Tipps & Tricks Bildungsurlaub: So nutzen Sie Ihre fünf freien Extratage ideal aus

Auch so kann Bildung aussehen: Yogakurse sind vom gesetzlichen Recht auf Bildungsurlaub erfasst. Quelle: dpa

Bildungsurlaub hat ein Image als Sonderfreizeit für Faulpelze. Weit gefehlt! So nutzen sie die Extratage, um sich optimal auf den Wandel der Arbeitswelt vorzubereiten.

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Ein bis zwei Wochen bezahlte Freizeit pro Jahr? Das klingt wie ein Angebot, das sich kaum ein Beschäftigter entgehen lassen dürfte. Und trotzdem stellt Bildungsforscher Matthias Alke von der Berliner Humboldt-Universität fest: „Bildungsurlaub wird immer noch sehr wenig genutzt.“ Lara Körber, Mitgründerin des Start-ups Bildungsurlauber.de, schätzt, dass deutschlandweit rund 27 Millionen Menschen Anspruch auf diese Art der Freistellung haben. Aber nur etwa zwei Prozent nehmen ihr gesetzlich verankertes Recht in Anspruch.

Das liegt vermutlich daran, dass der Bildungsurlaub bei Beschäftigten und Arbeitgebern gleichermaßen ein schlechtes Image hat. Arbeitnehmern leuchtet oft nicht ein, warum sie sich selbst um Fortbildungen kümmern und für freie Tage kämpfen sollten, wenn es innerbetrieblich diverse Alternativen gibt. Sie unterschätzen damit, wie weit der Begriff „Bildung“ gefasst wird. Selbst Yogakurse oder geführte Streifzüge über den lokalen Wochenmarkt fallen unter Umständen darunter. Entscheidend ist allein, dass ein Kurs als Bildungsurlaub anerkannt wird. „Bildungsurlaub ist ein kompaktes Format, um sich intensiv über mehrere Tage bestimmte Kenntnisse anzueignen oder vorhandene Kenntnisse zu vertiefen“, erklärt Simone Kaucher, Pressesprecherin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes. „Dahinter steht die Überzeugung, dass lebenslanges Lernen unverzichtbar ist, damit sich Menschen kontinuierlich auch auf wandelnde Anforderungen in der Arbeitswelt einstellen können.“

Das klingt durchaus sinnvoll, trotzdem hängen viele Arbeitgeber das Recht auf Bildungsurlaub lieber nicht an die große Glocke, weil sie sich davon keinen Mehrwert für das eigene Unternehmen versprechen. In welchen Feldern sich ihre Mitarbeiter fortbilden, wollen sie lieber selbst festlegen. In jüngerer Zeit „wird deshalb auch stärker von 'Bildungsfreistellung' oder 'Bildungszeit' gesprochen, um die Teilnahme an Weiterbildung nicht mit Urlaub gleichzusetzen“, erklärt Weiterbildungsforscher Alke. Denn zumindest einer falschen Hoffnung sollten Bildungsurlauber nicht aufsitzen: Pure Erholung ist das Ganze mitnichten.

Bildungsurlaub: Das gilt

Bildungsurlaub hat eine lange Tradition. Er wurde in den Siebzigerjahren eingeführt und fällt in den Hoheitsbereich der Bundesländer. Außer in Bayern und Sachsen gibt es das Recht auf Bildungsurlaub in allen Ländern. Die Regeln unterscheiden sich in Details. Grundsätzlich gilt: Pro Jahr gibt es für Vollzeitbeschäftigte fünf Tage Bildungsurlaub. Oft kann der Anspruch auf zehn Tage in zwei Jahren aufgespart werden, um ein längeres Bildungsangebot nutzen zu können.

In den allermeisten Bundesländern wird der Lohn während der kompletten Freistellung weitergezahlt. Im Saarland müssen Beschäftigte hingegen ab dem dritten Tag zur Hälfte eigene arbeitsfreie Zeit einbringen, also beispielsweise Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen. Bildungsurlaub dient stets der beruflichen oder politischen Weiterbildung und kann auch genutzt werden, um sich die nötigen Kenntnisse für ein Ehrenamt anzueignen. Einige Länder betonen zusätzlich den Aspekt der kulturellen oder persönlichen Fortbildung.

Dementsprechend kann es sein, dass derselbe Kurs in einem Land als Bildungsurlaub anerkannt ist, in einem anderen hingegen nicht. Das gilt auch für die Frage, ob man ins Ausland reisen kann. „In NRW darf Bildungsurlaub beispielsweise nur 500 Kilometer von der eigenen Landesgrenze entfernt stattfinden. In Berlin kann der Spanischkurs auch in Barcelona oder der Karibik abgehalten werden – die Anerkennung bezieht sich hier also ausschließlich auf das didaktische Konzept des Bildungsurlaubs und nicht auf den Austragungsort“, erklärt Körber.

