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Studie zu Fehlzeiten Allzu flexible Arbeit macht krank

Immer erreichbar, ständig woanders, stundenlang pendeln: Der Bürotag von neun bis fünf ist Geschichte, Überstunden die Regel. Weil sie immer flexibler sein müssen, leiden Beschäftigte laut einer AOK-Studie zunehmend an psychischen Beschwerden.

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In welchen Firmen Burnout oft auftritt
K+S Quelle: dpa
K+S Quelle: dpa
Daimler & BMW Quelle: dapd
Bayer, RWE und SAPSehr nah beieinander liegen auch die Zahlen von Bayer, RWE und SAP. Beim Pharmakonzern aus Leverkusen erkranken bis zu 2000 Mitarbeiter pro Jahr, das sind 5,6 Prozent der 35.800 Beschäftigten. Beim Energielieferanten RWE sind pro Jahr bis zu 2400 der 41.632 Mitarbeiter betroffen. Das sind knapp 5,8 Prozent, also fast jeder 17. Im Hause SAP fallen zwischen 700 und 1000 Angestellte dem Stress zum Opfer. Das entspricht im schlimmsten Falle jedem 16. der 16 011 Angestellten. Quelle: dpa
Commerzbank, Metro, Deutsche Telekom und InfineonErhöhte Belastung in Sachen Stress auch bei der Commerzbank. Jedes Jahr erkranken hier zwischen 2300 und 3200 Mitarbeiter von 44.474 Mitarbeitern, etwa 7,2 Prozent der Belegschaft. Fast das gleiche Risiko gilt auch für Mitarbeiter bei Metro. Das Handelsunternehmen vermeldet bis zu 6 600 Burnout-Fälle bei 91.189. Auch hier erkrankt annähernd jeder 14. Bei der Telekom sind es zwischen 3800 und 8 900 Erkrankungen im Jahr. Bei einer Belegschaft von 121 564 Arbeitnehmern entspricht das gut 7,3 Prozent. Beim Chiphersteller Infineon ergab die Schätzung, dass höchstens 600 der 7.926 jährlich unter einem Burnout leiden. Quelle: dpa
Deutsche BankDer Finanzsektor scheint nicht so oft betroffen, wie man zunächst denkt. Für die Deutsche Bank ermittelten die Experten, dass im Jahr bei etwa 1900 von insgesamt 24.801 Mitarbeitern (ohne Postbank und Sal. Oppenheim) ein Burnout diagnostiziert wurde. Es erkrankt demnach jeder 13. Angestellte. Quelle: dapd
Siemens Quelle: dapd

Arbeitnehmer leiden zunehmend an psychischen Krankheiten und den Folgen hoher Arbeitsbelastung. Grund dafür sei die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt, schreibt die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) in einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Studie. Erschöpfung, Kopfschmerzen und Niedergeschlagenheit sind demnach typische Symptome moderner Beschäftigter.

"Flexibilität braucht ihre Grenzen", sagte Helmut Schröder, stellvertretender Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Im Grunde sei es zwar gut, wenn Beschäftigte ihre Arbeit räumlich und zeitlich an die eigene Bedürfnisse anpassen könnten. Oft bedeutet die hohe Flexibilität laut Studie allerdings auch höheren Druck. So gibt ein Drittel der Befragten an, im vergangenen Jahr E-Mails außerhalb der Arbeitszeit zu erhalten, ein knappes Drittel leistet Überstunden. 12 Prozent nahmen Arbeit mit nach Hause und jeder Zehnte arbeitete auch an Sonn- und Feiertagen.

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Die Folge sind immer häufiger stressbedingte Beschwerden - bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Ein Fünftel der Befragten fühlt sich häufig erschöpft, genauso viele können nach Feierabend nicht abschalten. Kopfschmerzen sind für 13,5 Prozent ein Problem, mehr als jeder Zehnte fühlt sich niedergeschlagen. Wer angibt, Beruf und Freizeit nicht gut in Einklang bringen zu können, berichtet laut Studie im Schnitt über mehr als drei dieser vier Beschwerden. Wer Privates hinten anstellt und sonntags keine Freizeit hat, klagt häufiger über psychische Probleme.

Je weiter weg, desto kranker

Zudem haben die AOK-Forscher einen deutlichen Zusammenhang zwischen pendeln und krank sein errechnet. Wer weiter weg wohnt, fehlt öfter. Wer mehr als 500 Kilometer von zu Hause entfernt arbeitet, hat demnach ein um 20 Prozent höheres Risiko, psychisch krank zu werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam vor einigen Monaten die Techniker Krankenkasse. Zu den psychischen Beschwerden zählt die AOK etwa auch Schlafstörungen, Wut und leichte Reizbarkeit.

Zwar ist die Zahl der Fehltage insgesamt auf niedrigem Niveau, doch psychische Beschwerden haben als Fehlgrund zugenommen - seit 1994 um 120 Prozent. Dabei fehlen psychisch Kranke länger als der Durchschnitt: 22,5 Fehltage waren es im Jahresdurchschnitt 2011, doppelt so viele Fehltage wie aufgrund anderer Erkrankungen. Auch auf das Stichwort "Burnout" geht der Report ein. Rund 130.000 gesetzlich Versicherte bekamen im vergangene Jahr diese Diagnose, wobei Frauen deutlich häufiger betroffen waren, als Männer.

Schröder forderte, moderne Kommunikationswege stärker zu nutzen, um Arbeitnehmer zu entlasten. Dazu gehörten etwa Videokonferenzen, die häufige Reisen überflüssig machen können. "Damit können Unternehmen den Spagat zwischen Flexibilitätsanforderungen und gesundem Arbeiten meistern", sagte er. Arbeitnehmer müssen diesen Spagat anscheinend auch meistern, wie die Daten zeigen.

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