsbruck verbindet und der zweite Teil des Zuges, der Mittwochabend abfahrbereit am Gleis 20 steht, als NJ 40421 nach Wien verkehrt, ist kein Zufall. Als die Deutsche Bahn Ende 2016 ihre eigenen Nachtzüge aufs Abstellgleis schickte (seither fahren nur noch reguläre – und zum Schlafen grässlich ungeeignete – IC und ICE der DB durch die Nacht), übernahmen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Großteil der DB-Verbindungen. Seither fahren dort die ÖBB-Nightjets, und das mit großem Erfolg. Die Züge gewinnen kontinuierlich Kunden dazu und sind so gut ausgelastet, dass inzwischen sogar die Deutsche Bahn wieder den Ausstieg aus dem Ausstieg prüft.

In unserem rollenden Dreibettzimmer haben wir uns inzwischen einigermaßen eingerichtet. Die Sitze verwandeln sich durch Herauf- oder Herunterklappen von Lehnen oder Wandverkleidungen in bis zu drei Liegen auf jeder Seite des Abteils. Mein Bett befindet sich ganz oben, knapp unter der Decke. Dort, so meine Hoffnung, bekomme ich am wenigsten mit, was sich unter mir tut, ob und wer sich da vielleicht herumwälzt und auch nicht, was im Gang vor den Abteilen los ist.

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