Ihr Start-up „Bildungsurlauber.de“ ist seit Anfang 2020 online. Die Plattform sammelt Angebote von zertifizierten Bildungsträgern und soll Kunden dabei helfen, den Bildungsurlaub beim Arbeitgeber zu beantragen. Das muss in den meisten Ländern spätestens sechs Wochen vor Beginn der Veranstaltung geschehen. Der Arbeitgeber hat dann je nach Bundesland zwei bis vier Wochen Zeit, um den Antrag zu prüfen. Er darf nur wegen zwingender betrieblicher oder dienstlicher Gründe abgelehnt werden, etwa, wenn schon zu viele Mitarbeiter im selben Zeitraum Urlaub beantragt haben.

Bildungsurlaub einklagen

Manch ein Unternehmen verweigert die Freistellung aber auch, weil sie den Bildungsgehalt des vom Beschäftigten gewählten Kurses infrage stellen. „Grundsätzlich brauchen Sie sich nicht für die Wahl und Ausrichtung Ihres Bildungsurlaubs gegenüber Ihrem Arbeitgeber rechtfertigen“, unterstreicht Bildungsforscher Alke zwar. In der Realität möge das aber oft anders aussehen. Ist der Kurs vom jeweiligen Bundesland anerkannt, können sich Beschäftigte im Notfall juristisch gegen eine Ablehnung wehren.

Damit war 2019 ein Berliner erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass sein fünftägiger Volkshochschul-Kurs „Erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“ als Bildungsurlaub gewertet werden kann. Das Gericht verwies darauf, dass das Landesgesetz den Begriff der beruflichen Weiterbildung breit auslegt. Darunter fielen deshalb auch Angebote, die Beschäftigte auf den rasanten technologischen und sozialen Wandel der Arbeitswelt vorbereiten sollen. „Auch ein Yogakurs mit einem geeigneten didaktischen Konzept könne diese Voraussetzungen erfüllen“, urteilte das Gericht. In Bayern und Sachsen kann Bildungsurlaub möglicherweise per Tarifvertrag vereinbart werden. Entsprechende Bildungskurse der Gewerkschaften können teilweise auch von Nicht-Mitgliedern genutzt werden.

Neben Klassikern wie Software-Lehrgängen oder Sprachkursen werden gerade Gesundheitsangebote im Rahmen des Bildungsurlaubs immer populärer. „Sehr beliebt sind Yoga- und Meditations-Retreats zur Stressreduzierung. Ziel ist es, danach gestärkt in Alltag zu starten inklusive vieler Tipps und Übungen, um diesen Zustand auch nachhaltig zu bewahren“, berichtet Körber. Selbst Paragliding oder Schlafkurse sind auf ihrer Plattform zu finden. „Ein körperorientierter Bildungsurlaub, der sich mit Stressbewältigung beschäftigt, hat sehr wohl etwas mit dem Beruf zu tun“, weist die Gründerin Vorwürfe zurück, dass solche Angebote zu sehr in Richtung Wellness gehen. „Über 30 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage aller DAK-Versicherten gingen 2019 auf Rückenschmerzen und psychische Erkrankungen wie Burnout zurück. Dabei sind die Fehltage ohne Krankmeldung noch gar nicht eingerechnet.“

So finden Sie Bildungsurlaub

Anerkannte Bildungsurlaubsangebote finden sich auch in entsprechenden Datenbanken der Bundesländer. Eine Übersicht auch über die jeweiligen Regelungen bietet der Deutsche Bildungsserver. Ein sehr umfangreiches Programm unter dem Suchwort „Bildungsurlaub“ bieten zudem die Volkshochschulen.

Bildungsurlaub muss grundsätzlich nicht teuer sein. Manche VHS-Kurse gibt es ab rund 70 Euro. Private Anbieter verlangen für einen Business-Englisch-Kurs vielleicht aber auch 400 Euro, Fernreisen mit Flug und Vollpension sind entsprechend teuer. Diese Kosten trägt der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst. Finanzielle Unterstützung gibt es dafür zum Teil für Arbeitgeber. Das Land Hessen etwa übernimmt bei Kleinst- und Kleinbetrieben zur Hälfte das Arbeitsentgelt des freigestellten Mitarbeiters.

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Gründerin Körber erwartet, dass sich aus der Corona-Pandemie langfristig eine erhöhte Nachfrage nach Bildungsurlauben ergibt. So habe die Krise gezeigt, wie wichtig es im Job auch mal ist, das große Ganze zu betrachten. „Die Pandemie hat Fragen aufgeworfen wie: Was ist mir wichtig? Bin ich glücklich in meinem Job? Wie gestalte ich meine Zukunft? Bei der Suche nach Antworten kann ein Perspektivwechsel in Form von Bildungsurlaub helfen.“ Alke wünscht sich deshalb gerade von den Arbeitgebern mehr Engagement, den gesetzlichen Anspruch auf die zusätzlichen freien Tage aktiv in der Belegschaft zu bewerben – und sei es nur aus purem Eigennutz: „Wenn Unternehmen aufgeschlossen gegenüber Bildungsurlaub sind und das Interesse an Weiterbildung unterstützen, fördert dies auch die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen“.

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