Studie Jungen Frauen ist Arbeit wichtiger als Kinder

Wie junge Frauen (und Männer) leben wollen, hat das Wissenschaftszentrum Berlin gefragt. Von Geschlechterunterschieden ist da kaum noch was übrig. Die Arbeitswelt dominiert beide Geschlechter - und verdrängt den Wunsch nach Kindern.

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Die jüngsten Länder der Welt
Familie mit Kind Quelle: dpa
Kinder spielen mit Wasser Quelle: dpa
Junge aus Vanuatu Quelle: Graham Crumb
Kinder in Brasilien Quelle: dpa
Kinder in Japan Quelle: AP
Aus Mali geflüchtete Kinder Quelle: dpa
Kinder in Angola Quelle: Paulo César Santos

Junge Frauen wollen arbeiten - und Kinder. Das stellt das Wissenschaftszentrum Berlin unter der Leitung von Jutta Allmendinger in seiner Studie "Lebensentwürfe heute" fest, für die 501 Frauen und Männer zwischen 21 und 34 Jahren befragt wurden, die schon 2010 und 2007 in Vorgängerstudien zu Wort kamen. Wenig überraschend sind Allmendingers Deutungen. Sie begrüßt den "Wertewandel der Männer" - 76 Prozent der Männer wollen heute eine Partnerin, die "sich um den eigenen Unterhalt kümmert" (2007: 54 Prozent), macht sich aber Sorgen, weil sich die Frauen "von der Politik und den Männern ... zu wenig unterstützt" fühlen. "Erwerbsarbeit und unbezahlte Familienarbeit müssen zwischen Frauen und Männern fairer verteilt werden", fordert Allmendinger. Diese Tonlage der für ihre Geschlechtsgenossinnen engagierten Sozialwissenschaftlerin kennt man auch aus ihrer Vorgängerstudie "Frauen auf dem Sprung", die nicht zufällig in Zusammenarbeit mit der Frauen-Zeitschrift "Brigitte" entstand.

Befreit man die Befragung von Allmendingers Deutungen, vermittelt sie das Bild einer Generation von jungen Erwachsenen, die in rasender Geschwindigkeit auf das Ideal des geschlechtlich weitgehend gleichgeschalteten Arbeitstieres zusteuern. Ja, offenbar wird die Hausarbeit (Wäsche, Putzen, Kochen, Einkauf) immer noch zu größeren Teilen von Frauen erledigt. Aber viel interessanter ist, welche Prioritäten Frauen und Männer in ihren Lebensentwürfen setzen. Und da unterscheiden sie sich so gut wie gar nicht mehr. Kurz: Für beide Geschlechter hat die Erwerbsarbeit eindeutig Vorrang vor der Gründung einer eigenen Familie.

61 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer glauben, dass Kinder zu bekommen, für junge Frauen besonders wichtig ist. Aber 76 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer glauben, dass es für junge Frauen besonders wichtig sei, "viel Geld zu verdienen". Für Männer wird die Priorität der Finanzen vor Kindern noch stärker eingeschätzt. Nur 30 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer glauben, dass es für junge Männer besonders wichtig sei, Kinder zu bekommen.

"Die einzelne Frau will durchaus Kinder bekommen", heißt es in der Studie, aber: "Bei anderen Frauen sehen sie diesen Wunsch nicht." Die Gesellschaft wird als nicht kinderfreundlich empfunden. Wirklich dominant ist der Kinderwunsch daher nicht. Kurz: Kinder sind Nebensache. Der Anteil von Frauen, denen die Familie heute wichtiger ist als die Erwerbsarbeit liegt bei unter 5 Prozent. Zu arbeiten und finanziell unabhängig zu sein, ist für beide Geschlechter heute selbstverständlich, Kinder zu haben ist allenfalls eine schöne Beigabe.

Das Bedürfnis nach Nähe und Familie kanalisieren junge Erwachsene heute nicht mehr selbstverständlich in Richtung eigener Kinder, sondern zurück in die Herkunftsfamilie. Die Nähe zu den Eltern und Freunden ist ihnen wichtiger als die zu eigenen Kindern. Man bleibt lieber selbst Tochter oder Sohn als Mutter oder Vater zu werden. Besonders deutlich wird die Angleichung der Geschlechterrollen in den Angaben zur Wichtigkeit der "persönlichen Merkmale". Der sexfixierte Mann und die eitle Frau sind passé, heute sind beide beides. Beide Geschlechter sind überzeugt, dass "guten Sex zu haben" für Männer und Frauen besonders wichtig sei. Vor fünf Jahren glaubten nur 51 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer, dass "guten Sex zu haben" für Frauen besonders wichtig sei. Jetzt sagen 87 Prozent derselben Frauen und 90 Prozent derselben Männer, dass Sex besonders wichtig für Frauen sei.

96 Prozent der Männer und Frauen, glauben, dass guter Sex für Männer besonders wichtig sei. Ähnliches, aber in umgekehrter Richtung gilt für die Wichtigkeit guten Aussehens. So wie Sex für Frauen eine wachsende Bedeutung gegeben wird, steigt die Wertschätzung des Aussehens von Männern - und zwar sowohl bei Frauen, als auch bei den Männern selbst. Die Werbegroßoffensive der Mode- und Kosmetikindustrie zur Eroberung des Mannes scheint erfolgreich zu sein.

In ihren Lebensentwürfen, die Allmendingers Studie präsentiert, zeigen sich die jungen Frauen und Männer offenbar gut gerüstet für die Arbeits- und Konsumwelt. Sie glauben zu wissen, was wichtig ist: Beruf, Sex und gutes Aussehen, dazu das gute Gefühl, von den Eltern gehätschelt zu werden. Diese Prioritäten und auch die Auflösung der Geschlechterrollen gehen mit dem Rückgang des Wunsches nach Kindern einher. Aber Kinder sind für die Autoren der Studie offenbar genauso zweitrangig wie für die Befragten.

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