"Früh zu Bett und früh aufstehen macht gesund, reich und klug", soll Benjamin Franklin einst gesagt haben. Beim Thema Gesundheit hat der Gründervater der USA auch heute noch Recht. Allerdings verhindert die moderne Arbeitswelt den von ihm propagierten Schlafrhythmus.
"Längst sind nicht nur Krankenhäuser und Tankstellen nachts geöffnet. Rund um die Uhr und rund um die Welt wird produziert, publiziert, verkauft und transportiert", sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkassen. Diese hat einen bevölkerungsrepräsentativen Querschnitt der Deutschen zu ihrem Schlafverhalten befragen lassen.
Das Ergebnis: Jeder dritte Deutsche schläft nur mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht. Schuld hat häufig der Job - und seine Struktur. Denn: Je unregelmäßiger die Arbeitszeiten, desto schlechter kommen die Menschen zu Ruhe. Die Schlafqualität sinkt stark. Unter den sogenannten Flex-Beschäftigten, also Berufstätigen im Schichtdienst oder anderweitig wechselnden Arbeitszeiten, schläft die Hälfte höchstens fünf Stunden pro Nacht, 40 Prozent schlafen schlecht.
Schlafstörungen: Zu wenig Prävention und medizinische Versorgung
Nur schlecht geschlafen oder schon eine Schlafstörung? Der Übergang ist fließend. Anhaltende Schlafprobleme sollten medizinisch behandelt werden.
Der Mensch „verschläft“ durchschnittlich etwa ein Drittel seines Lebens. Doch dieses eine Drittel ist überlebensnotwendig, ist wesentlich für die biologische und psychische Regeneration. Mangelt es daran, können erhebliche gesundheitliche Beschwerden folgen.
Quelle: dpa
Nach einer Expertenempfehlung sollte man bis ans Ende seines Lebens 7,5 Stunden pro Tag schlafen. Das sei gesunder Schlaf.
Gelegentliche nächtliche Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen dürften noch kein Schlafproblem sein. Bestehen sie aber drei Mal in der Woche mehr als drei Monate lang, spricht man von Ein- beziehungsweise Durchschlafstörungen. Gehen sie mit Tagesmüdigkeit und sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen einher, wird von einer „schweren Schlafstörung“ (Insomnie) gesprochen.
Nach dem Gesundheitsreport 2017 der DAK-Gesundheit sagen 80 Prozent der befragten Erwerbstätigen, sie hätten hie und da „Schlafprobleme“. Das seien 66 Prozent mehr als 2009. Unter „schweren Schlafstörungen“ leide jeder zehnte, ein Anstieg von 60 Prozent in den vergangenen sieben Jahren. Selbst er habe einen solchen Anstieg nicht erwartet, sagt der Schlafexperte von der Berliner Charité, Ingo Fietze.
Ständiger nächtlicher Lärm kann den Schlaf erheblich beeinträchtigen. Nach der dritten durchlittenen Nacht, sinkt die Leistungsfähigkeit im Job. Auch ein unregelmäßiger Lebensstil mit wenigen Schlaf- und Erholungsphasen - sei es bei der Arbeit, sei es in der Freizeit - kann letztlich zu Schlafstörungen führen.
DAK-Chef Andreas Storm erläutert: „Im Job nehmen schwere körperliche Arbeiten seit Jahrzehnten ab, psychische Belastungen hingegen zu.“ Dabei lässt sich eine gewisse Wechselwirkung zwischen psychischen Problemen und Schlafstörungen feststellen. Schlafstörungen können zu Depressionen oder Angstzuständen führen - und umgekehrt. Und letztlich sind auch chronische körperliche Beschwerden wie Bluthochdruck oder Diabetes möglich.
