Technik im Homeoffice Abschied von Laufwerk C

Hallo, hören Sie mich? Wohl dem, der im Homeoffice nicht nur gut organisiert - sondern auch technisch gut ausgestattet ist. Quelle: dpa

Auch nach Corona bleibt uns das Homeoffice wohl erhalten. Und damit auch all die technischen Probleme: von der wackligen Internetverbindung bis zu Missverständnissen im Chat. Dabei lassen sich auch die lösen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Harald Kiy kennt die Sorgen aller, die im Homeoffice arbeiten. Oder genauer gesagt: täglich mit der Technik kämpfen, um zu Hause überhaupt arbeiten zu können. Kiy führt in Dorsten den Dienstleister Sector 27, der vor allem Mittelständlern bei der Ausstattung der modernen Arbeitswelt hilft. Zu seinen Kunden zählen Versicherungen mit 1000 Mitarbeitern genauso wie Maschinenbauer, die neben der Fabrik noch 30 Leute in der Verwaltung beschäftigen. Im März vergangenen Jahres waren Kiy und seine 70 Kollegen vor allem mit technischen Fragen beschäftigt: Wo bekommen wir nun auf die Schnelle noch Kameras und Notebooks her? Welche Daten können vielleicht auch mal auf den privaten Rechnern der Mitarbeiter gespeichert werden - und welche eher nicht? Wie lässt sich ein Alltag, von dem von Akten bis zu Dienstplänen alles in einem Schrank im Büro hinterlegt war, in eine übersichtliche Dateistruktur übertragen?

Kiy und seine Kollegen haben noch immer gut zu tun. Auch wenn das Ende der Coronapandemie langsam in greifbare Nähe rückt und sich so mancher, der sich derzeit noch mit der stockenden Internetverbindung und dem streikenden Drucker zu Hause herumschlägt, auf die Rückkehr ins Büro freut. „Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen“, zeigt sich Kiy überzeugt.

Und tatsächlich loten nun viele Unternehmen einen neuen Arbeitsalltag aus - irgendwo zwischen Home und Office. Über 80 Prozent der Dax-Konzerne wollen die Homeoffice-Möglichkeiten teils deutlich ausbauen – ein klares „Nein“ gab es nur dort, wo die Regelungen schon vor der Pandemie umfangreich waren, wie bei RWE und Volkswagen. Bayer rechnet nach der Rückkehr zur Normalität dauerhaft mit 40 bis 60 Prozent Homeoffice-Quote.

von Konrad Fischer, Daniel Goffart, Julian Heißler, Nele Husmann, Kristin Rau, Teresa Stiens, Claudia Tödtmann

„Viele haben die ökonomischen Vorteile dieser vernetzten Arbeitswelt erkannt und sie wissen auch um die Flexibilität, die sie ihren Mitarbeitern ermöglichen müssen“, beobachtet auch Kiy. Aber zu dieser neuen Arbeitswelt gehören eben auch eine Menge technischer Probleme. Laut einer Umfrage, die das ifo Institut im Juli unter Geschäftsführern, Managern und Personalverantwortlichen in deutschen Unternehmen durchführte, ist die Technik die größte Schwierigkeit bei der Umstellung aufs Homeoffice. Dazu zählten etwa die mangelnde IT-Ausstattung, schlechte Internetverbindungen oder Bedenken bei der Datensicherheit. 72 Prozent verwiesen darauf. Zum Vergleich: Probleme im Team, etwa durch mangelnde Motivation oder die zusätzliche Belastung bei der Kinderbetreuung, sahen nur 57 Prozent der Befragten als eine Hürde für diesen neuen Arbeitsalltag.

In jedem dritten Haushalt stottert das Internet

Mitte März, also ein Jahr nach dem kollektiven Umzug ins Homeoffice, zog der Betreiber des weltweit größten Internetknotens in Frankfurt am Main, DE-CIX, Bilanz: 33,5 Prozent der deutschen Verbraucher beklagten sich in einer vom Unternehmen in Auftrag gegebenen Umfrage, dass sie mehrfach wöchentlich bis sogar täglich Verzögerungen bei der Internetnutzung zu Hause zu spüren bekamen. Junge Eltern, bei denen sowohl der eigene Job als auch der Unterricht der Kinder auf einmal von der heimischen Internetleitung abhing, nahmen solche Störungen am häufigsten wahr.

Wenn im Nebenzimmer die Tochter noch ein Referat im virtuellen Klassenzimmer halten muss, entschuldigt sich der eine oder andere Manager schon mal höflich, dass er beim Zoom-Call die Kamera ausschalten muss. Mitunter mit fatalen Folgen: Denn Mimik und Gestik erleichtern es uns enorm, unser Gegenüber richtig zu verstehen. Hinter der schwarzen Kachel gehen all die unausgesprochenen Botschaften verloren.

Was im analogen Besprechungsraum ganz automatisch klappte, wird im digitalen so auf einmal zum Quell ungeahnter Missverständnisse: Ergänzungen etwa dann einzuwerfen, wenn der eine Kollege wirklich ausgeredet – und der nächste noch nicht das Wort ergriffen hatte. Wo das ermutigende Lächeln der Chefin fehlt, zögern vor allem diejenigen, die sich ohnehin zurückhalten – und klinken sich gedanklich irgendwann womöglich ganz und gar aus. Es gibt, gewiss, in dieser neuen virtuellen Arbeitswelt auch soziale Hürden. Aber davor stehen eben meist die technischen.

