Stepstone-CEO Sebastian Dettmers „In Gehaltsverhandlungen sehen sich viele Mitarbeiter in einer Bittsituation“

Quelle: imago images

Weil das Gehalt in Deutschland ein Tabuthema ist, will das Online-Jobportal Stepstone für mehr Transparenz bei Ausschreibungen sorgen. CEO Sebastian Dettmers im Interview über Unsicherheiten bei Gehaltsverhandlungen.

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Sobald es um das Thema Gehalt geht, hört es in Unternehmen auf mit der Transparenz. Diese Erfahrung machen die Jobvermittler des Onlineportals Stepstone regelmäßig. Ihr Ziel ist es, das zu ändern. Bald soll es zu allen Jobs, die das Portal ausschreibt, möglichst genaue Gehaltsprognosen oder sogar konkrete Angaben der Arbeitgeber geben. Arbeitssuchende könnten dadurch schon im Vorfeld abschätzen, wie viel sie in dem jeweiligen Beruf verdienen würden. Das soll nur ein erster Schritt dahin sein, das Matching zwischen Arbeitnehmern- und Gebern zu verbessern, sagt Stepstone CEO Sebastian Dettmers. Ein Interview über das Tabuthema Gehalt, Verhandlungen mit Chefs und die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt durch die Coronakrise.

WirtschaftsWoche: Herr Dettmers, was erhoffen Sie sich von den konkreten Gehaltsangaben auf Stellenausschreibungen?
Sebastian Dettmers: Die Information über das Gehalt ist meist die wichtigste Angabe für Menschen, die ihre berufliche Situation verändern wollen. Oft bekommen sie diese aber viel zu spät oder gar nicht. Denn das Gehalt ist in Deutschland weiterhin ein Tabuthema. Unser Ziel ist es, Orientierung zu schaffen für Menschen, die sich verändern wollen. Gleichzeitig wollen wir Arbeitgeber dazu ermutigen, offener mit Gehaltszahlungen umzugehen.

Warum ist das Gehalt immer noch so ein Tabuthema in Deutschland?
Viele Unternehmen bezahlen ihre Mitarbeiter ungleich in verschiedenen Positionen und haben dadurch grundsätzlich eine Herausforderung, Gehälter transparent zu machen. Das ist eine der Ursachen, warum es so ein brisantes Thema ist. Viele Arbeitnehmer haben das akzeptiert und sind deshalb unsicher, wenn es darum geht, ihr Gehalt zu verhandeln.

Sebastian Dettmers ist seit Anfang 2020 CEO von Stepstone. Quelle: Stepstone

Um für mehr Gehaltstransparenz zu sorgen, müssen also Arbeitgeber den ersten Schritt machen?
Da stellt sich eher grundsätzlich die Frage, ob wir die Gehälter normalisieren wollen, also für bestimmte Jobprofile dieselbe Vergütung zahlen, oder ob wir vor allem mehr Transparenz schaffen wollen. Ein Vorteil von mehr Transparenz bei den Gehaltsangaben ist sicher, dass Mitarbeiter dies fairer finden und Unternehmen dadurch viel bessere Chancen bei der Suche nach neuen Mitarbeitern haben.

Warum?
Das Gehalt ist die Nummer-eins-Information, nach der Menschen suchen. Wenn ich als Unternehmen meine Gehaltsspanne im Vorhinein angebe, steigen sofort meine Chancen, die richtigen Leute zu erreichen. Es kommt nämlich häufig vor, dass Arbeitgeber und Bewerber erst ganz am Ende des Bewerbungsprozesses über Gehalt reden und dann feststellen, dass sie bei diesem Thema nicht zueinander passen. Genau solche Situationen werden durch mehr Gehaltstransparenz vermieden.

Aber doch nur für die, die auch bereit sind viel zu zahlen? Unternehmen, die ein geringeres Gehalt angeben, aber vielleicht mit anderen Werten punkten könnten, würden an Attraktivität verlieren.
Das glaube ich nicht. Auch Unternehmen, die keine hohen Gehälter zahlen können, sollten dies transparent machen. Nur so entstehen bei Bewerbern auch keine falschen Erwartungen, die dann später enttäuscht werden. Das Gehalt ist ein sehr wichtiger Faktor, aber auch nicht der einzige. Letztlich geht es immer um das Gesamtpaket, das passen muss. Dazu gehören auch Weiterbildungsmöglichkeiten, flexibles Arbeiten, sinnstiftende Aufgaben oder die Unternehmenskultur. Nur 15 Prozent aller Menschen würden bei einem sehr guten Gehalt Abstriche bei der Unternehmenskultur hinnehmen. Allein das zeigt, dass auch weniger zahlungskräftige Arbeitgeber punkten können.

Wenn ich schon einen Beruf habe, mit dem ich zufrieden bin, nur das Gehalt meiner Meinung nach nicht passt, gibt es die Option der Gehaltsverhandlung. Haben Sie Tipps, um im Gespräch mit dem Chef das Optimum herauszuschlagen?
Das ist eine Verhandlungssituation, in der sich viele Mitarbeiter in einer Bittsituation sehen. Hier sollte der erste Schritt sein, sich selbst klar zu machen, dass es eben nicht so ist. Bei einem Gehaltsgespräch verhandele ich ganz einfach ein faires Gegenwicht für die Leistung, die ich für das Unternehmen erbringe. Ich muss mich nur vorab über Vergleichswerte informieren und meinen Marktwert ermitteln. In der Verhandlung selbst muss man gut vorbereitet sein und diese als ein Gespräch zweier Parteien betrachten, die sich über den Wert der Arbeitskraft austauschen.


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Und wie findet man seinen Marktwert heraus?
Es ist wichtig zu erkennen, was die Gehaltstreiber sind, also die Gründe dafür, warum man mehr Gehalt verdienen sollte. Ist es mehr Berufserfahrung? Kenne ich mich in dem Bereich besser aus? Arbeite ich in einer bestimmten Industrie? Auch deswegen setzen wir darauf, Gehälter für alle transparent zu machen. Langfristig ist es wichtig, sich anhand der Gehaltstreiber weiter zu entwickeln, also Schulungen zu besuchen und eine entsprechende Karriere anzustreben, wenn das Gehalt für einen persönlich wichtig ist.

Erschwert die Coronakrise faire Gehaltsverhandlungen? Viele Unternehmen leiden gerade.
Natürlich befinden sich Arbeitnehmer momentan tendenziell in einer schlechteren Verhandlungsposition, weil Entscheidungen getroffen werden, um Einsparungen vorzunehmen. Grundsätzlich beobachten wir aber, dass viele Unternehmen wieder verstärkt Mitarbeiter einstellen. Umfragen unter CEOs zeigen, dass für viele die erste Aufgabe nach Corona die Mitarbeitergewinnung- und Bindung ist. Denn: Der demografische Wandel beginnt jetzt. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft erstmals in Deutschland, da der Zuzug von Arbeitnehmern aus dem Ausland durch Corona eingeschränkt wird. Dieser Trend wird uns weiter begleiten und die Position von qualifizierten Fachkräften stärken.

Praktische Ratschläge zum Thema Gehalt, etwa, welches Gehalt Sie einfordern können und mit welchen Verhandlungsstrategien Sie Ihre Forderung am besten durchsetzen, finden Sie in unserer Rubrik erfolg.reich „Mein Gehalt“.

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