„Dramatisch schlecht“, sagt Fietze. Deutschland brauche eine neue Facharztgruppe, den niedergelassenen Schlafmediziner. „Es fehlt der primäre Ansprechpartner.“ Auch die Zahl der Schlafzentren sollte aufgestockt werden, zumal sich diese vor allem mit Atemstörungen beim Schlafen beschäftigen. Und es bedürfe mehr Aufklärung über Schlafprobleme und mehr Prävention in Schule und Beruf, sagt Fietze.
Bevor man zur Schlaftablette greift, sollte man über sein Schlafverhalten nachdenken, Stichwort: Schlafhygiene. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin rät unter anderem: Jeden Tag um dieselbe Zeit aufstehen, nur Schlafen gehen, wenn man wirklich müde ist, regelmäßig Sport treiben, vor dem Zubettgehen keinen Kaffee, keinen Alkohol und keine Zigarette mehr und den Mittagsschlaf vermeiden.
Jeder zweite Patient, der mit Schlafstörungen kämpft, besorgt sich Schlafmittel ohne Rezept, oft ohne fachmännische Beratung. Fietze beklagt, dass Apotheker zu wenig über die Mittel aufklären. Grundsätzlich könnten Schlaftabletten bei chronischen Schlafstörungen auch über einen längeren Zeitraum notwendig sein. Das sollte aber der Arzt entscheiden.
Schlechter Schlaf hat seinen volkswirtschaftlichen Preis. Laut RKI belaufen sich in Europa allein die Kosten durch Einschlafen am Steuer auf mehrere Milliarden Euro jährlich. Die reduzierte Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz lässt sich kaum beziffern. Doch Fehltage aufgrund von Schlafstörungen nehmen deutlich zu, wenn auch bisher auf niedrigem Niveau: Sie stiegen um rund 70 Prozent auf 3,86 Tage je 100 Versicherten.
Für die Unternehmen wird das zunehmend zum Problem: Zwar entfielen laut der TK-Studie 2016 bei 100 Menschen nur neun Fehltage auf Schlafstörungen und nichtorganische Schlafstörungen. Doch die Zahl der Fälle steigt. Im Vergleich zum Jahr 2010 gibt es 90 Prozent mehr Fälle, die wegen Schlafstörungen ausfallen. Die Zahl der Fehltage ist um 315 Prozent gestiegen. Wer wegen Schlafproblemen zu Hause bleibt, bleibt im Schnitt für 18 Tage der Arbeit fern.
So schläft Deutschland
An einem ganz normalen Arbeitstag liegt um 23 Uhr fast jeder zweite Erwachsene im Bett, um zu schlafen. An arbeitsfreien Tagen sieht das ein wenig anders aus. Um 23 Uhr hat erst ein Fünftel der Befragten das Licht gelöscht.
Quelle: TK-Schlafstudie "Schlaf gut, Deutschland"
Ein weiteres Drittel folgt bis null Uhr, sodass 80 Prozent der Menschen in Deutschland alltags vor Mitternacht im Bett sind. Auch am Wochenende liegt gut die Hälfte vor Mitternacht in den Kissen.
Während unter der Woche 20 Prozent nach Mitternacht zu Bett gehen, gehen am Wochenende zwei von zehn Erwachsenen nach ein Uhr schlafen.
Kaum im Bett schlafen 40 Prozent der Befragten auch schon - nämlich nach höchstens zehn Minuten. 30 Minuten nach dem Zubettgehen schlummern immerhin 85 Prozent. Das bedeutet im Gegenzug aber auch, dass etwa jeder Siebte länger als die von Gesundheitsexperten empfohlene halbe Stunde braucht, um in den Schlaf zu finden.
Frauen gehen früher ins Bett als Männer. Jede zehnte Frau liegt vor 22 Uhr im Bett. Bis 23 Uhr hat dann mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung das Licht gelöscht. Bei den Männern schaffen es lediglich drei Prozent vor 22 Uhr ins Bett. Knapp ein Viertel der Männer legt sich erst nach Mitternacht schlafen.