Weil mit der wackligen Internetverbindung viel mehr leidet als nur der Auftrag zum einen Projekt oder die Abgabe der nächsten Präsentation, haben viele Unternehmen zu Beginn der Pandemie pragmatische Lösungen gefunden: Sie haben die wichtigsten Fragen und Antworten zur Technik in einer Übersicht gebündelt. Sie haben im Team eine Person benannt, die auch mal bei Fragen zu Excel hilft, damit niemand in der Warteschleife zur IT-Ableitung verloren geht.

Weg mit dem Wäscheständer

Die Ursache für eingefrorene Bilder und schnarrende Tonspuren in der Videokonferenz sahen die  Deutschen in der von DE-CIX beauftragten Umfrage meist im mangelnden Ausbau der Internetversorgung. Dabei ist es mitunter die mangelhafte Vernetzung im eigenen Haus, die dafür sorgt, dass die Verbindung in die Videokonferenz weit unter der Qualität liegt, die einem der Internetanbieter im Vertrag versprochen hat: Offene Metallrohre, Mikrowellen, Heizkörper, sogar ein Wäscheständer mit nasser Kleidung können Funkverbindungen empfindlich stören. Deshalb gilt als Faustregel für die stabile Verbindung mit den Kollegen: lieber per Kabel als per Wlan.

Zu Hause sei die Internetverbindung meist noch ganz gut, so die Erfahrung von Simon Kuhlman, Berater beim Dienstleister Sector 27. Die Bandbreite, die die Anbieter Privatkunden zusichern, reiche meist für Videokonferenzen. „Aber ich kenne Unternehmen, gerade auch in Ballungsräumen, die ihre Büros viel schlechter ausgerüstet haben. Da heißt es ,In die Besprechung nur mit ausgeschalteter Kamera!‘,  weil ansonsten keiner mehr irgendwas online erledigen könnte.“ Er kennt Unternehmen, die ihren Mitarbeiter eine Internetpauschale zahlen, damit diese sich einen schnellen Anschluss oder einen stärkeren Router fürs Homeoffice besorgen können.

Und er kennt Firmen, die nun ganze Pakete aus Router mit einem Funkmodul samt Laptop schnüren. Aus gutem Grund: Es gebe durchaus die Gefahr, Mitarbeiter über eine wacklige Internetverbindung oder einen klapprigen Rechner im wahrsten Sinne des Wortes zu verlieren, sagt Sector-27-Chef Kiy. Der eine leide ernsthaft darunter, dass er mit einer derart schlechten Ausstattung zu Hause einfach nicht so gut arbeiten könne wie im Büro. Der andere nutzt sie als Ausrede, bestimmte Aufgaben liegenzulassen. „Beide Argumente lassen sich leicht aushebeln, wenn ich als Unternehmen bei der Ausstattung unterstütze.“

Stau ist keine Ausrede mehr

Inzwischen, mehr als ein Jahr nach dem kollektiven Umzug ins Homeoffice, geht es in den Beratungen von Sector 27 weniger um technische Fragen, sondern eher um das Miteinander in dieser neuen Arbeitswelt. Wo früher fünf Kollegen aus dem Controlling nacheinander die Spalten in einer Exceltabelle befüllt haben, erledigen sie das nun gleichzeitig an einer in der Cloud hinterlegten Tabelle. Wo sich drei Mitarbeiter im Marketing die Präsentation mit immer neuen Ergänzungen übergeben mussten, feilen sie nun parallel an den einzelnen Folien. „Das geht viel schneller und unkomplizierter. Fehler lassen sich so auch frühzeitiger erkennen. Aber es ist eben ein anderes Arbeiten: offener und direkter“, sagt Kuhlmann.

Und mitunter, so Kiy Beobachtung, fordere dies manch einem Mitarbeiter, der sich in seinem stillen Kämmerlein ganz gut eingerichtet habe, auch mehr ab. Es gibt zum Beispiel eine ganze Reihe von Ausreden, die er nicht mehr gelten lasse: Ich verspäte mich, weil ich im Stau stehe, gehöre dazu. Oder: Das kann ich gerade nicht nachgucken, weil ich nicht an meinem Platz bin.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

„Das können sie alles streichen. Und das ist natürlich eine extreme Veränderung unserer Arbeitsweise“, sagt Kiy. Auch die Frage, wie sehr sich Mitarbeiter darauf verlassen können, über den aktuellen Stand eines Projekts informiert zu werden, oder ob sie nicht ihrerseits auch eine Pflicht haben, sich schlau zu machen, werde nun neu verhandelt. „Früher habe ich mich an die Arbeit gemacht, wenn ich in der Adresszeile einer E-Mail stand. Heute schiebe ich die nötigen Dinge selbst an, wenn ich in CC stehe – und ich suche mir vielleicht alle dazu nötigen Infos in einem Teams-Kanal. Natürlich gebe es auch noch Geschäftsführer, die sagen: Ich will aber meine Budgetplanung auf Laufwerk C, sagt Kiy. Aber das sei die Ausnahme. Und nicht selten, so seine Beobachtung, unterschätzen Manager ihre Mitarbeiter. „Manchmal müssen wir die Belegschaft regelrecht bremsen, wenn die sehen, was alles möglich ist.“

Mehr zum Thema: Mit dem absehbaren Ende des Lockdowns stellt sich die Bürofrage neu. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter von der Rückkehr überzeugen wollen – und warum Top-Leute zu Hause bleiben dürfen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%