




Unser Leben wird immer hektischer, wir müssen immer mehr leisten und immer mehr Informationen immer schneller verarbeiten. Viele beschleicht deshalb ab und an das Gefühl, ihr Job bringe sie noch um. Aber geht das wirklich? In der japanischen Sprache gibt es für den Tod durch Überarbeitung sogar einen eigenen Ausdruck. Die Ursache von "Karōshi" sei ein stressbedingter Herzinfarkt oder Schlaganfall. So falsch scheint die Floskel also nicht zu sein.
Innerhalb von wenigen Monaten geisterten zwei Todesfälle junger Menschen durch die Medien, die an beruflichem Stress gestorben sein sollen. Im November 2013 begann vor einem Londoner Gericht die Untersuchung der Todesumstände eines 21 Jahre alten Bank-Praktikanten aus Deutschland. Der junge Mann war tot in der Dusche seines Studenten-Zimmers in London gefunden worden. Zuvor soll er nach Aussagen von Kollegen drei Nächte praktisch durchgearbeitet haben. Ebenfalls im November ist ein weiterer deutscher Student tot in seinem WG-Zimmer im walisischen Cardiff gefunden worden. Sein Vater hatte während der Ermittlungen erklärt, sein Sohn habe häufig Koffein-Drinks konsumiert und beim Studium an der University of South Wales stark unter Druck gestanden.
Die Gerichtsmedizin in Wales behandelt den Tod als unerklärlich. Der Koffein-Konsum könne eine Rolle gespielt haben, hieß es. Es könne sich auch um einen Fall plötzlichen Herztodes handeln. "Wenn große Mengen Koffein konsumiert werden, kann es zu einem Tod durch Herzrhythmusstörung kommen, weil das Herz zu schnell schlägt", so ein Gerichtsmediziner. Es könne sich aber auch um den Fall eines plötzlichen Herztodes handeln. Auch im Fall des verstorbenen Bank-Praktikanten in London schloss die Gerichtsmedizin nicht aus, dass Stress durch viele nächtliche Überstunden einen epileptischen Anfall begünstigt hatten.
Zwar stirbt niemand an Übermüdung, wie Arbeitsmediziner Hans Drexler in einem Interview mit der "Zeit" sagte. Zu viele Wachmacher und Amphetamine könnten aber dafür sorgen, dass der Kreislauf kollabiere, weil der Mensch weder Hunger noch Durst verspüre - und das kann tödlich enden. Auch könne zu viel Koffein langfristig aufs Herz schlagen. Das bestätigt auch eine Studie eines schottischen Forscherteams, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde. Demnach erhöht Stress die allgemeine Sterblichkeitsrate und zwar unabhängig von bestehenden Vorerkrankungen, Gewicht oder schlechten Angewohnheiten wie Rauchen oder Alkoholkonsum. Wobei Menschen, die viel Stress haben, dazu neigen, mehr zu rauchen und zu trinken, sich schlechter zu ernähren als entspannte, ausgeglichene Zeitgenossen. Und diese Faktoren erhöhen das Risiko von Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall.
Für die Studie wurden rund 68.000 Menschen, die älter als 35 Jahre sein mussten, zehn Jahre lang begleitet und regelmäßig untersucht. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war, dass die beteiligten Personen weder an hohem Blutdruck noch an Herzerkrankungen oder Krebs leiden durften. Während des Untersuchungszeitraums starben 8365 Probanden, die meisten davon an Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebs. Allerdings litten diejenigen, die mehr Stress ausgesetzt waren, häufiger an schweren Krankheiten oder starben sogar daran, als die Probanden, deren Stresswerte niedriger waren. Und je höher der Stressfaktor, desto größer ist laut Studie die Gefahr, an einer dieser Krankheiten zu sterben.
Drexler, Leiter des Institut für Arbeitsmedizin an der Universität Erlangen-Nürnberg, ist dagegen überzeugt: "Wer keine Vorerkrankungen hat, stirbt nicht so schnell." Gegenüber der "Zeit" fügte er jedoch an, dass es durchaus Krankheiten gebe, die man nicht sofort bemerkt, wie beispielsweise eine Herzmuskelentzündung. "Dann kann eine körperliche Überlastung zum Tod führen – unabhängig davon, ob man einen Marathon läuft oder Stress im Job hat."