Überforderte Arbeitnehmer Hilfe, mein Job bringt mich noch um

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Weniger Mitarbeiter, höhere Zielvorgaben

Zehn Sofortmaßnahmen gegen Stress
Abwarten und aufschreiben Quelle: Fotolia
Tief durchatmenWenn Ihnen alles über den Kopf zu wachsen droht, atmen Sie erst einmal tief durch und beruhigen sich selbst. 1. Machen Sie die Augen zu 2. Atmen Sie tief ein 3. Sagen Sie sich im Stillen (wahlweise*): "Ich werde..." 4. Atmen Sie aus 5. Sagen Sie dabei im Stillen: "...meinen Chef nicht töten." Nach ein paar Wiederholungen fühlen Sie sich gelassener.*alternativ geht natürlich auch: "Ich bin total entspannt", "ich werde das schaffen" oder was Sie sonst gerade beschäftigt. Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für Ruhe Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für guten Duft Quelle: dpa
Kurze Wutpause einlegenUnd wenn Sie an Ihrem Arbeitsplatz gerade alles kurz und klein schlagen könnten, stehen Sie auf und holen Sie sich einen Kaffee, einen Tee oder Kakao. Trinken Sie den ganz in Ruhe in der Küche oder vor dem Gebäude und genießen Sie die kurze Auszeit. Erst danach sollten Sie zurück an den Schreibtisch. Quelle: Fotolia
Meditation in der MittagspauseWer es mit Meditation versuchen möchte, kann das App-sei-Dank mittlerweile sogar von unterwegs. Smartphone-Anwendungen wie "Headspace" bieten Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Tiefenentspannung. Quelle: AP
Bewegung in der PauseWem das zu esoterisch ist, dem sei ein wenig Bewegung ans Herz gelegt, das macht den Kopf frei: In der Mittagspause oder nach Feierabend ein paar Runden durch den Park joggen, kann Wunder bewirken. Quelle: dpa

Ob als Angestellter, der willens ist, regelmäßig einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben zu machen, die sich aber zunehmend als Hamsterrad entpuppt, weil im Zuge von Rationalisierungsprogrammen immer mehr Aufgaben auf immer weniger Mitarbeiter mit immer höheren Zielvorgaben konzentriert werden. Wo erste E-Mails schon auf dem Weg zur Arbeit beantwortet, Anrufe vom Chef auch weit nach Feierabend entgegengenommen werden und Projekte nur mit Überstunden zu stemmen sind.

Oder als Unternehmer, mit der Verantwortung für Hunderte Mitarbeiter und das erfolgreiche Fortführen einer traditionsreichen Firmenhistorie – immer mit der Angst vor zunehmend globaler Konkurrenz und sinkenden Margen im Nacken.

Oder als Vater oder Mutter, die ihren Kindern optimale Bedingungen für ihre Entwicklung bieten wollen, ihnen bei den Hausaufgaben helfen und auch dann Elternsprechtage oder das Fußballturnier ihrer Kinder nicht verpassen wollen, wenn sich auf dem Schreibtisch die Arbeit türmt. 65 Prozent aller Eltern mit Kindern unter 16 Jahren haben das Gefühl, nicht allen Anforderungen gerecht zu werden. Das ergab die Vorwerk Familienstudie 2013, die das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) für den Staubsaugerkonzern aus Wuppertal erhoben hat. Vor allem berufstätige Mütter hätten gerne mehr Zeit für die Familie. Und laut einer Untersuchung des Personaldienstleisters Hay Group fühlt sich jeder zweite Mitarbeiter von seinem Unternehmen im Stich gelassen.

"Kultur der Sorglosigkeit"

Bernhard Badura, Gesundheitsforscher und Emeritus an der Universität Bielefeld, macht bei vielen Unternehmen „eine Kultur der Sorglosigkeit“ aus, wenn es um die Arbeitsüberforderung ihrer Mitarbeiter geht. In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der psychischen Erkrankungen um 120 Prozent gestiegen und damit auch die durch sie verursachten Fehlzeiten bis 2011 – im Schnitt auf 22,5 Tage, heißt es im Fehlzeiten-Report 2012 der AOK. Und laut einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer sind psychische Erkrankungen bei fast jedem zweiten Frührentner der Grund für sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf.

Gleichzeitig, so schätzt Arbeitspsychologe Stefan Poppelreuter, leben in Deutschland rund 400.000 Menschen mit einer krankhaften Arbeitssucht – diese Menschen gönnen sich jenseits der Arbeit nur minimale Pausen fürs Schlafen, Waschen, Essen.

Was bei Müttern und Vätern zu kurz kommt

„Die Unvereinbarkeit von Arbeit und Familie ist der größte Treiber für den Stress, den wir fast rund um die Uhr empfinden“, sagt Hartmut Rosa, Professor für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Entweder fühlt man sich gegenüber seinen Kindern schuldig, weil man die Aufführung der Schultheatergruppe verpasst. Oder man geht früher von der Arbeit nach Hause und lässt die Kollegin mit dem Projekt hängen.“

Kassierersyndrom

Was früher schnellere Maschinen und Transportmittel eingespart hätten, müssten jetzt die Mitarbeiter rausholen, sagt Zeitforscher Karlheinz Geißler. „Die Technik ist am Limit.“ Die Zeitverdichtung damit allgegenwärtig, die Arbeit nie erledigt, weil die nächste Aufgabe immer schon wartet. „Viele Arbeitnehmer messen einen erfolgreichen Tag am Erschöpfungszustand, seitdem feste Arbeitszeiten der Vergangenheit angehören.“

Tim Hagemann, Professor für Arbeitspsychologie an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld, spricht in diesem Zusammenhang vom Kassierersyndrom. „Je schneller der Kassierer ist, desto mehr Leute stellen sich in seine Schlange.“

Dies kann dank flexibler Arbeitszeiten zum Verhängnis werden. Denn diese Freiheit kommt nur demjenigen zugute, der auch damit umgehen kann. „Stechuhren können manche Menschen vor Selbstausbeutung schützen“, sagt Hagemann.

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