Auch regional unterscheiden sich die Schlafgewohnheiten. Während in Ostdeutschland jeder Siebte schon vor 22 Uhr im Bett liegt, gilt dies im Westen nur für eine kleine Minderheit von fünf Prozent. Früh zu Bett gehen besonders die Bewohner in Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen: 18 Prozent von ihnen machen vor 22 Uhr das Licht aus. Das schaffen in Bayern lediglich zwei Prozent.
Was bereits mehrere Studien untersucht haben, belegt auch die vorliegende Befragung: Wer allein schläft und nicht von der Unruhe eines anderen gestört wird, schläft besser. Fast drei von vier Singles, aber nur rund
60 Prozent derer, die in einer Beziehung leben, schlafen gut oder sehr gut.
Unter der Woche geht es für drei von zehn Befragten schon vor sechs Uhr raus aus den Federn. Ein weiteres Drittel lässt seinen Wecker zwischen sechs und sieben Uhr klingeln – spätestens um sieben sind also bereits knapp 60 Prozent der Erwachsenen auf den Beinen. Knapp ein Fünftel der Menschen in Deutschland pflegt auch an arbeitsfreien Tagen keine Langschläferei und ist um sieben Uhr bereits wach.
Ein Viertel der Befragten steht zwischen sieben und acht Uhr auf. Nur eine Minderheit von 16 Prozent beendet die Nachtruhe nach acht Uhr
Zwischen acht und neun Uhr steht mehr als jeder Zweite auf. Nach neun Uhr schlafen an arbeitsfreien Tagen noch drei von zehn Erwachsenen.
Verrechnet man Einschlaf- und Aufstehzeit, dann schläft ein Drittel der Menschen in Deutschland sieben Stunden. Nur unwesentlich kleiner ist die Anzahl derer, die auf sechs Stunden Nachtschlaf kommen und sich damit bereits an der Untergrenze bewegen. Immerhin ein Viertel der Befragten bleibt mit fünf Stunden oder weniger sogar deutlich unter dem empfohlenen Schlafpensum. Acht Stunden oder mehr schläft jeder Sechste.
Und das Risiko, wegen Schlafproblemen auszufallen, wächst. Drei von zehn Beschäftigten arbeiten mittlerweile im Schichtdienst beziehungsweise unregelmäßig. Selbst denen, die einen Nine-to-five-Job haben, fällt es zunehmend schwerer, abzuschalten und Ruhe zu finden. Da piepst das Smartphone, da muss noch eine wichtige Mail vom Chef beantwortet und mit dem Kunden aus Übersee telefoniert werden.
All diese Schlechtschläfer riskieren auf Dauer ihre Gesundheit. Die Fehlerquote im Job steigt sogar unmittelbar nach einer schlaflosen Nacht. Wer müde ist, konzentriert sich nicht richtig.
Übermüdete Menschen sind ein Sicherheitsrisiko
Wer übermüdet mit dem Auto zur Arbeit pendelt, riskiert außerdem schwere Unfälle. Laut dem ADAC wirkt sich Schlafentzug auf das Fahrverhalten genau so aus, wie Alkohol. Wer 17 Stunden wach ist, fährt demnach genauso unaufmerksam, wie jemand mit 0,5 Promille im Blut. Wer seit 24 Stunden wach ist, könnte auch 1,0 Promille Blutalkoholgehalt haben.
Dieser Aspekt sollte besonders Taxibetriebe, Verkehrsverbünde, Speditionen und sonstige Logistik- und Transportunternehmen aufwecken. "Unausgeschlafene Beschäftigte sind für einen Verkehrsbetrieb ein großes Sicherheitsrisiko", bestätigt Stefanie Wagner, die bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH in Mannheim für das Betriebliche Gesundheitsmanagement verantwortlich ist. Sie sagt: "Die Frage, wie wir auch im Schichtdienst dafür sorgen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genügend Ruhezeiten bekommen, ist besonders wichtig."