Können Sie das mal an einem Beispiel konkretisieren?
In der Wirtschaft gewinnt Strategie beziehungsweise Macht ausnahmslos über Inhalte - Frauen kümmern sich eher um Inhalte, Männer um Strategie und Macht, indem sie sich beispielsweise eher Prestigeaufgaben suchen. Frauen dagegen arbeiten - wie als Mutter zu Hause auch - nach dem Prinzip „Firefighting“. Heißt: Das Kind, das am lautesten schreit, wird zuerst versorgt. Sowieso funktioniert die Zusammenarbeit bei Männern oft über Macht und Rangordnung, bei der dann auch Statussymbole wie der Firmenwagen oder das eigene Büro eine wichtige Rolle spielen. Dinge, auf die die meisten Frauen dagegen keinen Wert legen.
Die Frauen sind also selber schuld an der Misere?
Natürlich hat das mit den Frauen selbst zu tun. Ich spreche hier von "blinden Flecken". Wenn wir nicht wissen, was uns in einem Verhaltensmuster festhält, können wir es auch nicht überwinden. Nur mit Hilfe von Reflexion und Selbsterkenntnis ist Veränderung möglich.
Kann denn Fleiß, also etwa die strikte Konzentration, das zu tun, was getan werden muss, nicht auch als wichtige Ressource gesehen werden?
Lassen Sie uns Disziplin und Verbindlichkeit als wichtige persönliche Ressourcen für Erfolg sehen, aber bitte nicht Fleiß.
Zu seiner Ehrenrettung lässt sich also nichts anführen?
Ehrlich gesagt: Nein. Leider ist Fleiß ja in Schule und Hochschule neuerdings wichtiger denn je, wie das G8-Turbo-Abi oder auch die Bachelor-Studiengänge zeigen, wo der gleiche Stoff in weniger Zeit bewältigt werden muss. So kommt es, dass jetzt auch junge Männer fleißig werden. Wissensmast statt Verstehen - das kommt dabei raus. Doch wozu soll das dienen? Es tut mir leid, aber dazu fällt mir nichts Positives ein.
Dementsprechend raten Sie ambitionierten Frauen zum Übergang in ein selbstbestimmtes Arbeiten zum Rollenbild der „Königin“ - wie schafft man denn den Sprung von der „Superbiene“ dahin?
Dazu ist ein massiver Haltungswechsel nötig, der jedoch erstaunlich leicht fällt, wenn die Vorteile klar sind. Wir alle kennen die Königin, denken Sie zum Beispiel an Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds: Sie ist diplomatisch, trägt Verantwortung und kann Hof halten, also netzwerken, sich intern und extern positionieren und präsentieren. Zu all dem kommt die Superbiene aber gar nicht, weil sie immer nur arbeitet. Übrigens immer nur so lange, wie strategische Männer sie erfolgreich sein lassen. Königinnen hingegen können überall Karriere machen, weil sie richtig delegieren und wissen, wo sie beruflich hinwollen.
Diese Unternehmen bieten die besten Karrierechancen für Frauen
Für den Frauen-Karriere-Index des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bekommen die teilnehmenden Unternehmen eine Wertung auf einer Skala von 0 bis 100. Je höher die Punktzahl, desto besser die Karrierechancen für Frauen in dem Betrieb.
Die Symrise AG kam im Jahr 2015 auf 73 von 100 Punkten - im Ranking reicht das für Platz zehn.
Quelle: Frauen-Karriere-Index
GFT Technologies AG - 75 Punkte
Jeweils 76 Punkte entfallen auf:
Intel GmbH / Intel Mobile Communications
DATEV eG
TÜV Rheinland
ING-DiBa AG
Jeweils 78 Punkte gehen an
Bombardier Transportation GmbH
Uniklinik Köln
Jeweils 79 Punkte für
Hydro Aluminium Rolled Products GmbH, Grevenbroich
SEB AG
KfW
Jeweils 80 Punkte gehen an
Siemens Betriebskrankenkasse SBK
HypoVereinsbank
SMA Solar Technology
Charité Universitätsmedizin Berlin - 81 Punkte
Jeweils 82 Punkte erreichten
Randstad Deutschland
Airbus Group Deutschland
Deutsche Telekom AG - 83 Punkte
Hewlett Packard GmbH - 85 Punkte
So haben Sie es selbst bis zur Konzern-Geschäftsführerin bei Bertelsmann gebracht, wie Sie in Ihrem Buch schildern. Trotzdem waren Sie auf dieser Position unglücklich?
Ja. Bei Bertelsmann habe ich die Spielregeln der männerdominierten Konzernwelt begriffen und sie in der Rolle der „Königin“ auch mitgespielt, aber das hat mir ehrlich gesagt keine Freude gemacht. Und insofern ja, ich war unglücklich!
Manager suchen Austausch auf Augenhöhe
Wieso wurde es denn nicht besser, als Sie gekündigt und eine Professorenstelle in Leipzig angenommen haben?
Als Professorin habe ich zunächst auch wieder meinen Fleiß bemüht, und meine Haltung als „Königin“ brachte mich dazu, immer noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Aber ich habe mich auch in diesem System nicht gut gefühlt. Weil es mich erneut infantilisiert hat - es war leichter, eine Vorlesung zu halten, als ein Paket Kopierpapier zu erhalten. Ich musste mich immer abstimmen, hatte nicht das Gefühl, selbstbestimmt arbeiten zu könnten, und fühlte mich gefangen.
Also folgte 1998 Ihre Entbeamtung auf eigenen Wunsch. Haben Sie damals eigentlich sofort gewusst, was nun der richtige Weg für Sie ist?
Nicht sofort. Ich wollte mich nur nicht länger stark an ein System anpassen, und ich wollte kein Spiel mehr spielen, in dem wie in Wirtschaft und Wissenschaft Prestige wesentlich ist. Ich habe einiges ausprobiert, bis ich dann endlich spürte: Ja, hier in der Selbstständigkeit und auch als Autorin beim Schreiben bin ich richtig. Wesentlich war für mich der Wunsch, selbstbestimmt leben und arbeiten zu können.
Ihr Ideal des Managers von morgen nennen Sie „postheroisch“: Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Die Zeit der Helden mit den großen Gesten à la Josef Ackermann ist vorbei. Die große Geste steht eher für Unterwerfung, Gefolgschaft. Manchmal sogar für Demotivation. Denken Sie an das Victory-Zeichen des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs bei einem Gerichtsprozess. Wer will das schon? Die meisten jüngeren Manager suchen Austausch auf Augenhöhe.
Haben Menschen mit einem narzisstischen Selbstbild denn die besseren Aufstiegschancen?
Dazu kann ich nur aus vollem Herzen „Ja“ sagen. So, wie das Spiel um Macht und Aufstieg in der Wirtschaft angelegt ist, hilft Narzissmus definitiv noch immer beim Aufstieg. Doch das dürfte sich mit der zunehmenden Zahl von Frauen in entscheidenden Gremien und mit Unterstützung von männlichen Kollegen, die ebenfalls anders arbeiten wollen, deutlich verändern.
Frau Witzer, vielen Dank für das Gespräch.